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WRC: Finnland-Rallye

Abenteuerliche Finnland-Rallye

Zu jener Zeit, in der viele im Büro die Stunden zählen, am Freitagvormittag, erlebten Evgeny Novikov und Ilka Minor in den Wäldern Finnlands ein Abenteuer der seltsamen Art …

Michael Noir Trawniczek
Fotos: minor.at

Die Finnland-Rallye 2013 war für Evgeny Novikov und Ilka Minor voller Abenteuer: Zunächst jedoch begann es recht unspektakulär: Im Qualifying konnte man mit der viertschnellsten Zeit dafür sorgen, dass man als Viertletzter die bei Schotter-Events wichtige Startposition wählen durfte.

Normalerweise werden die Prüfungen besser, je mehr loser Schotter von der Strecke gefegt wird. Doch diesmal war es anders, Ilka Minor berichtet: „Die Spuren waren bei der zweiten Durchfahrt bereits ziemlich ausgefahren. Wir waren mit den Zeiten nicht wirklich zufrieden.“ Auf den „normalen“ Sonderprüfungen konnte das Qatar M-Sport Duo immerhin einmal die viertschnellste Zeit markieren, auf der abschließenden Zuschauerprüfung „Killeri“ belegte man hinter Thierry Neuville Platz zwei.

Am Ende der ersten Etappe fanden sich Novikov/Minor auf Platz sieben wieder – Ilka schüttelt den Kopf: „Das entspricht sicher nicht unserer Zielsetzung, selbst wenn wir nur 20 Sekunden zurücklagen.“

Das Springen

So wenig die Zeiten auf der ersten Etappe den Ehrgeiz von Novikov/Minor befriedigen konnten, so sehr konnte Ilka die Sprünge genießen – die Schotterprüfungen der Finnland-Rallye sind bekannt für ihre spektakulären und weiten Sprünge, in diesem Jahr flogen die Boliden besonders weit.

Ilka erzählt: „Wir sind diesmal dermaßen weit gesprungen, es ist unglaublich. Im Cockpit ist das irre spektakulär. Du sagst ‚Kuppe‘ und auf einmal hast du so ein Gefühl der Schwerelosigkeit, das ist wunderschön. Und dann war auch Evgeny überrascht, wie weit du fliegst und dass du erst im Flachen landest.“

Der Unfall

Doch am Freitagvormittag war eine dieser Landungen weniger erbaulich: Auf SP 8, nach rund fünf Kilometern, setzte das Ford Fiesta RS World Rally Car bei der Landung nach einem Sprung zu weit links neben der Fahrbahn auf und krachte in einen Stapel von Baustämmen.

Der Einschlag sieht auf dem Video (siehe Weblinks unten) ziemlich heftig aus, doch Ilka gibt Entwarnung: „Das war überhaupt nicht schlimm, das sieht auf dem Video viel schlimmer aus. Wir sind schon beim ersten Sprung ein bisschen versetzt gewesen und beim zweiten Sprung landeten wir dann viel zu weit links. Ich dachte zunächst, dass ich vielleicht einen Fehler bei der Ansage gemacht habe, doch das war nicht der Fall.“

Die Verwarnung

Bei dem Unfall wurde die Motorhaube hochgedrückt, die sich bald schon komplett hochklappte, sodass die Sicht schwer beeinträchtigt war. Ilka erzählt: „Bei mir hat es fast keinen Unterschied ausgemacht, denn ich sitze so weit unten, dass ich ohnehin wenig von der Straße sehe. Aber Evgeny musste den Kopf vorbeugen und hatte eine stark veränderte Sicht. So konnten wir natürlich kein normales Renntempo fahren.“

Mit dem Team wurde blitzschnell ausgemacht, dass man den Wagen per GPS verfolgt: Sobald ein Konkurrent hinter dem russisch-österreichischen Duo auftauchen würde, erhält es eine Flashnachricht ins Cockpit. Soweit die Theorie.

In der Praxis jedoch hing Citroen-Pilot Kris Meeke rund zwei Minuten hinter dem angeschlagenen Fiesta fest – denn weder Evgeny noch Ilka haben den Konkurrenten im Rückspiegel gesehen. Ilka erklärt: „Evgeny hatte genug zu tun, um überhaupt etwas zu sehen und ich sehe sowieso nichts in den Spiegeln. Das Problem war, dass die Flashnachricht zirka zwei Minuten zu spät bei uns ankam – sobald sie kam, fuhren wir zur Seite.“

Hernach mussten sich Evgeny und Ilka vor den Rennkommissaren verantworten: „Wir haben die Situation so geschildert, wie sie war und die Kommissare haben es nachvollziehen können – daher wurden wir auch nur verwarnt. Wenn du einen Unfall hast, willst du weiterfahren, solange es möglich ist – wir haben uns halt darauf verlassen, dass unser System mit der Flashnachricht im Cockpit funktioniert, doch das war nicht der Fall. Dennoch haben wir uns nachher bei allen entschuldigt, denn natürlich wollen wir niemandem im Wege stehen.“

Nach der Zieldurchfahrt auf SP 8 haben Evgeny und Ilka die Motorhaube entfernt, die Windschutzscheibe wurde jedoch nicht abmontiert. Schließlich waren noch zwei Sonderprüfungen mit dem angeschlagenen Fahrzeug zu absolvieren.

Der Freund & Helfer

Doch als nach der letzten SP die rund 40 Kilometer an Verbindungsstrecke zum Service anstanden, wurden Novikov/Minor von einem Straßenpolizisten dazu angehalten, die beschädigte Windschutzscheibe völlig zu demontieren.

Ilka erzählt: „Das war dann eigentlich nur noch lustig. Zuvor, auf den Sonderprüfungen, konnten wir mit dieser Scheibe anstandslos fahren – doch jetzt mussten wir sie komplett herausdrücken. Doch die kleinen Glassplitter, die noch drinhingen, flogen uns dann um die Ohren – was ja viel sicherer im Straßenverkehr ist. Ich sehe das Bild noch vor mir: Evgeny fuhr mit Balaklawa und Sonnenbrillen, ich habe mir das Buch, den Aufschrieb vors Gesicht gehalten.“

Die offene Rechnung

Das Qatar M-Sport World Rally Team konnte im Mittagsservice den Wagen wieder komplett reparieren – doch der Rückstand betrug nun bereits mehr als fünf Minuten, die Chance auf einen Spitzenplatz war dahin.

Ilka erzählt: „Natürlich war da etwas die Luft draußen – aber wir haben dennoch versucht, gute Zeiten zu fahren. Doch es war seltsam: Evgeny fuhr am Limit, aber die Zeiten stimmten nicht.“

Immerhin konnten Evgeny Novikov und Ilka Minor am Freitagnachmittag und am abschließenden Samstag noch gehörig Plätze gutmachen und die Rallye auf Platz sechs beenden. Ilka sagt: „Die WM-Punkte sind sicher gut – aber am Ende haben wir mit der Finnland-Rallye noch eine Rechnung offen!“

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