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Rallye-WM: Jordanien

Gelobtes Rallye-Land

Jordanien ist ein Paradies für Rallye-Fans. Wenig Zuschauer, viel Action und kulturelle Highlights. Leider auch eine Reifenpanne am Miet-Pajero...

Stefan.Schmudermaier@motorline.cc

Die Jordanien-Rallye ist für Europäer alleine aufgrund des Landes und seiner Einwohner ein besonderes Erlebnis. Dreieinhalb Flugstunden von Wien entfernt, taucht man ein in eine völlig andere Welt. Eine Gastfreundlichkeit, von der sich mancher Österreicher ein Scheibchen abschneiden könnte, oder ein Straßenverkehr, der als einzige Regel blindes Gottvertrauen zu haben scheint.

Für den Rallyefan ist Jordanien das gelobte Land. Für viele ist Finnland das uneingeschränkte Mekka, für mich ist die Rallye am Toten Meer mein WM-Highlight schlechthin. Die Prüfungen sind dermaßen kompakt angeordnet, dass man es ohne große Anstrengung schafft, die ersten zehn Boliden auf beinahe allen SP's zu sehen.

Dass sich der Rallyesport in Jordanien keiner allzu großen Beliebtheit erfreut, hat für die Fans einen positiven Nebeneffekt. Bei den Prüfungen finden sich nicht annähernd so viele Zuseher ein, wie bei einem ÖM-Lauf! Es reicht, fünf Minuten vor dem Start sein Auto zu parken und wenige Schritte später ist man bereits mitten im Geschehen.

Perfekt für die Zuschauer

Zudem kann man die Boliden teilweise mehrere Kilometer lang verfolgen, ehe sie dann direkt an einem vorbeiglühen. Einzig gegen Staub sollte man nicht allergisch sein, davon schluckt man – wie bei jeder Schotter-Rallye – eine ganze Menge.

Durch die Probleme mit dem defekten Transportschiff blieben zwar nur zwei Rallyetage übrig, dennoch haben wir deutlich mehr Prüfungen gesehen als anderswo an drei Tagen.

Red-Bull-Rallye-Teamchef Raimund Baumschlager – vor Ort beim S2000-Debüt von Hermann Gaßner, übrigens in jenem Skoda Fabia, mit dem er selbst die Jänner-Rallye bestritt – hat uns geraten, eine der für ihn schönsten und anspruchsvollsten Sonderprüfungen mit dem Auto abzufahren.

Reifenschaden am Pajero auf SP8

SP8/11 hatte es tatsächlich in sich. Die Schotterpfade schlängeln sich in die Berge hinauf und hinter jedem Hügel wartet das Gebiet mit einer anderen Landschaft auf. Mal steinig und staubig, dann plötzlich wieder überraschend grün. Unser Mietwagen – ein robuster Mitsubishi Pajero – nahm die SP gelassen, der linke Vorderreifen leider nicht.

Mit leisem, aber bestimmten „pfffffff“ ging ihm die Luft aus und uns blieb nur ein Wechsel in der Prüfung. Hermann Gaßner jun. und seine Co-Pilotin Kathi Wüstenhagen bewiesen uns zuvor nach SP9, wie schnell man die Reste der Felge demontiert und das neue Rad wieder angebracht hatte.

Wir hätten es nicht in der Ausschlusstoleranz geschafft, denn kurz nachdem wir das linke Federbein mittels des speziellen Wagenhebers an der richtigen Position hatten und alle Radschrauben gelöst waren, rutschte der Wagenheber im weichen Untergrund weg und der Pajero blieb mit dem Kotflügel auf dem demontierten Rad hängen...

Mit Hilfsmitteln wie großen Steinen – davon gibt’s in Jordanien zum Glück genug – gelang es dann knapp vor Sonnenuntergang doch noch, den Mitsubishi wieder flott zu machen. Raimund Baumschlager hat uns erzählt, dass er schon drei seiner Autos aus dieser Prüfung bergen musste, da wärs auf ein viertes wohl auch nicht angekommen, noch dazu wo es sich um einen Mitsu handelte...

Unfassbares Tempo der Spitzenpiloten

Zurück zur Rallye. Die Spitzenpiloten legten teilweise ein Tempo vor, dass man physikalisch nicht für möglich halten würde. Die Schotterreifen erlauben Geschwindigkeiten und Bremspunkte, die man einfach nicht verstehen kann. Wie auch immer, es hat funktioniert, gröbere Abflüge blieben aus.

Und an Spannung war die Jordanien-Rallye ohnedies nicht zu überbieten. Nach dem ersten Tag schien die Sache schon fast zu Gunsten von Sebastien Ogier entschieden zu sein. Ford pfiff Jari-Matti-Latvala noch hinter Sebastien Loeb zurück, um auf der 2. Etappe erstmals drittes Auto auf die Strecke gehen zu können.

Und um ein Haar sollte dieser Plan sogar aufgehen. Latvala prügelte seinen Ford Fiesta am Samstag ohne Rücksicht auf Verluste über die Prüfungen und ging vor der finalen Powerstage mit einer halben Sekunde Vorsprung auf Ogier in Führung.

Ein Zehntelsekunden-Krimi

Doch der konterte und war auf der letzten SP sieben Zehntel schneller als der Finne. Sebastien Ogier gewann die Jordanien-Rallye mit dem knappsten Vorsprung in der Geschichte der WM, mit unfassbaren zwei Zehntel (!) Sekunden...

Dass Jari-Matti Latvala das Lachen im Anschluss schwer fiel, ist wenig verwunderlich. Ford-Technikchef Christian Loriaux zog dennoch ein positives Resümee: „Wir haben bewiesen, dass wir auf Schotter absolut konkurrenzfähig sind, Jari-Matti ist eine fantastische Rallye gefahren. Bei der Sardininen-Rallye wollen wir den Spieß umdrehen, wir können dort gewinnen.“

Ob es nicht doch ein Fehler war, Latvala am ersten Tag zurückzupfeiffen, wollen wir wissen: „Nein, hätten wir das nicht getan, wäre uns vermutlich nur der dritte Platz hinter Loeb geblieben. Unser Problem war, dass Ogier als Erster auf der Piste wirklich stark gefahren ist und weniger Zeit verloren hat als wir vermutet haben.“ Ein ausführliches Interview mit Loriaux folgt übrigens demnächst!

Henning Solberg und Ilka Minor neuerlich out

Alles andere als happy zeigte sich Ilka Minor – Co-Pilotin von Henning Solberg im Ford Fiesta WRC – im Ziel. „Es ist heuer wirklich zum Verzweifeln, wir sind noch keine einzige Rallye ohne Probleme durchgekommen. Dieses Mal war es der Öldruck, der uns am Freitag zur vorzeitigen Aufgabe gezwungen hat. Wir konnten zwar am Samstag wieder starten, aber mit so einem Rückstand ist dann einfach die Luft draußen. Da fällt es Dir auch als Co-Pilotin schwer, sich noch zu motivieren...“

Der Jordanien-Rallye kann sie auch viel Positives abgewinnen: „Wir fahren bei anderen Rallyes oft sinnlos hunderte Kilometer an Verbindungsetappen durch die Gegend, so kompakt wie hier in Jordanien ist es sonst nirgends, das ist wirklich toll.“

Während des Gesprächs mit Ilka stapfte auch ein gewisser Kimi Räikkönen an uns vorbei um sich dann mit klassischer Iceman-Miene auf eine Kiste zu setzen. Die Chance auf ein Interview? Ja, wäre es nicht der wortkarge Finne gewesen...

Baumschlager happy mit Gaßners Performance

Abschließend noch ein Sprung zum österreichischen Serienstaatsmeister. Der zeigt sich mit der Performance seines Schützlings sehr zufrieden: „Hermann sollte sich hier an das Auto gewöhnen und hat sofort mit Top-Zeiten – darunter sogar SP-Bestzeiten in seiner Klasse – aufgezeigt. Vor allem im Hinblick auf den Schrieb haben die beiden viel gelernt, schließlich gibt es nur wenige Rallyes, die von ultraschnellen Passagen bis hin zu ganz verwinkelten Stellen dermaßen abwechslungsreich sind.“

Den vorhin angesprochene Reifendefekt von Hermann Gaßner jun. – der schlussendlich doch einigen Schaden anrichtete – verbucht Baumschlager unter Lernphase: „Der Reifen hat eine extrem starke Flanke, du merkst zunächst gar nicht, dass du Luft verlierst. Erst sieben Kilometer vor dem Ziel war klar, dass der Reifen kaputt ist. Und da wäre es besser gewesen zu wechseln, aber das weiß der Hermann jetzt auch.“

Bereits in drei Wochen trifft die Rallye-Weltelite wieder aufeinander, dann wartet die Sardinien-Rallye auf Latvala, Ogier, Gaßner und Co, mit Ilka Minor und Raimund Baumschlager sind abermals zwei Österreicher an wichtigen Position dabei.

Jordanien verliert WM-Lauf...

Wer nun Geschmack an der Jordanien-Rallye gefunden hat, der wird allerdings bis auf weiteres enttäuscht werden. Hinter vorgehaltener Hand ist davon die Rede, dass zumindest die nächsten drei Jahre dort kein WM-Lauf stattfinden wird und Abu Dhabi den Zuschlag bekommt. Schade, wenngleich Abu Dhabi mit Sicherheit auch eine Reise wert ist.

Was uns sonst noch aufgefallen ist:

- dass Kollege Christoph Jordan von der Autorevue so manchen Jordanier ob seines Namens in Staunen versetzte.
- dass der Besuch in Petra Pflicht und der Eintritt von bis zu 90,- Euro unverschämt ist.
- dass die Polizei Audi A6 und Mitsubishi Pajero fährt und es im Schnitt ca. alle 10 Kilometer eine Radarkontrolle gibt.
- dass man im Toten Meer wirklich nicht untergeht.
- dass der jordanische König Hussein auf unzähligen Bildern allgegenwärtig ist.
- dass die Bauchtänzerin jeden Abend im Hotel die gleichen Tänze darbot, uns das aber völlig egal war...

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