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WRC: Mexiko-Rallye

Entscheidet die Strafe die Weltmeisterschaft?

David Evans über die verhängte Strafe gegenüber Sebastien Ogier bei der Rallye Mexiko und ihre möglichen Auswirkungen auf den Titelkampf.

In der vergangenen Woche fiel möglicherweise eine Vorentscheidung im Kampf um den Titel in der Rallye-Weltmeisterschaft (WRC) 2018. Allerdings nicht beim sechsten WM-Lauf in Portugal, sondern vor dem Berufungsgericht des Automobil-Weltverbands FIA in Paris. Denn dort wurde der Einspruch von M-Sport gegen die Zeitstrafe gegen Sebastien Ogier bei der Rallye Mexiko abgelehnt.

Dort hatte der Franzose bei der Powerstage als einer von sechs Fahrern eine Schikane berührt, war jedoch als einziger dafür bestraft worden und verlor durch die 10-Sekunden-Strafe Platz zwei bei der Powerstage und damit vier WM-Punkte. Da der Titelkampf in der WRC in diesem Jahr enger denn je zu sein scheint, könnten ihm diese Punkte am Ende der Saison möglicherweise schmerzhaft fehlen.

Außerdem befürchten Insider, dass die Entscheidung der FIA eine Lücke im Reglement offenbart und einen möglicherweise verhängnisvollen Präzedenzfall geschaffen hat. Denn in Portugal wurden Hyundai-Pilot Dani Sordo und Toyota-Fahrer Espapekka Lappi wegen der gleichen Regel bestraft.

Motorsport-Total.com analysiert die entscheidenden Punkte des Einspruchs und der Entscheidung, die insgesamt mehr Fragen aufwirft als beantwortet.

Der Vorfall

Die Wertungsprüfung (WP) "Las Minas" wurde am Schlusstag der Rallye Mexiko zweimal gefahren. Einmal als WP 21 und anschließend als WP 22, der Powerstage, bei der die schnellsten fünf Fahrer Zusatzpunkte erhalten.

Nachdem M-Sport-Ford beim ersten Durchgang der WP gesehen hatte, dass der Hyundai von Thierry Neuville alle drei Elemente der Schikane berührt hatte, bat das Team die Organisatoren um Klarstellung, welche Folgen das Berühren der Barrieren hat. Darüber, so teilten die Organisatoren in einer E-Mail an alle Teams mit, müssten die Sportkommissare im Einzelfall entscheiden.

Bei WP 22 berührte Ogier die ersten beiden Elemente der Schikane. Das wurde den Sportkommissaren gemeldet, die eine Zeitstrafe von 10 Sekunden gegen ihn verhängten. Dadurch fiel Ogier in der Wertung dieser Prüfung von Platz zwei auf sieben zurück und verlor damit vier Powerstage-Punkte. Gegen diese Entscheidung legte M-Sport beim internationalen Berufungsgericht der FIA Einspruch ein. Dort wurde die Entscheidung der Sportkommissare aus Mexiko aber bestätigt.

Der Aufbau der Schikanen

Die Sicherheitsrichtlinien der FIA für den Rallyesport sehen vor, dass Schikanen aus Strohballen, Wassertanks, fest miteinander verbundenen Reifenstapeln oder aus Betonbarrieren bestehen sollen. Die Schikane in "Las Minas" war allerdings aus Kunststoffbarrieren gebaut, die laut M-Sport so leicht waren, dass selbst ein Kind sie mühelos hätte verschieben können.

M-Sport legte auch Telemetriedaten von Ogiers Fiesta vor. Diese zeigen, dass das Auto im 70 Meter langen Abschnitt in der Schikane bei WP 21, als Ogier die Barrieren nicht berührt hatte, genau so schnell war wie bei WP 22.

Der Unterschied zwischen WP 21 und WP 22

Ogier wurde wegen eines Verstoß gegen Artikel 14.2 des sportlichen Reglements bestraft, der besagt, dass die Crews der im Roadbook der jeweiligen Rallye festgelegten Route folgen müssen.

Viele hochrangige WRC-Vertreter fragen sich allerdings, warum Neuville dann beim WP 21 nicht bestraft wurde, obwohl er die Barrieren in gleicher Weise berührt hatte.

Abweichung von der Route

Im Einspruch bezog sich M-Sport auf eine Entscheidung der Sportkommissare bei der Rallye Polen 2014, wo Andreas Mikkelnsen wegen des Abweichens von der vorgeschriebenen Route bestraft wurde - die selbe Regel, die gegen Ogier angewedent worden war.

Mikkelsen hatte damals eine Kurve geschnitten und war mit allen vier Rädern über das Gras gefahren - was ganz offensichtlich ein kürzerer und schnellerer Weg war. Gegen Mikkelsen war damals eine Geldstrafe von 5.000 Euro verhängt worden, aber keine Zeitstrafe.

M-Sport legte weitere Beweise vor die zeigen, dass der Vorteil, den Ogier durch das Verschieben der Schikane in Mexiko gehabt hat, maximal eine Zehntelsekunde betragen hat.

Nicht alle Barrieren sind gleich

Sebastien Loeb, Jari-Matti Latvala, Dani Sordo und der Powerstage-Sieger Ott Tänak hatten bei WP 22 alle mehr oder weniger stark die Barrieren der Schikane berührt. Laut dem Berufungsgericht der FIA war der entscheidende Punkt dabei aber, dass sie nur das zweite und dritte Element der Schikane getroffen hatten.

In seiner Urteilsbegründung führt das Berufungsgericht aus, warum die erste Barriere aus seiner Sicht wichtiger als die anderen beiden war. "Nach Ansicht des Gerichts besteht ein entscheidender Unterschied zwischen den vorgetragenen Fällen der anderen Wettbewerber und dem Fall des Autos mit der Startnummer 1 des Beschwerdeführers. Das erste Element der Schikane ist das wichtigste wenn es darum geht: (i) die Ausrichtung des Autos zu verändern, (ii) das Tempo des Autos zu reduzieren und (iii) die Sicherheit der Schikane zu gewährleisten", heißt es im Urteil.

Weiter führt das Gericht aus, Ogier habe "die Elemente der Schikane nicht nur gestreift, sondern das erste sogar komplett verschoben, was außer ihm keiner gemacht hat."

Die Reaktionen

M-Sport-Teamchef Malcolm Wilson sagte zu 'Motorsport-Total.com', sein Team sei "sehr enttäuscht über die Entscheidung. Wir denken immer noch, dass wir die richtigen Argumente auf unserer Seite haben. Wir sind gespannt, wie sich das weiterentwickelt."

Diese Sorge um die Folgen dieser Präzedenzentscheidung werden im Servicepark geteilt. "Was nun?", fragt sich eine hochrangiger WRC-Vertreter. "Müssen jetzt jedes Mal die Stewards aktiv werden, wenn ein Fahrer eine Kurve schneidet oder einen Reifenstapel berührt?"

"In Mexiko waren das leichte Plastikbarrieren, die sehr, sehr leicht verschoben werden konnten. Jemand von uns hat diesen Abschnitt beobachtet, und nachdem Neuville die Schikane abgeräumt hatte, wurde sie nicht mehr an genau derselben Stelle wie vorher wieder aufgebaut. Wie hätte das auch klappen sollen, wenn es keine Markierungen auf der Straße gibt?"

"Man muss sich nur den Unterscheid zwischen Ogier und Tänak bei WP 22 anschauen. Bei Tänak steht das graue Element am nächsten zu den Autos, bei Ogier war es das orange, das unten breiter ist. Das passierte, weil die Barrieren falsch wieder aufgestellt wurden."

Bilder dieser falsch aufgestellten Barrieren, die zeigen, dass die Linie für Ogier etwas enger als für Tänak war, sieht man in der Stellungnahme von M-Sport für das Berufungsgericht. Die Entscheidung der FIA ist hier nachzulesen.

Motorsport-Total-com-WRC-Reporter David Evans meint:

Was an dieser Entscheidung auffällt, ist ein Mangel an Beständigkeit. Und das betrifft nicht nur die Struktur und Anordnung der Schikanen, sondern auch den Ansatz der Regelhüter. Ein weiteres Beispiel dafür erlebten wir am vergangenen Samstag bei der Rallye Portugal als Sordo (und am Sonntag nach dem Ende der Rallye auch Lappi) eine 10-Sekunden-Strafe bekamen, weil sie bei der Zuschauerprüfung in Porto nicht richtig um einen Reifenstapel herumgefahren waren.

In einer Mitteilung der Organisatoren vor dem Start der Rallye hieß es dazu: "Jeder Teilnehmer, der an diesen Stellen von der vorgesehenen Route abweicht, erhält eine Zeitstrafe von 30 Sekunden."

Für Sordos Regelverstoß verhängten die Sportkommissare aber nur eine Zeitstrafe von zehn Sekunden und schrieben dazu in ihrer Begründung "Laut Mitteilung 1 erhält jeder Teilnehmer, der von der in diesen Diagrammen gezeichneten Route abweicht, eine Zeitstrafe von 30 Sekunden."

"Nach Ansicht der Sportkommissare bezieht sich die in Mitteilung 1 erwähnte Strafe aber auf Fälle, bei denen ein Teilnehmer nicht alle vorgesehenen Runden im Kreisverkehr gefahren ist und nicht auf Fälle, bei denen die Stapel ohne Absicht verschoben wurden."

Das erwähnte Diagramm zeigt die Fahrspur um die Reifen herum. Es zeigt nicht Sordos Line quer durch den Reifenstapel. Daher ist Sordo nicht die vorgeschriebene Linie rund um die Reifen gefahren. Oder kann man ein Gesetz fast oder ein wenig brechen?

In der Mitteilung wurde keine Strafe für das Berühren der Reifen erwähnt, genau so wenig wie in Mexiko eine Strafe für das Berühren der Schikane angedroht war. Wenn man in Portugal die Reifen berühren und damit der Route folgt, dann folgt man auch in Mexiko der Route, wenn man die Schikane berührt.

Mehr denn je braucht die WRC eine stärkere Führung, permanente Sportkommissare, eine einheitliche Handhabung und vor allem präzise Regeln. Bei der Monza-Rallye wissen die Fahrer beispielsweise genau, dass jede Berührung der Schikane eine Zeitstrafe von fünf Sekunden nach sich zieht. In dem Fall hätten Ogier, Sordo, Lappi und Co. sicherlich etwas mehr Abstand zu den Barrieren gelassen. So sollte es auch in der WRC laufen.

Vor einigen Jahren hat die FIA um Rückmeldungen gebeten, welche Art von Schikane die beste sei. Danach kam man zu dem Schluss, dass Strohballen wie bei der Rallye Deutschland die beste Lösung seien. Eine entsprechende Regel sollte daraufhin ausgearbeitet werden, aber auf die warten wir noch heute.

Da diese Angelegenheit nicht geklärt ist, tasten sich die Teams an die Grenzen des Reglements heran, was Geld, Zeit und Ansehen kostet. Die Strafe in Mexiko wird dem Regelverstoß in keiner Weise gerecht. Man kann nur hoffen, dass ein Kampf um den Titel, in den Ogier verwickelt ist, nicht um vier Punkte oder weniger entschieden wird.

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