CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
Ennstal-Classic 2018

Interview: F1-Legende Arturo Merzario

"Moderne Formel-1-Autos gehören alle angezündet" - Arturo Merzario, einst Rebell der F1, zeigte sich bei der Ennstal-Classic gewohnt undiplomatisch.

Michael Hintermayer / Fabian Bonora

?: Die Formel 1 war in den frühen Siebzigern extrem gefährlich. Es ist für einen jungen Motorsportfan heute schwer vorstellbar, wie gefährlich dann erst die Targa Florio war? Sie haben 1972 auf Sizilien gewonnen. Wie schlimm stand es wirklich um die Sicherheit?

Arturo Merzario: „Dazu muss man eines sagen: Grundsätzlich begann das Rennfahren auf der normalen Straße, was sehr gefährlich war. Die Dinge neben den Straßen, wie Bäume und ähnliches, waren das Gefährlichste. Aus dem resultierte auch die Targa Florio, die eben auch auf normalen Straßen gefahren wurde. Aber die Rennfahrer haben sich relativ gut darauf einstellen können.

Dann sind Strecken wie der Nürburgring, Clermont-Ferrand und Monza gekommen. An sich auch gefährlich, aber die Fahrer konnten mit dem Risiko leben. Doch womit sie nicht leben konnten, war das Risiko der Technik! Das Schlimmste war die Technik, denn wenn dir eine Radaufhängung gebrochen ist... so starb ja Jochen Rindt. Das größte Problem waren wirklich mechanische Defekte, weil dadurch die meisten Menschen tödlich verunglückt sind.

Ich denke nicht, dass die heutigen Techniker und Ingenieure unglaubliche Genies sind. Die haben ein Millionen-Budget und unglaubliche Mittel und Ressourcen zur Verfügung. Damals haben die Techniker und Ingenieure aus einfach Materialien und Rohren Rennautos gebaut. Daraus resultierte die Gefahr, weil das immer wieder kaputt gegangen ist.

Das ist ganz wichtig im Vergleich zu heute. Weil heutzutage gehst du in ein Laboratorium und fährst das tausende Male und testest die Teile. Wir hatten das nicht. Wir haben statt dem Windkanal Wollfäden an das Auto gehängt und testeten dies auf einem Flugplatz."

?: Verfolgen Sie momentan noch die Rennen der Formel 1?

Merzario: „Nur ein bisschen. Ich schlafe dabei ziemlich oft ein. Ich bin eher ein MotoGP-Fan. In der Formel 1 gibt es drei Spitzenteams, der Rest fährt hinterher. Der große Unterschied ist, dass früher bis zu 35 Fahrer am Start standen, die alle imstande waren, den anderen zu schlagen. Jeder ist mit dem Messer zwischen den Zähnen gefahren. Heute ist es so, wenn du nicht aufpasst, wirst du überholt, fährst schlechte Resultate ein und hast bald keinen Vertrag mehr. Alles hinter der kleinen Spitze fährt nur hinten nach und das ist ein Problem."

?: Sie wurden auch Berg-Europameister und haben das 1.000-Kilometer-Rennen am Nürburgring gewonnen – das sind sehr gefährliche Sachen. Hat Sie das auch gereizt? Stirling Moss hat einst gesagt, dass ihm ohne die Gefahr das Rennfahren keinen Spaß macht. Würden Sie sich ein sicheres modernes Formel-1-Auto setzen?

Merzario: „Nein. Einen alten Formel-1-Wagen fahre ich schon noch, ich komme gerade aus Goodwood. Aber in ein neues Auto würde ich mich nicht hineinsetzen. Der Adrenalinschub und der Wille, eine Rennstrecke und dieses Biest zu beherrschen, ist der wesentliche Unterschied zur heutigen Formel 1. Wenn man heute einen Fehler macht, rutscht man in die Auslaufzone, reiht sich ohne Probleme wieder ein und fährt weiter."

?: Wenn Sie von heute auf morgen FIA-Präsident wären, was würden Sie ändern oder aus den modernen Autos herausnehmen, damit die Rennen wieder spannender werden?

Merzario: „Die modernen Formel-1-Autos gehören alle angezündet! Man muss zum Ursprung zurückkehren und wieder ganz normale Autos konstruieren. Das wird es aber leider nicht mehr spielen, weil heutzutage der Computer die Oberhand gewonnen hat. Es ist nur mehr eine Frage der Zeit, bis wir ohne Fahrer unterwegs sind. Es ist wie früher bei den Flugzeugen, die musstest du mit Steuerknüppel noch fliegen, jetzt gibst du den Kurs in den Computer ein und bist nur mehr mit Autopilot unterwegs."

?: Was war eigentlich das Besondere am Abarth-Rennwagen?

Merzario: „Abarth hatte grundsätzlich zwei Philosophien und zwei Richtungen. Entweder kurze Bergrennstrecken, wofür ganz spezielle Autos gebaut wurden. Wir sind zum Beispiel ohne Lichtmaschinen gefahren, um jeden Kilo der nicht nötig war, einzusparen. Das ganze Gewicht war auch auf der Hinterachse, damit man möglichst viel Traktion hatte. Bei den Rundstrecken hat das natürlich nicht funktioniert, dafür braucht man dann wieder eine andere Philosophie. Viele Modelle für die Rundstrecke hatten dann zum Beispiel einen Mittelmotor verbaut. Die Modelle mit dem Motor hinten wurden von uns liebevoll Außenbordmotor genannt. Ganz unrecht hatte Carlo Abarth aber nicht, weil ein Porsche 911 fährt schließlich heute noch so."

News aus anderen Motorline-Channels:

Ennstal-Classic 2018

Weitere Artikel:

Der internationale Kompromiss

Helden auf Rädern: Monteverdi Safari

Wenn keiner mehr luxuriöse Sportwagen möchte, liegt die Lösung nicht immer bei preisgünstigen Modellen. Luxuriöse Offroader sind eine probate Alternative, und so verhalf der Safari Monteverdi zum größten Erfolg der Firmengeschichte.

Was ist besser?

Oldtimer mieten oder kaufen

Ob als stilvolle Begleitung für besondere Anlässe oder als Ausdruck von Individualität im Alltag – es gibt zahlreiche Autofahrer, die gern einen Oldtimer wählen.

Ein Zwerg auf der Suche nach Identität? Streng genommen hatte der Rascal sogar viele, dazu mehrere Familiennamen und je nach Marke unterschiedliche Produktionsstandorte mit wilden Zuordnungen.

Geliebter Fremdkörper

Helden auf Rädern: VW 1500 Rural

Ein Auto, das nach mehreren Umbenennungen, Joint Ventures, Pleiten, Übernahmen und Facelifts nach wie vor durch seine Qualitäten überzeugen konnte, kann ja nicht so schlecht sein. Die Geschichte des VW 1500 Rural zeigt, worauf es eigentlich ankommt.

Die Opfer des Wunders

Helden auf Rädern: BMW Glas 3000 V8

Weil das Wirtschaftswunder schneller Wohlstand brachte, als es manche Firma recht war, griff Glas mit dem 3000 V8 gleich nach den Sternen. Dazu fehlte es dann aber doch an Strahlkraft.

Die Schnellladefläche

Helden auf Rädern: Chevrolet S-10 EV

Noch seltener als der Chevy EV-1 war sein praktischerer und weit patriotischer Ableger. Der S-10 EV war ein Frühversuch elektrischer Nutzfahrzeuge, bei denen den Machern ein entscheidender Fehler passierte.