MOTORSPORT

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter
WEC & ELMS: Silverstone

Silverstone: Startschuss für WEC und ELMS

Saisonstart der Langstreckenszene in Europa: Beim "Super-Endurance-Weekend" in Silverstone fahren WEC und ELMS das erste Rennen des Jahres

Foto: Jean Michelle Meur / DPPI

Neun Stunden feinster Rennsport und ein großer Kampf um die berühmte "Tourist Trophy" des britischen Motorsportverbandes stehen am kommenden Wochenende in Silverstone auf dem Programm. Auf der traditionsreichen Strecke nordwestlich der Hauptstadt London findet von Freitag bis Sonntag das erste "Super-Endurance-Weekend" statt. Dabei fahren die European-Le-Mans-Series (ELMS) und die Langstrecken-Weltmeisterschaft (WEC) ihr jeweils erstes Rennen des Jahres. Insgesamt 56 Fahrzeuge gehen in die Rennen .

In der WM sind die Vorzeichen klar: Auch 2013 wird es Kampf um Rennsiege und Titel auf das Duell Audi gegen Toyota hinauslaufen. Beide Werksteams haben ihre LMP1-Autos im Winter weiterentwickelt. Bei Toyota verabschiedete man sich vom lästigen Kompromiss des Vorjahres, als der TS030 für den Einsatz eines Hybridantriebes an Vorder- und Hinterachse ausgelegt war. Die im vergangenen Jahr erfolgreiche Variante am Heck wurde verfeinert, die Front aufgeräumt und effizienter gestaltet.

"Es geht uns um Siege", stellt Alexander Wurz vor dem Start in die neue WEC-Saison klar. Der Österreicher ist von den Fortschritten mit dem TS030 begeistert. "Wir sind in den Bereichen Aerodynamik, Lenkung und Stabilität ganz klar vorangekommen. Wir haben gute Chancen und werden alles geben, damit wir unsere Ziele erreichen", sagt Wurz, der sich in Silverstone ein Auto mit Nicolas Lapierre teilt. Teamkollege Kazuki Nakajima muss beim Auftakt passen, weil er einen Renneinsatz in Japan hat.

Zwei Audis gegen zwei Toyotas

Toyota setzt 2013 - ebenso wie Konkurrent Audi - zwei Fahrzeuge ein. Im TS030 mit der Startnummer 8 sitzen jene Vollgashelden, die schon 2012 in Le Mans in Diensten der Japaner agierten: Stephane Sarrazin, Anthony Davidson und Sebastien Buemi. "Unser Auto ist definitiv besser geworden. Es ist nur schwierig einzuschätzen, wie sich das im Wettbewerb auswirken wird, weil wir keine Ahnung haben, wie stark unser Gegner hat zulegen können", sagt der Schweizer, der weiterhin als Formel-1-Ersatzpilot von Red Bull arbeitet.

Toyota hatte in der vergangenen Saison drei WEC-Rennen gewinnen können. "Wir haben ein paar Schockwellen nach Ingolstadt senden können", drückte es Wurz damals aus. Diese Signale sind bei Audi eindeutig angekommen. Das deutsche Werksteam nahm sich den R18 e-tron quattro zur Brust und überarbeitete den LMP1-Diesel-Hybrid im Winter in vielen Bereichen. Die Einsatzpiloten Lotterer/Fässler/Treluyer (Startnummer 1) und Kristensen/McNish/Duval (Startnummer 2) testeten unter anderem ein Heck mit doppelten Endplatten, wie es beim Konkurrenten seit Silverstone 2012 im Einsatz war.

Diese neue Lösung am R18-Heck verschafft den Audianern mehr Möglichkeiten. Auf engen Strecken kann der Abtrieb des Autos deutlich erhöht werden, auf Strecken wie Silverstone ist man aerodynamisch effizienter unterwegs. Zusätzlich verbesserte man das Hybridsystem. "2012 war es so, dass wir nicht in allen Bremszonen die vollen 500 Kilojoule geladen haben. Entsprechend fiel der Schub am Kurvenausgang geringer aus", sagt Audi-LMP1-Entwickler Chris Reinke. "Jetzt schaffen wir es häufiger, wirklich an die Maximalgrenze zu gehen. Einfach gesagt: Die Rekuperation läuft nun effizienter."

Die beiden Audis werden ihren Allradantrieb somit häufiger nutzen können. Allerdings bleibt beim Ingolstädter System ein Nachteil: Weil die Hybridpower an die Vorderachse gegeben wird, darf der zusätzliche Schub erst ab Tempo 120 km/h eingesetzt werden. Toyota (System an der Hinterachse) kann seine zusätzliche Power hingegen völlig frei am Kurvenausgang auf die Antriebsachse jagen. Dennoch: Der überarbeitete Audi soll mindestens eine halbe Sekunde schneller sein als das Vorjahresmodell - es wird spannend!

Privatduell zwischen Rebellion und Strakka

An der Spitze wird es das Duell der beiden Werksteams geben, dahinter ein Duell zweier Privatteams in der LMP1-Klasse. Rebellion kommt zum Auftakt mit zwei Lola-Toyotas, die im Winter leicht überarbeitet wurden. Weil Chassishersteller Lola nach der Pleite keine Updates bieten konnte, nahmen die Schweizer das Heft selbst in die Hand. Auch Rebellion hat ein Heck mit doppelten Endplatten entwickelt. Das Paket wurde in Le Castellet getestet und für gut befunden.

"Es ist ein kleiner Schritt voran, allerdings kein allzu großer", sagt Neel Jani, der sich den Wagen mit der Startnummer 12 mit Nick Heidfeld und Nicolas Prost teilt. Den größeren Fortschritt erhofft man sich von neuen Michelin-Pneus, die in Spa-Francorchamps Anfang Mai erstmals zum Einsatz kommen werden. Einen zweiten Lola-Toyota (Startnummer 13) fahren Andrea Belicchi, Congfu Cheng und Rebellion-Neuzugang Mathias Beche. Die einzige Konkurrenz um die Privattrophäe kommt aus Großbritannien.

Während sich JRM nach nur einem Jahr wieder aus der WEC-Szene verabschiedet hat, bleibt Strakka dem Zirkus erhalten. Die Briten fahren auch 2013 mit dem Paket aus dem Hause Honda. Der HPD ARX-03c wurde in einigen Bereichen überarbeitet, der LMP1-Benziner rollt nun auch auf breiten Vorderreifen. Allerdings wurde beim ALMS-Auftakt in Sebring deutlich, dass dies nicht blendend funktionieren muss. Die Pickett-Mannschaft rüstete dort nach ersten Tests wieder zurück.

An der Fahreraufstellung bei Strakka hat sich nichts verändert. Geldgeber Nick Leventis hat auch 2013 die erfahrenen Danny Watts und Jonny Kane an seiner Seite. "Für uns wird der Auftakt in Silverstone ganz besonders wichtig. Denn die Fabrik von Strakka liegt gerade einmal eine halbe Meile von der Strecke entfernt", sagt Watts vor dem Heimspiel. "Wir wollen gut in die Saison starten. Ich glaube, der Kurs wird unserem Auto entgegenkommen."

"Wir alle kennen Silverstone sehr gut", meint Leventis. Sein nordirischer Kollege Kane schränkt allerdings ein: "Ja, es ist unser Heimspiel und wir kennen die Strecke. Aber man ist schon überrascht, wie selten man in Silverstone fährt, auch wenn es die Heimstrecke ist. Ich selbst habe beispielsweise in Spa-Francorchamps sicherlich mehr Rennen absolviert als in Silverstone. Aber egal: Unser Auto ist im dichten Verkehr sehr gut, und genau dort werden wir unsere Vorteile ausspielen." Inwieweit Strakka und Rebellion von der verbesserten Einstufung der privaten LMP1-Autos profitieren werden, muss sich erst zeigen.

Hart umkämpfte LMP2-Klasse

In der LMP2-Klasse werden zehn Fahrzeuge zum Auftakt in das neue WM-Jahr erwartet. Es zeichnet sich ein Dreikampf der Chassishersteller Oreca, Lotus und Morgan ab. Oak bringt gleich drei Fahrzeuge an den Silverstone-Start. Die beste Fahrerbesetzung hat man wohl im Auto mit der Startnummer 24: Olivier Pla, Alex Brundle und David Heinemeier Hansson. Ein vierter Morgan-Nissan unter dem Banner der chinesischen Mannschaft KCMG wird ebenfalls technisch von Oak betreut.

Die Oreca-Fraktion macht sich größte Hoffnungen auf die Krone in der LMP2-Klasse. "Unser Ziel ist der Titel", stellt Delta-ADR-Teamchef Simon Dowson klar. Das G-Drive-Fahrzeug ist mit Rusinov/Martin/Conway mindestens ebenso stark besetzt wie das Schwesterauto mit Graves/Pizzonia/Walker. Bei Delta-ADR steht die Entscheidung über die Reifenmarke noch aus. Der baugleiche Oreca-Nissan von Pecom wird 2013 erstmals auf Michelin-Pneus rollen. Das Team erhofft sich davon einen entscheidenden Vorteil.

"Wir wollen um den Titel mitkämpfen", sagt Nicolas Minassian. Der Franzose teilt sich das Cockpit des Pecom-Autos mit Pierre Kaffer und Luis Perez Companc. Das Trio hatte im vergangenen Jahr den Klassensieg in Bahrain geholt und will nun mehr. "Wir wollen schnell und konstant fahren und möglichst viele Rennsiege ergattern. Unser Vorteil ist auch, dass wir in der gleichen Fahreraufstellung antreten. Pierre ist sowieso sehr schnell und Luis hat erhebliche Fortschritte gemacht", meint Ex-Peugeot-Werkspilot Minassian.

Nach dem Debüt des neuen Lotus-Praga T128 beim WEC-Test in Le Castellet steht die deutsche Kodewa-Mannschaft im Blickpunkt der LMP2-Szene. Das neue Auto, das bislang nur wenige Runden absolviert hat, verspricht guten Speed. Ein Fragezeichen steht hinter der Zuverlässigkeit. Im Wagen mit der Startnummer 31 wechseln sich in Silverstone Vitantonio Liuzzi, Kevin Weeda und Christophe Bouchut ab. Im zweiten Auto sollen Dominik Kraihamer, Thomas Holzer und Jan Charouz um Klassensiege kämpfen. Ob der Zytek-Nissan von Greaves (Dyson/Marsal/Kimber-Smith) da mithalten kann, ist fraglich.

GTE: Hersteller machen ernst

Die GT-Fans werden in der diesjährigen Saison der WEC voll auf ihre Kosten kommen. AF Corse schickt zwei Werks-Ferraris in die Rennen. In den beiden F458 Italia wird Prominenz sitzen. Das 2012 erfolgreiche Duo Gianmaria Bruni/Giancarlo Fisichella bleibt zusammen, im zweiten Wagen wechseln sich GT-Spezialist Toni Vilander und Ex-Formel-1-Pilot Kamui Kobayashi ab. "Eine ganz neue Erfahrung für mich. Das wird ein enger und spannender Wettkampf", freut sich der Japaner auf neue Aufgaben.

Vorjahressieger AF Corse bekommt es in der GTE-Pro-Klasse mit echten Schwergewichten zu tun. Das Porsche-Werksteam um Olaf Manthey hat mit dem brandneuen 911 RSR nichts anderes als Siege im Sinn. "Das ist unser Anspruch. Ist doch klar", so der Eifelaner. In den beiden Autos sitzen starke Paarungen. Bergmeister/Pilet/Bernhard fahren den Porsche mit der Startnummer 91, das Schwesterauto (Nummer 92) bewegen Marc Lieb, Richard Lietz und Romain Dumas.

Mit großen Hoffnungen und viel Druck beteiligt sich Aston Martin 2013 am Geschehen auf der Langstrecke. Die britische Marke feiert ihr 100-jähriges Bestehen. Umso wichtiger sind sportliche Erfolge im großen Jubiläumsjahr. Der Vantage V8 wurde in vielen Bereichen überarbeitet und von den Regelhütern (zumindest bisher) recht dankbar eingestuft. Turner/Mücke/Senna und Dalla Lana/Makowiecki/Lamy müssen zum Favoritenkreis in der GTE-Pro-Klasse gezählt werden.

Auch in der GT-Amateurklasse wollen zwei Aston Martins die Szene aufmischen. Die Briten setzen auf starkes GTE-Am-Personal, haben beispielsweise Allan Simonsen und Jamie Campbell-Walter hinter dem Lenkrad. Larbre wird es somit bei der Mission Titelverteidigung schwer haben. Die Franzosen setzen 2013 nur noch eine Corvette für Julien Canal, Patrick Bornhauser und Fernando Rees ein. Drei Ferraris von Krohn, AF Corse und 8Star werden ebenso mitmischen wie zwei stark besetze Porsche 911 GT3 RSR von Proton und IMSA.

ELMS: Alpine als großer Favorit?

Das erste Saisonrennen der WEC startet am Sonntagmittag und geht über die Distanz von sechs Stunden. Zu jenem Zeitpunkt sind die ersten Punkte in der ELMS bereits vergeben. Den Auftakt am "Super-Endurance-Weekend" macht die europäische Serie mit ihrem Drei-Stunden-Rennen am Samstag. Zehn LMP2-Autos kämpfen beim Auftakt um den Sieg. Als großer Favorit wird das neue Alpine-Werksteam gehandelt, das technisch von Signatech betreut wird.

Der Oreca-Nissan der französischen Mannschaft wurde in "Alpine" umbenannt, an der Technik änderte sich jedoch nichts. Im Cockpit des blauen LMP2-Autos sitzen Pierre Ragues und Nelson Panciatici. Das Duo hinterließ beim ELMS-Test in Le Castellet einen bärenstarken Eindruck. Konkurrenz kommt von den Vorjahressiegern TDS sowie Boutsen und Murphy, die ebenfalls auf die Kombination von Oreca-Chassis und Nissan-Triebwerk setzen.

Die Vielfalt im Starterfeld der LMP2-Klasse in der ELMS ist erstklassig. Greaves und Jota kommen mit jeweils einem Zytek-Nissan, Race Performance mit einem Oreca-Judd, DKR bringt einen Lola-Judd und Morand einen Morgan-Judd. Drei weitere Le-Mans-Prototypen fahren in der LMPC-Klasse. Dort jedoch ist das die Konkurrenzsituation kurios: Alle drei Fahrzeuge kommen von Oreca (Team Endurance Challenge). Am besten besetzt dürfte der Wagen mit Soheil Ayari und Anthony Pons sein.

In der GTE-Szene duellieren sich Ferrari und Porsche. Ram und AF Corse bringen jeweils zwei 458, JMW rollt seinen Sportwagen aus Italien auf Dunlop-Pneus. Die drei Porsche 911 GT3 RSR der Teams Proton, IMSA und Prospeed sind vermeintlich besser besetzt. In der GTC-Klasse rennen zwei Porsche 911 (beide vom Team Autorlando), ein Ferrari von AF Corse sowie ein Audi R8 LMS (Momo Megatron) und ein BMW Z4 (Ecurie Ecosse).

Zeitplan: Viel Action für die Fans

Das erste "Super-Endurance-Weekend", das die Rennwochenenden der WEC und der ELMS kombiniert bringt viel Fahrbetrieb auf den britischen Traditionskurs. Am Freitag bekommen die Teams der europäischen Serie jeweils zwei einstündige Trainingssessions, die Einheiten der WM sind jeweils 90 Minuten lang. Zwischendurch trainieren die Youngster der neuen Formel-3-Europameisterschaft, die am Freitagnachmittag zusätzlich ihr Qualifying absolvieren.

Am Samstag legen die WEC-Autos noch einmal viele Runden bei einem einstündigen Training zurück, bevor am Mittag die neue Qualifikation auf dem Programm steht. Statt eines Fahrers müssen nun zwei Piloten pro Rennwagen im Zeittraining antreten. Jeder der beiden Fahrer muss mindestens zwei gezeitete Umläufe absolvieren. Dabei zählt nicht allein die beste Runde, sondern erst der mathematische Durchschnitt dieser vier Runden bestimmt den Startplatz. Dieser Modus gilt bei allen WEC-Rennen außer Le Mans.

Die ELMS bestreitet den Kampf um die besten Startplätze bereits am Samstagmorgen. Die Teams haben anschließend nur wenig Zeit bis zum Start des ersten Rennens der neuen Saison. Der Auftakt über drei Stunden findet direkt nach dem zweiten Rennen der Formel-3-EM ab 15:00 Uhr statt. Die WEC hat am Samstagnachmittag und Sonntagmorgen frei. Erst am Sonntagmittag um 12:00 Uhr (Ortszeit) wird es ernst. Dann machen sich die Teams auf die sechsstündige Reise zu den ersten WM-Punkten des Jahres. Ein Warmup gibt es in beiden Serien ab diesem Jahr nicht mehr. Es sei denn, veränderte Bedingungen erfordern eine weitere Session.

News aus anderen Motorline-Channels:

WEC & ELMS: Silverstone

- special features -

Weitere Artikel:

Nach der wetterbedingten Verschiebung des ursprünglich gedachten Saisonauftaktes zum Bergrallyecup 2024 am Köberlberg in Lödersdorf, sind heuer die Gipfelstürmer beim Auftakt in der steirischen Toscana zu Gast.

Nachgefragt beim viermaligen Formel-1-Weltmeister Sebastian Vettel: Ob er wirklich über ein Comeback nachdenkt und mit wem echte Gespräche stattfinden

Bergrallyecup: Demmerkogel

Saisonauftakt Bergrallyecup 2024

Bei trockenem, aber recht windigen Bedingungen ging am Demmerkogel in der südsteirischen Toscana der 1. Lauf zum Herzogmotorsport Bergrallyecup 2024 in Szene.