
Rallye-WM: Jordanien | 15.04.2011
Ogier selbstbewusst – reicht ihm eine halbe Minute?
Loeb bremste mitten auf der Prüfung, Latvala und Petter Solberg nach der letzten Splitzeit. Ogier vertraut nun auf eine halbe Minute Vorsprung…
Michael Noir Trawniczek
Die Bestzeit auf der ersten Nachmittagsprüfung, der zweiten Durchfahrt der 13,5 km langen SP „Suwayma“, markierte Jari Matti Latvala – obwohl er ein Handicap zu beklagen hatte: „In der dritten Kurve haben wir mit dem vorderen Kotflügel ein Klebeband, das locker von einer Barriere hing, mitgenommen. Das war ganz schön irritierend, denn manchmal hat das Klebeband die Windschutzscheibe verdeckt. Zum Glück sind wir nicht abgeflogen.“
Die beiden Citroen-Werkspiloten Ogier und Loeb waren nur unwesentlich langsamer als Latvala. Loeb gab zu: „Ich habe es ein bisschen übertrieben, hatte ein paar Fehler drinnen, bin ein paar Mal recht weit raus getragen worden.“.“
Auch auf der nächsten Prüfung, der 17,2 km langen SP „Kafrain“ war Latvala der schnellste Mann, womit er hinter dem führenden Ogier auf Platz zwei vorrückte.
Petter Solberg würgte am Start der SP den Motor ab und verlor dabei rund sieben Sekunden. Der Citroen-Privatier gab zu Protokoll: „Ich weiß nicht, warum das passiert ist – aber wir haben es auf der Strecke aufgeholt.“
Rallyeleader Ogier kündigte an: „Wir wissen nicht, ob unser Vorsprung ausreicht – wir werden nach der letzten Splitzeit der nächsten Prüfung eine Entscheidung treffen müssen.“
Let’s play tactics
Der Citroen-Werkspilot spielt damit die leidigen Taktikspielchen an, welche auf Schotter-Rallyes mittlerweile üblich sind: Um nicht am nächsten Tag als erster Wagen den losen Schotter von den Strecken fegen zu müssen, lassen sich die Piloten auf der letzten SP des Tages zurückfallen.
Normalerweise tut man dies, wie von Ogier erklärt, nach der letzten Splitzeit – doch auf der 41 Kilometer langen SP „Jordan River“ hat Loeb eine völlig andere Taktik gewählt: Er blieb in der Mitte der Prüfung für rund zehn Sekunden lang stehen…
Latvala, vor der letzten Splitzeit noch elf Sekunden schneller als Loeb, bremste daraufhin auf dem letzten Teil dramatisch ab, sodass er in der Gesamtwertung 1,5 Sekunden hinter Loeb zurückfiel.
Schließlich ließ sich auch Petter Solberg ordentlich zurückfallen, sodass sich Loeb am Ende erst recht wieder mit Startposition zwei abfinden musste. Den großen „Poker“, wer also am besten bremst, hat Loeb gegen Latvala und Solberg klar verloren.
Einzig Ogier lies sich nicht zu dem lächerlichen Bremswettbewerb verleiten, stattdessen gab er kräftig Gas, war um 18 Sekunden schneller als der zweitschnellste Petter Solberg.
„Das war meine Entscheidung, es war keine Teamentscheidung“, betonte Ogier. In der Gesamtwertung führt er jetzt etwas mehr als eine halbe Minute vor dem Trio Loeb, Ltavala und Petter Solberg, die knapp beieinander liegen.
Ogier ist der Meinung, dass dieser Vorsprung ausreichen wird, um auch als „Staubsauger“ den Sieg einzufahren. Am Samstag sind noch rund 115 Wertungskilometer zu absolvieren.
Mikko Hirvonen, der WM-Leader, der heute den „Staubsauger“ spielen musste, hat im Schnitt rund 0,7 Sekunden am Kilometer verloren – es wird also knapp für Ogier.
Hirvonen wurde auf der letzten Prüfung zudem auch von einem Ausfall der Servolenkung und einem Schaden an einem der Dämpfer heimgesucht, wodurch er allein auf der „Jodan River“-Prüfung 1:22 Minuten einbüßte. Hirvonen belegt nun mit 2:30 Minuten Rückstand Platz fünf.
Der frühere Formel 1-Pilot Kimi Räikkönen kam diesmal sehr gut mit seinem Ice 1 Racing-Citroen zurecht – am Nachmittag belegte er die Plätze fünf, sechs und fünf. In der Gesamtwertung liegt er mit 2:45 Minuten Rückstand auf Rang sechs.
Allerdings fehlen Matthew Wilson, dem Sohn von M Sport-Teamchef Malcolm, im Stobart Ford Fiesta RS WRC nur zwölf Sekunden auf den Formel 1-Weltmeister des Jahres 2007.
Hinter Wilson belegen Khalid Al-Quassimi im Abu Dhabi Ford sowie Munchi’s Ford-Pilot Federico Villagra die Plätze acht und neun.
Solberg/Minor schon am Vormittag out
Bereits am Vormittag, auf der ersten Durchfahrt der „Jordan River“-Prüfung, mussten Henning Solberg und Ilka Minor ihren Stobart Ford wegen Problemen mit dem Öldruck abstellen.
Ilka Minor erklärte gegenüber motorline.cc: „Wir sind zwar über einen Stein gefahren - hier sind ja auch genügend davon. Aber wenn das schuld wäre, hätten wir ein Leck in der Ölwanne, wir haben aber keines."
Laut Minor ist es aber sehr wahrscheinlich, dass man die Fahrt am Samstag unter „Superally“ fortsetzen wird.
SWRC: Gassner auf Rang fünf
Auf dem zehnten Gesamtrang liegt bereits der Führende der SWRC, Nasser Al-Attiyah im Ford Fiesta S2000. der Sieger der diesjährigen Dakar-Rallye weist bereits einen Vorsprung von beinahe zwei Minuten auf seinen Markenkollegen Bernardo Sousa auf.
Etwas mehr als eine Minute hinter Sousa belegt Karl Kruuda im schnellsten Skoda Fabia S2000 den dritten Gesamtrang der SWRC. Allerdings wurde Kruuda im Anschluss an die SP auf der Verbindungsstrecke stehend gesichtet, als er gerade mit seinem Team telefoniert hatte. Schließlich dürfte es dem Skoda-Piloten noch durch Anschieben gelungen sein, den Servicepark rechtzeitig zu erreichen.
Red Bull Skoda-Pilot Hermann Gassner junior liegt bei seiner ersten Rallye in einem S2000-Fahrzeug bereits mehr als fünf Minuten hinter dem SWRC-Leader zurück, der junge Bayer fuhr sehr vorsichtig. Auf der letzten SP wurde er zudem von einem Reifenschaden heimgesucht. Gassner erklärte: „Der Reifenschaden kam sehr langsam, vielleicht ist es vor sieben oder acht Kilometern passiert, ich weiß es nicht.“
Die Jordanien-Rallye wird am Samstag fortgesetzt und auch beendet – es sind noch acht Sonderprüfungen zu insgesamt 115 Wertungskilometer zu absolvieren. Die letzte SP, die 10,5 Kilometer lange SP „Baptism Site“, welche als „Powerstage“ abgehalten wird, beginnt um 15 Uhr Ortszeit (14 Uhr MESZ).
Nach Tag 1 (SP 12*)
1. Sébastien Ogier Citroen 1h32m53.4 2. Sébastien Loeb Citroen + 31.6 3. Jari-Matti Latvala Ford + 33.1 4. Petter Solberg PSWRT Citroen + 35.3 5. Mikko Hirvonen Ford + 2:30.9 6. Kimi Räikkönen Ice 1 Citroen + 2:45.8 7. Matthew Wilson Stobart Ford + 2:57.8 8. Khalid Al Qassimi Abu Dhabi Ford + 4:49.7 9. Federico Villagra Munchi's Ford + 4:54.2 10. Nasser Al-Attiyah Ford S2000 + 5:19.3 *SP1-6 storniert