
Rallye-WM: Deutschland | 13.08.2008
Die WM-Wende im "geloebten" Land?
Nach sechs Siegen in Folge gilt Sébastien Loeb in Deutschland als programmierter Sieger - mehr noch: Für viele ist der Franzose schon wieder auf Titelkurs...
Michael Noir Trawniczek
Selten gilt jemand in einem solchen Ausmaß als klarer Favorit. Seit sechs Jahren verfügt die Deutschland-Rallye über ihren WM-Status, seit sechs Jahren steht jedes Mal ein sympathischer, unrasierter Franzose ganz oben auf dem Siegerpodest. Sébastien Loeb und sein Co-Pilot Daniel Elena sind quasi die vorprogrammierten Sieger der siebten Ausgabe dieser Veranstaltung im Moselland. Die Asphalt-Rallye, mit ihren drei unterschiedlichen Etappen, scheint wie geschaffen für den Citroen-Werkspiloten, der seit vier Jahren die Rallye-Weltmeisterschaft beherrscht wie einst Michael Schumacher die Formel 1-WM.
Serienweltmeister denken voraus, blicken nie zurück- und sie denken vor allem an die Weltmeisterschaft - und so spricht Vierfachweltmeister Sébastien Loeb: "Natürlich wollen wir den Sieg. Jedoch nicht, weil das der siebte Sieg bei der Deutschland-Rallye wäre, sondern weil uns dieser Sieg in beiden Weltmeisterschaften vorwärts verhelfen würde."
Tatsächlich fehlt Loeb nur noch ein WM-Punkt auf den Tabellenleader Mikko Hirvonen - mit einem weiteren Triumph in Deutschland würde Loeb wieder die Führung an sich reißen. Für Hirvonen, der als Nachfolger von Marcus Grönholm von Ford auf den Titel angesetzt wurde, hat sich das Blatt bereits bei dessen Heimrallye in Finnland gewendet. Dort konnte Loeb als einer von wenigen Nicht-Skandinaviern den Sieg erringen, Hirvonen unterlag, die finnischen Fans erklärten den strahlenden Sieger kurzerhand zu ihrem "Loebinen" - und so manch einer wird wohl Marcus Grönholm herbeigesehnt haben...
Loeb schon wieder auf Titelkurs?
Für Experten wie den Deutschen Armin Schwarz hat Mikko Hirvonen vor zwei Wochen die WM verloren. Tatsächlich besteht die zweite Saisonhälfte aus einigen Asphalt-Rallyes, die Loeb massiv entgegenkommen. Die Taktik des Mikko Hirvonen ist das Punktesammeln. Bislang brachte der Finne bei jeder Rallye WM-Punkte nach Hause - so konnte es passieren, dass er mit nur zwei Siegen die WM anführt, während Loeb mit sechs Siegen, jedoch zwei Nullrunden Platz zwei. Allerdings: Mit Punktesammeln wird Hirvonen in der zweiten Saisonhälfte nur schwer bestehen - er muss Siege holen...
In Deutschland wird das nahezu unmöglich sein - es sei denn, der größte Gegner von Sébastien Loeb würde sich durchsetzen - und der heißt zurzeit Sébastien Loeb. Nur ein Fehler des Ausnahmepiloten kann ihn um den Sieg in Deutschland bringen - oder ein technisches Gebrechen an seinem C4.
Duval als Loeb-Jäger?
Im Vorjahr wurde Loeb am ersten Tag von Francois Duval im Kunden-Citroen Xsara WRC überstrahlt - in der Folge konnte der belgische Asphaltspezialist Marcus Grönholm in einen Fehler hetzen und hinter Werkspilot Loeb Platz zwei belegen. Heuer sieht es anders aus - diesmal sitzt Duval (Co-Pilot Patrick Pivato) in einem Ford Focus des Stobart Teams. Durchaus möglich, dass er es sein wird, der Loeb auf den Fersen klebt - und ihn vielleicht in einen Fehler hetzt.
Das Ford-Team hat aber nicht nur den schnellen Kundenpiloten im Gepäck - Mikko Hirvonen, der junge Jari Matti Latvala und der dritte Werksfahrer Khalid Al-Quassimi erhalten die neueste Ausbaustufe des Ford Focus RS WRC 07.
Ford-Armada
Außerdem wird eine wahre Ford-Armada vom Stapel gelassen: Sage und schreibe 13 Ford Focus-Modelle werden rund um die deutsche Kleinstadt Trier zum Einsatz kommen. Darunter auch der beliebte Stobart-Pilot Gigi Galli und dessen Teamkollegen Henning Solberg und Matthew Wilson. Der Holländer Peter van Merksteijn wird mit seinem eigenen Team seine sechste WM-Rallye absolvieren, 2009 möchte er als M2-Team fix in die WM einsteigen. Sein Landsmann René Kuipers ist, ebenfalls mit eigenem Team, zum ersten Mal dabei - mit einem neu gekauften 06er-Modell des Ford Focus. Gymnasiast Andreas Mikkelsen erhielt nun von seinem reichen Vater eine 07er-Version zur Verfügung gestellt, die der Ramsport-Pilot hoffentlich nicht verschrotten wird.
Neuer Impreza feiert Asphalt-Premiere
Erstmals wird das Subaru-Werksteam mit dem neuen Impreza WRC2008 auf Asphalt antreten. In der Sommerpause hat Prodrive, welches die Werkseinsätze der Japaner absolviert, den neuen Boliden noch einmal modifiziert. Mit dieser Version sollen Petter Solberg und Chris Atkinson Vollgas geben und die ersehnten Erfolge einfahren.
Zwar konnte Atkinson in Finnland Platz drei belegen - doch drei Minuten Rückstand zeugen davon, dass man vom Siegerwagen noch weit entfernt ist. Dementsprechend vorsichtig geben sich David Richards und Co im Vorfeld der Deutschland-Rallye. Irgendwann wird die Zeit vergangen sein - und dann wird sich herausstellen, ob man auch mit dem WRC2008 nur das Starterfeld, nicht jedoch die Siegerlisten auffüllt.
Kann Suzuki wieder punkten?
Von Siegerlisten weit entfernt ist immer noch das neue Suzuki-Werksteam. Seit Finnland stehen Toni Gardemeister und Sauna-Liebhaber Per Gunnar Andresson neue Evolutionsstufen des Suzuki SX4 WRC zur Verfügung.
Gardemeister konnte damit prompt WM-Punkte erobern - und freut sich nun auf die Deutschland-Rallye. Seit der ersten WM-Rallye in Deutschland ist Gardemeister mit von der Partie - 2006 verpasste er als Vierter knapp das Siegerpodest. "Ich mag diese Rallye, man kann sie ein bisschen mit der Monte Carlo-Rallye vergleichen, wo die Bedingungen ebenfalls ständig wechseln und man nie genau weiß, wie das Wetter wird."
Charismatische Asphalt-Rallye
Die zweite Asphalt-Rallye im WM-Kalender verfügt über eine weitreichende Auswahl an Asphalt-Oberflächen, zudem wird aufgrund des Cuttens sehr viel Schotter freigelegt - im Falle von Regen wird die Rallye damit beinahe zu einer Schotter-Partie.
Am Freitag werden die engen Kurven in den Weingärten in Angriff genommen, am Samstag können auf den Baumholder-Prüfungen, auf der Panzerplatte, die scharfkantigen Hinkelsteine am Straßenrand zum Verhängnis werden, welche ansonsten die Panzer davon abhalten sollen, die Strecke zu verlassen. Am Sonntagvormittag warten dann schnelle Bitumen-Straßen auf den WRC-Tross - am Ende wird eine Superspecial-Prüfung im Herzen von Trier den Abschluss der charismatischen Veranstaltung bilden.
Junioren kämpfen um WM-Punkte
Da die Deutschland-Rallye zur Junioren-WM zählt, sind Andreas Aigner und sein portugiesischer Red Bull Rallye Team-Kollege Bernardo Sousa diesmal nicht dabei, womit kein Österreicher am Start sein wird.
In der JWRC möchte der deutsche Lokalmatador Aaron Burkhart einen Podestplatz erringen - in der Tabelle liegt der Citroen-Pilot hinter seinem Markenkollegen Sébastien Ogier (24 Punkte), Michal Kosciuszko (Suzuki/22 - tritt in Deutschland nicht an, Streichresultat) und Shaun Gallagher (Citroen/20) mit 16 Zählern auf Rang vier. Auf sein Heimspiel freut sich auch Junior Florian Niegel im Suzuki Swift Super 1600, der in seiner Debütsaison bislang bereits fünf WM-Punkte erobern konnte. In der Gruppe N wird unter anderen auch ÖM-Starter Hermann Gassner Jr. an den Start gehen.
Die Rallye wird am Donnerstagabend mit einem Showstart in Trier eröffnet - richtig los geht es am Freitagmorgen um 9.13 Uhr mit der 21,22 Kilometer langen SP 1 "Ruwertal/Fell".