Formel 1: Die Piloten 2003 | 30.10.2003
Nick Heidfeld
"Quick Nick" erlebte eine turbulente Saison, abgesehen von Indianapolis hatte der Deutsche heuer nicht viel zu lachen, seine Zukunft ist ungewiss.
Der bange Blick zum Himmel, das Flehen nach Regen und der passende Tanz für eine nasse Abkühlung durch den Wettergott sollten in der vergangenen Saison 2003 für alle Bridgestone Teams, und damit auch das Schweizer Sauber Team von Nick Heidfeld, zum 14-täglichen Grand Prix Ritual werden.
Entsprechend erhoffte sich der Mönchengladbacher, der in der abgelaufenen Saison zusammen mit seinem Landsmann Heinz-Harald Frentzen das so genannte „Team Mönchengladbach“ bei den Hinwilern bildete, auch vor dem vorletzten Saisonrennen im legendären Nudeltopf von Indianapolis einen schönen Regenguss: „Indy lag mir bisher immer ganz gut, vielleicht regnet es sogar, dann kann ich aus eigener Kraft in die Punkte fahren. Wir haben aber auch im Trockenen Fortschritte gemacht. Ich bin ganz guter Dinge...“
Das die Dinge auf dem Indianapolis Motor Speedway dann so gut laufen würden, damit rechnete allerdings noch nicht einmal Teamchef Peter Sauber, der jeden für „verrückt erklärt“ hätte, der ihm und seinem Team vor dem Rennwochenende die Ränge drei für Heinz-Harald Frentzen und fünf für Nick Heidfeld vorausgesagt hätte.
„Ein fantastisches Resultat für das Team. Wir haben heute das Maximum herausgeholt, wobei uns die Bridgestone Reifen geholfen haben, die unter diesen Bedingungen perfekt arbeiteten,“ freute sich Nick über seine dritte und letzte Punkteankunft des Jahres 2003.
Dabei hatte der erhoffte Regen zu Beginn des Rennwochenendes alles andere als geholfen, als er im ersten Qualifying am Freitag direkt mit den Läufen der Sauber-Piloten einsetzte und diesen somit eine gute Zeit im wahrsten Sinne des Wortes „verhagelte“.
Und auch im Rennen wäre für Nick noch ein bisschen mehr drin gewesen, wenn er direkt auf Regenreifen hätte wechseln können. „Bei meinem ersten Stopp wechselte ich auf Trockenreifen, was bedeutete, dass ich erneut an die Boxen musste um auf Regenreifen zu wechseln, doch das war heute ein Glücksspiel.“
Abgesehen vom Regen-Glücksspiel in Indianapolis hatten Nick Heidfeld und sein Sauber Team in der vergangenen Saison jedoch mehr Pech als Glück – und zwar nicht nur weil der herbeigesehnte Regen meistens ausblieb.
Dabei hatte sich Nick bei den Testfahrten vor Saisonbeginn gegenüber f1welt.com noch recht zuversichtlich gegeben: „Die ersten Tests waren im Bereich der Standfestigkeit ganz zufrieden stellend, von der Geschwindigkeit waren wir nicht ganz dort wo wir sein wollten,“ deutete er allerdings schon damals an, was dem C22 fehlte: Der Speed.
Als Ziel für die Saison 2003 setzte sich der jüngere der beiden Sauber-Mönchengladbacher dabei einen Platz hinter den Top-Teams. „Unser Ziel ist es ähnlich stark zu sein wie in den letzten beiden Jahren, in denen wir den vierten und den fünften Platz erreicht haben. Ich denke mehr ist auch unrealistisch. Die drei Teams an der Spitze sind zu groß und zu weit weg.“
Und so sollte es dann auch kommen. Denn während Ferrari, McLaren und Williams um den Titel kämpften und Renault hin und wieder das Zünglein an der rot-weiß-blau-silbernen Waage spielte, rutschte das Sauber Team bis zum vorletzten Lauf in Indianapolis zwischenzeitlich sogar bis auf den neunten Rang in der Konstrukteurswertung ab.
Begonnen hatte Nick seine vierte Saison in der Königsklasse des Motorsports dabei mit einem Aufhängungsschaden beim Saisonauftakt in Melbourne. Nach diesem unglücklichen Saisonstart konnte sich der Sauber-Mann mit der Startnummer neun allerdings schon beim zweiten WM-Lauf in Malaysia den sechsten Startrang sowie im Rennen mit Platz acht den ersten WM-Zähler sichern.
Beim Regenchaos in Brasilien sollte Nick diesem einen WM-Punkt allerdings keine weiteren Zähler folgen lassen, da er seinen Grand Prix vorzeitig mit einem Motorschaden beenden musste. Und auch beim Europaauftakt in San Marino ging Heidfeld mit seinem zehnten Rang leer aus, was natürlich nicht dem vor Saisonbeginn ausgegeben Ziel entsprach.
So erwies sich der neue Sauber C22 in den ersten vier Rennen zwar bis auf einige wenige Ausnahmen als äußerst standfest, doch war die Konkurrenz in puncto Speed den Hinwilern um einiges voraus. „Die Grenzen des C22 wurden klar gezeigt, sagte mein Chef Peter Sauber,“ zeigte sich auch Nick von der Situation alles andere als begeistert. „Abgehakt habe ich die Saison aber noch lange nicht. Denn ich bin ein Kämpfer, der nie aufgibt und immer das Beste herausholen will. Aber wir müssen uns neue Ziele stecken. Dass wir unter den ersten Vier mitfahren wollen, ist einfach nicht mehr realistisch.“
Bestätigt wurden diese Ansichten des jungen Deutschen hierbei direkt beim darauf folgenden Rennen in Barcelona, wo Nick erneut nur einen zehnten Rang außerhalb der Punkteränge einfahren konnte. Die Frage auf welchen Strecken es ähnlich schwer wie in Imola oder Barcelona werden würde, beantwortete Nick dabei knallhart: „Beinahe überall, denn Aerodynamik ist in der F1 der wichtigste Faktor und ich glaube, dass dies unser größtes Problem in diesem Jahr ist.“
Beim vorerst letzten Großen Preis von Österreich in Spielberg sollte Nick dann nur am Samstag über seinen sensationellen vierten Startplatz jubeln dürfen. Denn im Rennen war für ihn schon nach 48 von 69 Umläufen Schluss, als sein Petronas-Motor schlapp machte. Besonders ärgerlich war dieser Ausfall insofern, dass es kein großes Problem am Motor gab: Nach dem Auswechseln von Zündspule und Zündkerzen lief Heidfelds C22 wieder…
Nicht sehr viel besser sollte es für Nick bei den nächsten Rennen laufen. So kam er in Monaco nur als Elfter ins Ziel, bevor er in Kanada erneut mit einem Motorschaden ausfiel. Beim ersten Heimrennen des Jahres auf dem Nürburgring sollte es hingegen mit Rang acht und dem zweiten Saisonpunkt eine kleine Belohnung für die vielen Rückschläge der Vorwochen geben, was umso schöner war, da Nick nach Problemen im zweiten Qualifying aus der Boxengasse starten musste.
Doch trotz des zweiten WM-Zählers zeigte sich der Mönchengladbacher mit der ersten Saisonhälfte „überhaupt nicht zufrieden.“ „Wir waren angetreten, um mit der Konkurrenz um den fünften Platz in der Konstrukteurswertung zu fahren. Im Moment können wir das wirklich vergessen.“
Ein großes Problem war hierbei – entgegen dem Trend der ersten vier Rennen – die Standfestigkeit des Sauber Petronas C22, dessen Vorjahres-Ferrari-Motor mittlerweile viel zu oft in Rauch aufging: „Die Zuverlässigkeit ist wirklich ein Problem. Woher die Motorschäden kommen, wird immer noch erforscht. Dass der Ferrari-Motor sehr standfest ist, hat er in der letzten Saison im Ferrari ja bewiesen,“ konnte sich Nick die Probleme nicht erklären. „Vielleicht rühren die Probleme ja vom Motorumfeld her. Fest steht, die Probleme müssen so schnell wie möglich beseitigt werden.“
Doch obwohl Heidfeld vom Frankreich Grand Prix an bis zum Saisonende nicht mehr ausfallen sollte, wurden die Ergebnisse des Deutschen nicht sehr viel besser. So musste er sich in Magny Cours mit Rang 13 begnügen, während er in Silverstone sogar nur auf dem 17. Platz landete. Bei seinem Heim Grand Prix in Hockenheim sollte Nick dann mit einem zehnten Rang ebenso an einer Punkteankunft scheitern wie bei den beiden folgenden neunten Plätzen in Ungarn und Italien.
Nach dem zwischenzeitlichen Saisonhighlight in Indianapolis, wo er sein Punktekonto dank seines fünften Ranges noch einmal auf die schlussendlich für ihn zu Buche stehenden sechs WM-Zähler erhöhen konnte, folgte beim Saisonfinale im japanischen Suzuka wiederum nur ein undankbarerer neunter Platz außerhalb der Punkteränge.
„Die Saison lief für mich sicher nicht so gut wie erwartet,“ fasste Nick das Jahr 2003 kurz und knapp zusammen, „für das Team die meiste Zeit auch nicht.“ Aber auch wenn Teamchef Peter Sauber fest davon überzeugt ist, dass die Probleme seines Teams in dieser Saison allein vom Material her rührten und keiner der beiden Piloten Schuld daran trug, mussten am Ende des Jahres beide Mönchengladbacher ihre Cockpits bei den Hinwilern räumen, was Nick Heidfeld aufgrund des schwierigen Fahrermarktes momentan noch in der Luft hängen lässt.
So verlautbarte Nick zwar Mitte August noch, dass er sich „sicher“ sei, dass er „nächstes Jahr Formel 1“ fährt, doch musste er schnell eingestehen, dass die Cockpit-Situation für ihn alles andere als rosig aussieht. „Auch wenn ich keinen Platz in der Formel 1 bekomme, bleibe ich lieber als Testfahrer im GP-Zirkus, als in irgendeine andere Kategorie zu wechseln,“ denkt der Mönchengladbacher mittlerweile sogar schon an einen Testfahrerposten.
Eine mögliche Rettung könnte hierbei das Team von Eddie Jordan darstellen, der bereits während der Saison Interesse an den Diensten von Nick zeigte: „Wir haben dafür gesorgt, Michael und Ralf Schumacher in die Formel 1 zu bringen, vielleicht finden wir bald einen Nachfolger. Nick Heidfeld ist immer ein Thema. Wenn ihn Sauber nicht will, ist er bei uns willkommen.“
Die größte Schwierigkeit für Heidfeld stellt momentan allerdings der Trend zu Bezahlfahrern in der Formel 1 dar: „Ich empfinde es so, als würden einige Teams die Fahrerfrage nicht danach entscheiden, wer wie viel Potenzial hat,“ kritisiert ein enttäuschter Nick Heidfeld die immer häufiger auftretenden Entscheidungen der Teams zu Gunsten von finanziell betuchten Piloten mit viel Sponsorengeldern. „Die letzten Jahre war es zwar so, dass vielleicht ein Team zumindest den zweiten Fahrer danach ausgesucht hat, wer wie viel Geld mitbringt – aber jetzt sind es mehrere Teams.“
An seine Chance glaubt er aber dennoch: „Ich bin noch recht jung, in meinem vierten Jahr,“ warf Nick zu Saisonmitte einen Ausblick auf seine Zukunft. „Ich bin irgendwo zwischen Newcomer und Routinier und ich hoffe einfach, dass ich in den nächsten Jahren in ein Top-Team wechseln kann...“