
Rallye-WM: Sardinien | 19.05.2009
Das „Straßenfegen“ ist auf Sardinien der Schlüsselfaktor
Zwar spielt die Startreihenfolge auf Sardinien eine besonders große Rolle, dennoch gilt Sébastien Loeb erneut als der absolute Topfavorit.
Michael Noir Trawniczek
Die Rallye-Weltmeisterschaft gastiert am kommenden Wochenende auf der Mittelmeerinsel Sardinien, im Jahr 2004 wurde die legendäre San Remo-Rallye von der Sardinien-Rallye als italienische WM-Runde abgelöst.
Die Schotterstraßen durch die Wälder und über die Berge der Insel sind generell schnell und fließend, doch es gibt auch enge Kurven, die nicht nur Präzision, sondern auch einen perfekten Schrieb verlangen.
Der Servicepark befindet sich in der Stadt Olbia, am Hafen der Costa Smeralda im Nordosten der Insel, die meisten der Prüfungen befinden sich südlich davon. Die Route ist bis auf zwei Sonderprüfungen identisch mit jener aus dem Vorjahr – die beiden neuen Prüfungen werden am zweiten Tag absolviert, eine davon ist komplett neu, die andere wurde zuletzt 2006 befahren.
“Straßenfegen“ spielt große Rolle
Die Rallye wird eine der heißesten in dieser Saison, die Fahrer werden bei den hohen Temperaturen extrem beansprucht, auch für das Material stellt die Rallye eine Prüfung dar. Weil die Straßen von besonders viel losem Schotter bedeckt sind, spielt das viel zitierte „Straßenfegen“ auf Sardinien eine besonders große Rolle. Die ersten Piloten müssen viel Schotter von den Straßen fegen, die Strecke wird somit immer schneller.
Für Sébastien Loeb, der als WM-Leader am Freitag wieder einmal den „Staubsauger“ spielen muss, ist die Startreihenfolge auf Sardinien so wichtig wie bei keiner anderen Rallye. Der Franzose erklärt: „Der Boden ist hart, doch er ist vollkommen mit Sand bedeckt. Da gibt es enorme Differenzen bei den Zeiten –auch zwischen dem ersten und dem zweiten Fahrer.“
Loeb wieder Topfavorit
Loeb hat auf Sardinien in den Jahren 2005, 2006 und 2008 gewonnen und gilt natürlich wieder als der absolute Topfavorit, er hat die ersten fünf WM-Läufe dieser Saison für sich entschieden und will auch die sechste Rallye wieder ganz oben auf dem Podium stehend beenden. Er würde es „hassen, zu verlieren“, sagt er. Und zuletzt, in Argentinien, antwortete er auf die Frage, ob ihm das Siegen nicht langweilig werde: „Siege können niemals langweilig sein. Angst habe ich nur vor jenem Tag, an dem ich einmal nicht mehr in der Lage sein werde, weiter zu siegen.“
Doch dieser Tag scheint in weiter Ferne – das wissen auch die Gegner von Loeb. Jener im eigenen Team, Dani Sordo, möchte brav seinen zweiten Platz einfahren, womit er auch sein Ziel erreichen würde, nämlich den zuletzt übernommenen zweiten Platz in der Fahrer-WM zu behalten. Einen fünften Platz, wie im Vorjahr, möchte er jedenfalls nicht einfahren. „Das war kein gutes Resultat“, vermerkt der Spanier.
Hirvonen taktiert
Um diesen zweiten Platz erringen zu können, muss Sordo den Ford-Werkspiloten Mikko Hirvonen bezwingen. Der eigentlich als Titelkandidat vorgesehene Finne muss sich anstrengen, um sich gegen Sordo durchsetzen zu können. Ford hat auf Sardinien Tests absolviert, es wurde auch der ehemalige Ford-Werkspilot Markko Märtin eingesetzt - in der Hoffnung, dass Hirvonen und Jari Matti Latvala von dessen Erfahrung profitieren können.
Hirvonen weiß: „Bei Trockenheit ist die Startreihenfolge ausschlaggebend. Die ersten Teilnehmer fahren die Strecke vom Sand frei und ebnen die Piste so buchstäblich für die anderen Teams. Am Freitag werde ich als Dritter losfahren – das ist eine gute Ausgangsposition.“ Doch diese Ausgangsposition will Hirvonen nicht umsetzen, um am Ende des Freitags womöglich vorne zu liegen – denn er möchte am Samstag keinesfalls als erster auf die Strecke fahren: „Für die zweite Etappe am Samstag hoffe ich, etwas weiter hinten zu stehen, denn bei dieser Rallye könnte der Schlüssel zum Erfolg darin liegen, das Feld von hinten aufzurollen.“
Latvala muss wieder ins Ziel kommen
Teamkollege Jari Matti Latvala muss weiterhin sein Bruchpilotenimage ausbügeln und strebt wie in Argentinien eine Zielankunft an: „Wie in Argentinien visiere ich auch hier einen dritten oder vierten Platz an. Auf Sardinien war ich schon in der Vergangenheit recht erfolgreich – also korrigiere ich diese Zielvorgabe im Laufe der Rallye vielleicht auch noch nach oben.“
Neben dem dritten Ford-Werkspiloten, dem Abu Dhabi-Zugeständnis Khalid Al-Quassimi werden auch die Satellitenteams der beiden einzigen in der WM vertretenen Hersteller an den Start gehen: Große Chancen werden Henning Solberg im Stobart Ford zugerechnet, während die Citroen Junioren allesamt nur ein Ziel diktiert erhielten: Ins Ziel kommen! Im Falle von Sébastien Ogier und dem jungen Russen Evgeny Novikov muss für den Rest der Saison noch zusätzliches Budget aufgestellt werden, eine Zielankunft wäre dabei hilfreich. Teamchefsohn Matthew Wilson (Stobart) und Conrad Rautenbach (Citroen Junioren Team) sind hingegen fix für den Rest der Saison.
Petter Solberg hat aufgerüstet
Das Salz in der weitgehend vorhersehbaren WM-Suppe liefert einmal mehr Petter Solberg. Der Weltmeister des Jahres 2003 hat mit einer öffentlichen Androhung, auf einen Peugeot 307 zu wechseln, erwirkt, dass er die ersehnten 2006er-Bauteile für seinen Citroen Xsara erhält. Damit wurde ersichtlich, dass Citroen sich scheinbar immer noch davor fürchtet, dass ein Xsara-Pilot den ehemaligen Juniorenweltmeister Sordo im C4 „verbläst“ – gewisse Dinge ändern sich scheinbar nie…
Erstmals wird Adapta Subaru-Pilot Mads Östberg seine Freundin Veronica Engan als Co-Pilotin einsetzen – diese ist jedoch keinesfalls unerfahren, ist in der norwegischen Meisterschaft im Einsatz und hat bereits vier PWRC-Rallyes an der Seite von Eyvind Brynildsen bestritten. Zwei weitere Subaru werden von den Lokalmatadoren Pierlorenzo Zanchi und Fabrizio Montanari eingesetzt.
Pierlorenzo Zanchi (im Bild links) fuhr 1997 seine erste WM-Rallye in San Remo, wurde damals Elfter –in den Jahren 2000 und 2001 sah er bei der Monte keine Zielflagge, 2004 gab es weder in Finnland noch bei der Sardinien-Rallye eine Zielankunft. 2006 wurde er auf einem Subaru Impreza WRX STi auf Sardinien 50. gesamt. Fabrizio Montanari nahm zweimal an der Sardinien-Rallye teil, belegte 2007 Platz 59 und gab 2008 auf. Insgesamt sind diesmal 15 World Rally Cars am Start.
PWRC: Sandell will die Führung zurück erobern
Die Sardinien-Rallye zählt auch zur PWRC und zur JWRC, zudem werden fünf Pirelli Star Driver sich in Gruppe N-Autos mit jenen der PWRC messen können. Nach seinem Crash in Portugal hat BRR-Pilot Patrik Sandell die Führung in der PWRC-Tabelle verloren – dort führt nun Armindo Araujo mit 23 Punkten vor Nasser Al-Attiyah mit 21 sowie Sandell mit 20.
Der Schwede hat seinen Skoda Fabia Super 2000-Boliden in Österreich getestet und berichtet von großen Fortschritten: „Der Test war ganz wichtig – denn wir haben wieder ein paar Kleinigkeiten gefunden und somit den Skoda Fabia S2000 nochmals optimieren können.“ Mit dem S2000-Geschoss gilt Sandell als Topfavorit, auch wenn Araujo und Al-Attiyah nicht zu unterschätzen sind.
JWRC: Gegner für Kosciuszko
In der JWRC führt der Pole Michal Kosciuszko die Tabelle mit 28 Punkten an, der Deutsche Aaron Burkart liegt vier Zähler hinter ihm auf Rang zwei. Beide pilotieren einen Suzuki Swift Super 1600. Kosciuszko hat zwei Siege errungen, als nur zwei Gegner zu bezwingen waren, er sagt: „Es ist nett, Punkte zu holen – aber im Endeffekt sucht man den Kampf gegen die Konkurrenten.“ Auf Sardinien erwartet er ebensolche – Martin Prokop im Citroen C2 ist mit Sicherheit einer der härtesten Gegner für den Polen.
Gestartet wird die Sardinien-Rallye am Donnerstagabend mit einem zeremoniellen Start, richtig los geht es am Freitagmorgen – um 9.32 Uhr Ortszeit wird die 14,99 Kilometer lange SP 1 „Sa Conchedda“ in Angriff genommen, danach stehen die 22,3 km lange SP 2 „Loelle“ sowie die 27,81 km lange SP 3 „Crastazza“ auf dem Programm, nach dem Mittagsservice werden die drei Prüfungen ein weiteres Mal befahren. Am Samstag werden erneut drei Prüfungen zweimal befahren, darunter auch die berühmte SP „Monte Lerno“. Am Sonntag stehen dann noch fünf Prüfungen zu 86,18 Sonderprüfungskilometern auf dem Programm. Der Zieleinlauf findet um 14.15 Uhr Ortszeit in Porto Servo statt.