Rallye-WM: Akropolis | 12.06.2009
Dramatischer Showdown am ersten Tag
Desaster für Ford: Nach Abflug von Latvala und einem Taktikmanöver von Sordo führt Hirvonen knapp vor Sordo und muss morgen „straßenfegen“.
Michael Noir Trawniczek
Mit der zweiten Durchfahrt der 23,76 km langen Wertungsprüfung SP 6 „Thiva“ wurde der erste Tag der Akropolis-Rallye abgeschlossen. Die Prüfung war wie erwartet bereits stark zerfurcht, die Reifen wurden noch einmal auf eine knallharte Probe gestellt…
Sébastien Loeb musste schon den ganzen Tag über als Erster auf die Prüfungen fahren und den losen Schotter von der Straße fegen. In den Zielraum der SP 6 kam das Citroen C4 World Rally Car mit einem völlig zerstörten linken Hinterreifen. Loeb erklärte: „Der lose Schotter war bei der zweiten Durchfahrt natürlich nicht so schlimm, aber es war verdammt hart für die Reifen. Ich habe gehört, dass sich wohl die Laminatschicht des Reifens gelöst und gegen den Radkasten geschlagen hat. Aber okay, morgen werden wir etwas vorsichtiger fahren.“
Als der WM-Zweite Mikko Hirvonen ins Ziel der letzten Prüfung kam, wähnte er sich als Dritter – denn nach der fünften Prüfung lag er mit einem Rückstand von rund 19 Sekunden auf seinen führenden Teamkollegen Jari Matti Latvala auf Rang drei. Diese Position schien dem Finnen optimal zu sein – schließlich hätte er so am Samstag als Dritter auf die Strecke fahren können. „Wir haben keine Taktik angewandt – ich weiß nicht, was Sordo machen wird. Aber ich werde auf jeden Fall hinter Jari Matti losfahren“, sagte Hirvonen noch – doch dann kam alles anders…
Desaster für Ford
Dani Sordo, der nach SP 5 noch rund neun Sekunden vor Hirvonen auf Rang zwei lag, nahm sich aus taktischen Gründen zurück und gab das auch offen zu: „Ich habe langsamer gemacht, sodass ich morgen hinter Hirvonen auf die Strecke fahren kann.“ Immerhin hätte Hirvonen am zweiten Tag noch als Zweiter hinter seinem Stallkollegen Latvala losfahren können - doch es kam noch schlimmer für den 28-jährigen und das Ford-Werksteam…
Der bis dahin führende Jari Matti Latvala verlor nämlich auf der letzten Prüfung des Tages mehr als 3,5 Minuten - im Zielraum berichtete er: „Ich war in einer Haarnadel um einen Tick zu schnell unterwegs.“ Es folgte der Abflug, mit dem Heck blieb der Ford Focus stecken. Auch wenn Zuschauer sofort zur Hilfe eilten, setzte sich der Wagen erst wieder ein Bewegung, als Latvala sich abschnallte, ausstieg und selbst mit Hand anlegte. Aufgrund des großen Zeitverlustes rutschte Latvala auf den elften Gesamtrang ab…
…und Mikko Hirvonen, der sich ganz sicher nicht über seine Bestzeit auf der letzten Prüfung freuen wird, muss morgen als „Straßenfeger“ die Prüfungen eröffnen, hat zugleich aber nur winzige drei Sekunden Vorsprung auf Sordo. Natürlich wird auch Loeb seine Position nützen können, da er als Dritter nur rund 20 Sekunden zurück liegt. Citroen eröffnen sich nun gute Chancen auf einen Doppelsieg…
Die Solberg-Brüder auf P 4 & 5
Hinter dem führenden Trio Hirvonen-Sordo-Loeb beendet Petter Solberg den ersten Tag auf dem guten vierten Gesamtrang. Der Privatier liegt 20,7 Sekunden hinter Loeb und weist einen Gesamtrückstand von 41,8 Sekunden auf. Als der Citroen Xsara ins Ziel der letzten SP kam, war leicht zu erkennen, dass auch seine Vorderreifen am Ende waren.
Der Norweger zog jedoch eine durchwegs positive Tagesbilanz: „Wenn ich ehrlich bin, muss ich zugeben: Es läuft viel besser als ich erwartet habe – gut, jetzt war der Reifen abgefahren, aber was die Temperaturen betrifft, läuft es viel besser als ich erwartet habe. Morgen ist alles möglich, wir werden sehen.“
Direkt hinter seinem Bruder, allerdings mit bereits 1:17 Minuten Gesamtrückstand belegt Stobart Ford-Pilot Henning Solberg den fünften Platz. „Ich gebe mein Bestes, was soll ich sonst auch anderes tun?“, meinte er lapidar, denn eigentlich hatte er sich mehr erwartet, im Vorjahr fiel er auf Podestkurs liegend einem Elektrikdefekt zum Opfer. Nur eine Zehntelsekunde hinter Henning Solberg liegt Citroen Junior Sébastien Ogier auf Rang sechs.
Östberg schwer enttäuscht
Denn bis dahin auf diesem Platz gelegene Mads Östberg wurde das nächste Reifenopfer. Der Adapta Subaru-Pilot verlor allein auf der letzten Prüfung 1:51 Minuten und rutschte damit auf Rang zehn ab. Enttäuscht erklärte er: „Wir haben die Prüfung mit einem Platten begonnen – zudem sind die Überhitzungsprobleme zurückgekehrt, die wir bereits auf der Prüfung zuvor hatten. Es könnte sein, dass wir am Abend aufgeben müssen.“
Somit rückte Munchi’s Ford-Pilot Federico Villagra mit einem Gesamtrückstand von etwas mehr als zwei Minuten auf Rang sieben vor. Rund zehn Sekunden dahinter findet man den dritten Ford-Werkspiloten Khalid Al-Quassimi auf Platz acht – wenngleich der Südafrikaner Conrad Rautenbach nur 1,5 Sekunden hinter ihm lauert. Dahinter Östberg und Latvala, der insgesamt 3:17 Minuten zurückliegt.
Evgeny Novikov, der am Nachmittag seine erste SP-Bestzeit in der WRC feiern durfte und auf der darauf folgenden Prüfung mit zwei völlig zerstörten Vorderreifen einige Minuten verloren hatte, gab geknickt zu Protokoll: „Weil wir auf der letzten Prüfung bereits auf den Felgen gefahren sind, musste ich auf dieser Prüfung dann doch um einiges vorsichtiger fahren.“ Der 18-jährige Russe belegt mit 3:48 Minuten Rückstand den zwölften Platz.
PWRC: Athanassoulas sensationell in Führung
In der PWRC konnte der sensationelle Lambros Athanassoulas auch auf der letzten Prüfung seine überraschende Führung verteidigen – der Pilot eines privaten Skoda Fabia Super 2000, der sich am Vorabend noch Tipps von Markenkollege Patrik Sandell holte, war im Zielraum überglücklich und rang nach den richtigen Worten: „Ich weiß nicht, was ich sagen soll! Das ist ein Wahnsinn! Ich denke, dass hier ein Traum wahr wird – für mich, für mein Team, für alle!“
Skoda darf sich so über eine wohl völlig unerwartete Doppelführung freuen – denn Patrik Sandell belegt 8,1 Sekunden hinter dem Griechen den zweiten Platz in der PWRC-Wertung.
Der Red Bull Rallye Team-Pilot zog Tagesbilanz: „An und für sich ein problemloser Tag. Einzig mit den Reifen hatte ich so meine Mühe. Vielleicht bin ich teilweise auch zu hart gefahren. Deshalb haben wir auch auf der letzten Prüfung etwas Zeit verloren. Aber jetzt weiß ich, wie ich es anlegen muss, und werde morgen noch vorsichtiger fahren, um keinen Reifenschaden zu riskieren.“
RBRT-Teamchef Raimund Baumschlager erklärte: „Das war heute wirklich eine richtige Reifenschlacht. Speziell auf den letzten beiden Prüfungen waren die Reifen von Patrik schon sehr mitgenommen – da haben wir lange gezittert, ob er überhaupt ohne Reifenschaden ins Ziel kommt. Letztendlich hat alles geklappt, wir haben den ersten Tag gut überstanden. Aber morgen wird es punkto der Material-Belastung noch härter. Speziell auf den Prüfungen acht und elf.“
Der Kampf bleibt eng an der PWRC-Spitze – denn nur 4,4 Sekunden hinter Sandell lauert der Tabellenleader Nasser Al-Attiyah auf Rang drei. Der Subaru-Pilot erklärte: „Wir haben den Wagen für den Nachmittag etwas zu weich abgestimmt - aber es ist okay, auch wir werden morgen kräftig Gas geben.“
Nur 5,6 Sekunden hinter Al-Attiyah belegt Mitsubishi-Pilot Armindo Araujo den vierten Platz, weitere 9,8 Sekunden dahinter liegt Toshihiro Arai auf Platz fünf – die Top 5 haben allesamt noch Siegchancen. Die Akropolis-Rallye ist ein Schlüsselrennen, denn die Spitzenfahrer der Tabelle haben danach nur noch eine zu wertende Rallye vor sich.
Martin Prokop (+50,7 Sekunden), Bernardo Sousa im Abarth Grande Punto Super 2000 (+1:33.1 Minuten) und Patrik Flodin (+1:36.7) liegen auf den Plätzen sechs bis acht.
Der zweite Tag der Akropolis-Rallye wird um 9.32 Uhr Ortszeit (8.32 Uhr MESZ) mit der 17,25 km langen SP 7 „Klenia Mycenea“ eröffnet. Um 10.35 Uhr Ortszeit (9.35 Uhr MESZ) steht die 28,8 km lange SP 8 „Ghymno“ auf dem Programm. Nach der um 11.50 Uhr Ortszeit (10.50 Uhr MESZ) zu absolvierenden SP 9 „Kefelari“ begibt sich der Rallye-Tross in das Mittagsservice.
Stand nach Tag 1
1. Hirvonen Ford 1:27:11.3 2. Sordo Citroen + 3.0 3. Loeb Citroen + 21.1 4. Solberg Citroen Xs + 41.8 5. Solberg Stobart Ford + 1:17.7 6. Ogier Citroen JT + 1:17.8 7. Villagra Munchi's Ford + 2:04.1 8. Al-Qassimi Ford + 2:15.0 9. Rautenbach Citroen JT + 2:16.5 10. Östberg Adapta Subaru + 2:41.0 11. Latvala Ford + 3:17.3 12. Novikov Citroen JT + 3:48.9 13(1)Athanassoulas Skoda S2000 + 4:32.8 14(2)Sandell Skoda S2000 + 4:41.0 15(3)Al-Attiyah Subaru N4 + 4:45.4 16(4)Araujo Mitsubishi N4 + 4:51.0 17(5)Arai Subaru N4 + 5:00.8 18(6)Prokop Mitsubishi N4 + 5:23.5 19(7)Sousa Fiat S2000 + 6:05.9 20(8)Flodin Subaru N4 + 6:09.5 (X)= Platzierung PWRC