Formel 1: Die Piloten 2003 | 23.10.2003
Antonio Pizzonia
Antonio Pizzonia wurde 2003 vom Pech verfolgt und musste nach dem GP von Großbritannien sein Cockpit räumen.
Der „Jungle Boy“ durfte seine Debütsaison bei den Raubkatzen nicht beenden
Nachdem der 23-jährige Brasilianer Antonio Pizzonia 2001 die Formel 3000 Meisterschaft bestritten hatte und 2002 als BMW-Williams Testfahrer mit guten Zeiten aufhorchen ließ, wurde der damalige Noch-Jaguar Teamchef Niki Lauda auf den „Jungle Boy“ aus dem Amazonas-Gebiet aufmerksam. Lauda hatte sich gerade entschieden, Routinier Eddie Irvine und den Spanier Pedro de la Rosa vor die Tür zu setzen, um sich nach jüngeren, günstigeren Alternativen umzusehen.
Während er Mark Webber bei dessen Jaguar-Test während der Saison 2002 kennen gelernt hatte, war Pizzonia selbst für Lauda ein relativ unbeschriebenes Blatt. Trotzdem vertraute der Österreicher Teamchef Frank Williams, der voll des Lobes über seinen Testfahrer war, und verpflichtete Pizzonia als Teamkollegen von Mark Webber für die Saison 2003, an der er ja selbst nicht mehr teilnehmen sollte. Bereits vor Pizzonias erstem Einsatz bei Jaguar gab es leise Zweifel am jungen Brasilianer. So sagte sein früherer Formel 3000 Teamchef Paul Jackson: „Unter Druck ist er zwar auf der Strecke sehr gut, aber wenn die Dinge nicht nach Plan laufen, dann könnte er sich technisch ein bisschen verlieren.“
Von Anfang an hatte Pizzonia dann auch mit seinem Auto zu kämpfen. Im Qualifying zum Saisonauftakt in Melbourne verlor er trotz aggressiver Fahrweise über zwei Sekunden auf Teamkollege Webber und kam über Rang 18 nicht hinaus. Im Rennen war er dann Opfer eines Aufhängungsschadens. Auch in Malaysia stand Pizzonias Auftritt unter keinem guten Stern. Obwohl er im, für die Startaufstellung entscheidenden zweiten Qualifying mit Rang 15 schneller als Webber war, machte er bereits beim Start einen Fehler und rasierte Montoyas Heckflügel ab. Mit neuer Frontpartie kam er nicht weit, denn er musste mit einem Bremsproblem aufgeben.
Antonio blieb am Ende leider ohne WM-Punkt
Pizzonias drittes Formel 1 Rennen war bereits sein Heim-Grand Prix in Brasilien, weshalb der auf ihm lastende Druck weiter anstieg. Wieder zeigte Pizzonia Nerven und konnte mit dem in Topform befindlichen Webber, der sogar in die Punkte fuhr, nicht mithalten. Im strömenden Regen verlor Pizzonia die Kontrolle über seinen Wagen und schlitterte in die Reifenstapel. Dementsprechend enttäuscht gab sich der Südamerikaner nach dem Rennen: „Wir gingen davon aus, dass viele Fahrer heute an den schlechten Verhältnissen scheitern würden – leider war ich auch einer von ihnen! Zwischen der zweiten und dritten Kurve befand sich so viel Wasser auf der Strasse, da konnte ich einfach nicht mehr reagieren. Das einzig Gute ist, dass Jaguar nun WM-Punkte vorzuweisen hat und unsere Leistung über das Wochenende gesehen ganz ordentlich war.“
In derselben Tonart ging es leider auch in Europa weiter. Zwar gab es in Imola mit Rang 14 die erste Zielankunft, jedoch verlor Pizzonia durch ein Problem mit der Launch-Control schon beim Start eine Runde auf den Rest des Feldes und damit alle Chancen auf WM-Punkte. Auch in Spanien wurde Pizzonia beim Start die Launch-Control zum Verhängnis. Diesmal waren die Folgen allerdings schwerwiegender. Kimi Räikkönen konnte dem stehenden Jaguar-Boliden nicht ausweichen und krachte in dessen Heck.
Bereits vor dem Grand Prix von Spanien mehrten sich die Gerüchte um ein plötzliches Aus von Pizzonia bei Jaguar. Im Hintergrund wurde bereits alles in Bewegung gesetzt, um den Österreicher Alexander Wurz, der bisher bei McLaren als Testfahrer fungierte und schon lange auf das richtige Angebot wartete, ins Jaguar Cockpit zu hieven. Vor dem Grand Prix von Österreich spitzte sich die Lage weiter zu. Während Pizzonia nach Erklärungen für seinen mageren Saisonstart suchte, platzte der Wurz-Deal aber in letzter Sekunde, weil sich McLaren-Mercedes quer legte und eine dementsprechend hohe Ablösesumme für Wurz verlangte. Bei Jaguar erkannte man, dass das verlangte Geld kaum aufzubringen war und man entschloss sich, Pizzonia eine zweite Chance zu geben. Kurz darauf wurde dieser mit den folgenden Worten zitiert: „Ich bleibe bis zum Ende der Saison. Das Team sagte mir das gestern und im Grunde genommen meinten sie, dass sie einen Fehler gemacht haben und wir nun fortfahren sollen!“
Pizzonia musste nach seinem wohl besten Rennen gehen...
Der viel gescholtene Pizzonia konnte also beim Grand Prix von Österreich an den Start gehen und gab mit einem hervorragenden neunten Rang im Qualifying die beste Antwort auf die vorangegangenen Spekulationen. Im Rennen hatte er dann allerdings einen Ausrutscher zu verzeichnen und wurde Neunter, wodurch er die WM-Punkte um einen Rang verpasste. Nach einem Ausfall wegen Elektronikproblemen beim Klassiker von Monaco schien Pizzonia die Vergangenheit allerdings wieder einzuholen. Während Mark Webber in Kanada sein Punktekonto weiter ausbauen konnte, zerstörte Pizzonia bereits in Runde eins seinen Frontflügel an Trullis Renault, was einen zusätzlichen Boxenstopp erforderte. Gegen Rennende versagten dann die Bremsen des Jaguar R4, und der Mann aus Manaus konnte die Zielflagge wieder nicht sehen. Auch der Nürburgring brachte kein Erfolgserlebnis, eher noch eine Fortsetzung der Pannenserie. So handelte er sich in der Box eine 10-Sekunden Strafe wegen Pitlane-Speedings ein und wurden ihm zusätzlich bei seinem normalen Stopp die falschen Reifen montiert. Pizzonia kam mit einer Runde Rückstand auf Rang 10 ins Ziel.
In Frankreich und England war bei Pizzonia ein leichter Aufwärtstrend erkennbar. Im verregneten ersten Qualifying von Magny Cours erreichte er überraschend den fünften Platz und profitierte von der auftrocknenden Strecke gegen Ende der Session. Auch in der zweiten Session konnte er relativ gut mit Webber mithalten und hatte nur einen Rückstand von sechs Zehntelsekunden auf den Australier zu verzeichnen. Im Rennen blieb er mit Rang 10 allerdings ein weiteres Mal außerhalb der Punkteränge. Im zweiten Qualifying von Silverstone konnte Pizzonia seinen hochgeschätzten Teamkollegen mit Rang 10 zum dritten und letzten Mal besiegen. Auch im Rennen zeigte der Brasilianer eine gute Leistung, ehe sich wieder einmal Probleme einstellten: „Ich hatte früh einen Zwischenfall mit dem Lenkrad, das wir tauschen mussten und später ein kleines Problem mit dem Chassis, das mir auch nicht half. Davon abgesehen machte ich weiter und genoss das Rennen. Meine Geschwindigkeit war bis zur 33. Runde konkurrenzfähig bis ich ein Motorenproblem bekam, das mein Rennen beendete. Ich fahre nun nach Hockenheim, nachdem ich bei unserem Heim Grand Prix viel gelernt habe.“
Dich Chancen für 2004 stehen denkbar schlecht
Dazu sollte es allerdings nicht mehr kommen. Einen Tag nach dem Grand Prix von Silverstone, in dem Pizzonia seine vielleicht beste Saisonleistung erbrachte, gab das Jaguar Team bekannt, dass er bereits in Hockenheim sein Cockpit räumen müsse, um für den britischen Ex-Minardi Piloten Justin Wilson Platz zu machen. Damit war Pizzonias Rauswurf bei Jaguar amtlich, und die in Silverstone verwendete Terminator 3-Lackierung auf der Airbox des Jaguar-Boliden bekam im Nachhinein eine völlig neue Bedeutung.
Da Pizzonias Vertrag von Jaguar vorzeitig aufgelöst wurde, versuchten sich die Raubkatzen in Schadensbegrenzung und boten dem Brasilianer die Rolle des Testfahrers an. Pizzonia lehnte das Angebot allerdings schwer enttäuscht ab: „Was ich bei Jaguar erlebt habe wünsche ich keinem anderen! Wie berichtet wurde, hat Jaguar mir den Posten als Ersatz- und Testfahrer angeboten, aber ich habe dies abgelehnt. Ich möchte das Problem gerichtlich lösen, aber ich werde bis zum Ende für meine Rechte kämpfen. Ich hatte nie die Möglichkeit zu zeigen was ich weiß und was ich kann.“
Was Pizzonia kann, konnte er aber bei Testfahrten für seinen alten Arbeitgeber Williams Anfang Oktober im spanischen Jerez unter Beweis stellen. An beiden Testtagen erreichte er die beste Rundenzeit vor Marc Gené, der in Monza überraschend im Williams-Renncockpit Platz nehmen durfte und mit einer ansprechenden Leistung Rang fünf erreichte. Pizzonias Chancen auf ein Renncockpit für die Saison 2004 stehen dennoch denkbar schlecht, denn bis auf Jordan und Minardi sind alle Cockpits besetzt. Fraglich ist außerdem, ob der „Jungle-Boy“ die notwendige Mitgift hat, um sich bei einem der beiden freien Teams einzukaufen. Nicht so schlecht stünden allerdings die Chancen, bei Williams oder einem anderen Team als Testfahrer unterzukommen, denn Pizzonia bringt immerhin zwei Jahre Formel 1-Erfahrung mit.