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WRC: Sardinien-Rallye

Ilka Minor: Alles nur nicht das Meer

Ein Rückblick wie ein Abenteuerbuch – und Erinnerungen an Evgeny Novikov, den Minor immer noch für ein großes Ausnahmetalent hält.

Fotos: minor.at

Im neuerdings goldenen Ford Fiesta WRC werden Henning Solberg und Ilka Minor am Wochenende auf Sardinien wieder tapfer gegen die Werksautos um WM-Punkte kämpfen. "Und bleibst du noch ein paar Tage am Meer?" – eine Frage, die für viele Menschen naheliegend erscheint, wenn jemand beruflich einen am Meer gelegenen Ort aufsucht. Bei Ilka Minor jedoch wird man mit dieser Frage höchstens Minuspunkte einsammeln: "Ich gehe in keine Gewässer, weder ins Meer noch in Süßwasserseen." Der Hintergrund mag zunächst recht unterhaltsam klingen – schließlich gibt sie offen zu, eine ablehnende Haltung gegenüber Wasserleichen zu haben, womit sie gewiss nicht alleine dasteht.

Deshalb jedoch sämtliche Gewässer zu meiden – diese Konsequenz legen nur wenige Menschen an den Tag. Allerdings sei noch hinzugefügt: Auch wenn Minor im Flugzeug gerne möglichst mit grausamen Verbrechen gespickte Kriminalromane liest, geht sie bei ihren Wasserleichen davon aus, dass diese tatsächlich Leichen sind, daher auch brav im Wasser bleiben und nicht à la "The Fog" das Festland aufsuchen, um dort Angst und Schrecken zu verbreiten – zumal das Festland am kommenden Wochenende aus wunderschönen Schottersonderprüfungen besteht.

Auf der italienischen Mittelmeerinsel Sardinien macht von 9. bis 12. Juni die Rallyeweltmeisterschaft Station, Ilka Minor wird dort wieder auf dem "heißen" Sitz neben Henning Solberg Platz nehmen, der dank eines neuen Sponsors zuletzt wieder regelmäßig der Herausforderung erliegen konnte, als Privatier inmitten von Werksteams um WM-Punkte zu kämpfen. Dem neuen Geldgeber haben Henning und Minor auch das Golddesign zu verdanken, das in Portugal erstmals jenen Ford Fiesta WRC zierte, mit dem das norwegisch-österreichische Duo auch auf Sardinien mit der Startnummer 16 sein Glück versuchen wird.

Für Minor ist die Insel alles andere als Neuland, die Rückschau fällt aber recht unterschiedlich und mitunter auch turbulent aus. Minor erinnert sich an die Ära mit Manfred Stohl: "2005 wurde Manfred vor der Besichtigung krank, sodass wir jede Prüfung nur einmal begutachten konnten." Trotz dieses Handicaps konnten die beiden auf Platz neun immerhin zwei WM-Punkte an Land ziehen. Die beiden Jahre drauf, 2006 und 2007, wurde es ohne Handicap jeweils Platz sieben.

Crash und Podium mit Novikov

Ganz besonders intensiv gestaltete sich die Sardinien-Rallye 2012, als Ilka Minor mit dem als ungestüm bekannten, mit hohem Grundspeed gesegneten Evgeny Novikov am Start war. "Es war erst unsere zweite gemeinsame Rallye", erinnert sich Minor, die vom ersten gemeinsamen Meter an von der kompromisslosen Fahrweise des jungen Russen begeistert war. Auf Sardinien 2012 lagen Erfolg und Wahnsinn recht nahe beieinander. So wurden jene Fotos des brennenden Fiestas zum Kult, die niemand geringerer als Colin Clark vom WRC-Radio ins Web stellte. Minor erzählt: "Wir sind in ein Brückengeländer gekracht – im Auto gab es Behälter mit ein wenig Öl für den Bedarfsfall. Beim Aufprall wurde prompt einer dieser Behälter beschädigt, das Öl tropfte ins Auto und begann schließlich zu brennen, doch wir konnten mit dem Feuerlöscher große Schäden verhindern." Am Ende konnten Novikov und Minor bei ihrer zweiten gemeinsamen Rallye den großartigen zweiten Platz feiern, für Minor das bislang erfolgreichste Sardinien-Abenteuer.

Ein Jahr später waren Novikov und Minor zu Werkspiloten avanciert, der junge Russe wollte sich beweisen – bei der 2013er-Ausgabe der Sardinien-Rallye endete dieser Versuch, das in ihn gesetzte Vertrauen mit Spitzenergebnissen zu bestätigen, recht schmerzhaft: "Es war die zweite Prüfung, die Kurve war recht flott und machte leicht zu, da sind wir heftig in eine Steinmauer eingeschlagen." Statt eines Spitzenergebnisses gab es einen Ausfall zu verzeichnen, doch Ilka Minor ist es ein Anliegen, den ihrer Meinung nach zu Unrecht als Bruchpilot vorverurteilten Russen ins rechte Licht zu rücken: "Das war die einzige Rallye mit Evgeny Novikov, bei der wir nicht ins Ziel kamen – bei allen anderen gab es eine Zielankunft."

Dass Minor mit dem von ihr hoch geschätzten, vom System jedoch vorerst "ausgespuckten" Ausnahmetalent auch heute noch in Kontakt steht, verwundert nicht – schließlich war und ist Evgeny Novikov in Minors Augen ein außergewöhnlicher Pilot. Ewig in Erinnerung wird bleiben, wie sie voller Begeisterung nach ihrer ersten Fahrt mit Novikov schilderte: "Er fährt dermaßen kompromisslos – er lenkt einmal ein, es wird nicht einen Millimeter korrigiert – entweder sind wir pfeilschnell oder draußen." Wie so oft tun sich Piloten, die einmal ihren Platz im Fahrerfeld verloren haben, schwer mit einem wirklich erfolgversprechenden Comeback. Minor erzählt: "Derzeit konzentriert sich Evegny auf sein Business – ich würde es ihm wünschen, dass er den richtigen Weg zurück in ein World Rally Car findet."

Punktesegen mit Henning Solberg

Während das gemeinsame Jahr als Werksteam für Novikov vorerst zum unfreiwilligen Endpunkt wurde, hatte Ilka Minor das Glück, mit Henning Solberg weiterhin auf der weltweiten Bühne der weltbesten Lenkradakrobaten zu bleiben. So belegten die beiden 2014 auf Sardinien Platz sieben, was in etwa dem Maximum entspricht, das ein privates Team in der hart umkämpften Weltmeisterschaft erreichen kann – um noch weiter vorne landen zu können, bedarf es dann schon einiger Probleme für die Werksautos.

Im Vorjahr musste auch Henning Solberg hinnehmen, dass Privatiers heutzutage nicht nur auf den Strecken zu kämpfen haben – immer schwieriger ist es geworden, einen privaten WRC-Einsatz zu finanzieren. Umso erfreulicher ist es daher, dass Solberg mit den norwegischen Sponsoren für Autozubehör und Glücksspiel potente Partner gefunden hat, um auf höchstem Niveau den Kampf der privaten Davids gegen die Werks-Goliaths zu suchen.

Dadurch konnten Henning Solberg und Ilka Minor heuer schon drei der bislang fünf WM-Rallyes in Angriff nehmen und dabei zwei Mal Punkte abräumen: In Schweden deren sechs, in Argentinien kamen weitere zwei Zähler hinzu, nur in Portugal gab es keine Punkteausbeute – immerhin sah man auf Platz 27 die Zielflagge, sodass die Ankunftsrate 2016 bislang 100 Prozent beträgt.

Auf den Schotterstraßen Sardiniens kann Henning Solberg einmal mehr den von ihm favorisierten losen Untergrund genießen – bei insgesamt 18 World Rally Cars ist der Punktesegen dennoch keine Selbstverständlichkeit. Doch Minor zeigt sich zuversichtlich und verrät mit einem Lachen im Gesicht: "Es kann eigentlich nur ein gutes Ergebnis werden, denn es haben sich meine beiden Glücksbringer zu einem Besuch angekündigt."

Meet & Eat mit den Minor-Fans

Jochen und Katja sind komplett mit dem Rallyevirus infiziert. Um einen guten Zuschauerpunkt zu ergattern, wird gerne auch einmal im Auto geschlafen. Schon in der Ära Stohl sind die beiden Österreicher mindestens einmal im Jahr vor Ort ihrer Rolle als "Hardcorefans" gerecht geworden – auch als Minor mit Novikov und Solberg zu Österreichs einziger Fixstarterin in der Rallye-WM wurde, blieben ihr die beiden treu. Minor bestätigt: "Sie haben sogar eigene Ilka-Shirts, und ich freue mich immer sehr, wenn sie einen Besuch ankündigen."

Mittlerweile hat sich zwischen den Fans und ihrem Star eine Freundschaft entwickelt, die beiden sind in der Hospitality von M-Sport gern gesehene Gäste. Mitunter kann es dann auch einmal ein gemeinsames Essen mit Solberg oder auch weiteren WRC-Fahrern wie Mads Østberg geben. Dieses nette Miteinander gehört bei Minor dazu, sie mag die Menschen im und um den Rallyesport – zumindest solange sie nicht die eingangs erwähnte Frage nach dem Meer stellen oder gar als Wasserleichen die Gewässer unsicher machen.

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