Formel 1: Die Piloten 2003 | 10.11.2003
Juan Pablo Montoya
Juan-Pablo Montoya konnte 2003 zum ersten Mal in seiner Formel 1 Karriere um den WM-Titel kämpfen, eine Zeitstrafe in Indy machte dann alle Chancen zunichte.
In seinen ersten beiden Formel 1 Jahren musste der Kolumbianer Juan-Pablo Montoya neben viel Lob auch einiges an Kritik über sich ergehen lassen. Die Vorwürfe seiner Kritiker, er „überfahre“ sein Auto regelmäßig und mache durch seine aggressive Fahrweise zahlreiche Fehler hielten sich hartnäckig. Außerdem wurde ihm vorgehalten, er würde nur mit großen Sprüchen glänzen, wäre aber nicht aus dem Holz eines Champions geschnitzt.
Ganz anders sieht das natürlich der Mann aus Bogota selbst, der sich zu Beginn der Saison allerdings vorsichtig gab: „Ich glaube immer an die Möglichkeit zu gewinnen. Das ist der Grund, warum ich in der Formel 1 aktiv bin. Mein letzter Sieg datiert auf September 2001 - ich bin hungrig. Ich will GP gewinnen und hoffe, dass ich die technischen Möglichkeiten dazu habe.“
Nach den ersten Testfahrten mit dem BMW Williams FW25 sah es allerdings nicht so aus, als ob Montoya 2003 die technischen Möglichkeiten hätte, um Rennen zu gewinnen. Bei Williams versuchte man dennoch, Ruhe zu bewahren. Kryptische Meldungen von Williams Ingenieuren, wie „Wir haben heute wieder einiges über den FW25 gelernt“ oder „Unser Rückstand ist normal für ein brandneues Auto“ standen an der Tagesordnung. Während Teamkollege Ralf Schumacher seinem neuen Arbeitsgerät vorschnell das Vertrauen entsagte, stellte sich Montoya von Anfang an hinter das neue Konzept. Montoya kam mit dem schwer zu bändigenden Auto auch auf Anhieb besser zu Recht als Ralf Schumacher.
Beim Saisonauftakt in Melbourne zeigte sich Williams dann nach erfolgreicher Entwicklungsarbeit gegenüber den Testfahrten deutlich verbessert. Montoya hatte sogar alle Trümpfe auf seinen zweiten Grand Prix-Sieg in der Hand, als er kurz vor Rennende die Kontrolle über seinen Boliden verlor und nach einem Dreher den Reifenstapel berührte. Mit viel Glück konnte er sein Auto aber wieder in Gang setzen und überquerte als Zweiter die Ziellinie. Nach dem Rennen nahm Montoya den Fehler auf seine Kappe: „Ich bin ausgerutscht, als ich aus der ersten Kurve heraus beschleunigen wollte. Das war allein meine Schuld, immerhin mein einziger Fehler an diesem Wochenende!“ Teamkollege Ralf Schumacher brachte keinen Fuß auf den Boden und wurde enttäuschender Achter.
In der Hitze von Malaysia lief es für Montoya und Williams allerdings nicht mehr so gut wie in Down-Under. Im Qualifying erreichte Montoya nur Rang acht, platzierte sich aber immerhin neun Positionen vor seinem Teamkollegen. Das Rennen musste er dann schon in der zweiten Kurve mehr oder weniger aufgeben, als Jaguar-Pilot Pizzonia den Heckflügel des Kolumbianers abrasierte, was einen langen Reparaturstopp nach sich zog und jegliche Chancen auf Punkte zunichte machte.
Der Grand Prix von Brasilien gilt für Montoya als halber Heim-Grand Prix, da jedes Jahr zahlreiche Kolumbianer auf den Rängen für Stimmung sorgen. Deshalb rief er einen Wettbewerb ins Leben, der Kindern die Möglichkeit gab, speziell für den Grand Prix von Brasilien ein neues Helmdesign zu entwerfen. Die Gewinner durften sich das Geschehen aus der Williams-Box anschauen und mit Juan-Pablo zum Abendessen gehen. Der Grand Prix selbst verlief für Montoya alles andere als zufrieden stellend. Obwohl er sogar kurzzeitig in Führung lag, wurde auch er ein Opfer des Regens und schlitterte in die Reifenstapel. Teamkollege Ralf Schumacher erging es auch nicht besser. Er wurde enttäuschter Neunter und blieb ohne WM-Punkte.
Beim Europaauftakt in Imola schien sich das Blatt zu wenden. Das Handling des Williams schien wieder etwas verbessert, und vor allem Ralf Schumacher konnte davon profitieren. Obwohl Mutter Schumacher im Sterben lag, stellte Ralf seinen Williams neben Bruder Michael in die erste Startreihe. Montoya, der Vierter wurde, reagierte leicht irritiert: „Ich kann die Gedankengänge der Schumacher-Brüder nicht nachvollziehen. Nach dem 11. September 2001 sagten sie nach dem Grand Prix von Italien in Monza, dass sie Probleme damit hatten, die Konzentration zu bewahren – aber wenn ihre eigene Mutter stirbt, stellen sie ihre beiden Autos in die erste Startreihe...“ Auch im Rennen kämpfte Ralf Schumacher um den Sieg und wurde letztlich Vierter, während Montoya ein eher farbloses Rennen auf Rang sieben beendete. Sein Endergebnis wurde aber auch von Problemen mit der Tankanlage, die sogar einen zusätzlichen Boxenstopp erforderten, beeinträchtigt.
In Spanien kamen dann die aerodynamischen Mängel des Williams Chassis zum Vorschein. Vom enttäuschenden neunten Startplatz ins Rennen gegangen, konnte Montoya immerhin für Schadensbegrenzung sorgen und lenkte seinen Boliden auf den vierten Endrang. Teamkollege Ralf Schumacher, der zwei Positionen vor dem Kolumbianer ins Rennen gegangen war, hatte einen Ausrutscher zu verzeichnen und wurde Fünfter. In Österreich lief es dann wieder etwas besser. Beim vorläufig letzten Formel 1 Gastspiel in der Steiermark kämpfte Montoya nach Rang drei im Qualifying sogar um den Sieg. Rundenlang lag er in Führung und kontrollierte das Tempo, ehe sich alle Träume vom zweiten Grand Prix-Sieg wieder einmal in Rauch auflösten.
Trotzdem sah Montoya die positiven Aspekte und reagierte abgeklärt: „Die Jungs haben an diesem Wochenende alle einen großartigen Job gemacht. Ich bin nicht sauer – that’s racing. Vom Start weg lief bei uns alles wie am Schnürchen. Sogar als es zwischenzeitlich kurz etwas nieselte, konnte ich pro Runde zwei Sekunden auf Michael aufholen. Das zeigt ganz klar, was der FW25 leisten kann. Das Team arbeitet in die richtige Richtung, und die Michelin-Reifen haben gut funktioniert. Immerhin fahren wir mit dem Bewusstsein nach Hause, dass wir ein Rennen hätten gewinnen können."
Montoyas Optimismus war nicht unberechtigt und seine Durchhalteparolen wurden zwei Wochen später mit einem Sieg beim Klassiker von Monte Carlo belohnt. Mit einer klugen Strategie konnte er an Ralf Schumacher vorbeigehen und den Attacken von Kimi Räikkönen standhalten. Dementsprechend gelöst war seine Stellungnahme nach dem Rennen: „Es war ein Traumtag! Das Auto war gut, die Reifen waren gut, und das Team hat Großartiges geleistet. Ich kann es noch gar nicht glauben. Ein Sieg in Monaco ist wirklich etwas Besonderes, es gibt nichts Vergleichbares in der Formel 1. Schon eher passt der Vergleich mit den Indy500. Ich bin das erste Mal in der Formel 1 in Monaco ins Ziel gekommen und habe gleich gewonnen!"
Der Grand Prix von Monaco läutete eine Trendwende bei BMW-Williams ein. Hinter den Kulissen wurde schon längst über die Verlängerung der deutsch-englischen Partnerschaft verhandelt und Montoyas Sieg schien die Verhandlungen noch einmal forciert zu haben. Auch der Grand Prix von Kanada stellte die verbesserte Konkurrenzfähigkeit von BMW-Williams unter Beweis. Im Nachhinein sieht Montoya seinen dritten Rang hinter Michael und Ralf Schumacher jedoch mit Sicherheit alles andere als positiv. Ein Dreher in der zweiten Runde nahm ihm alle Chancen auf den Sieg, welcher durch seine hervorragende Pace im Bereich des Möglichen gelegen hätte.
Beim ersten BMW-Heimspiel auf dem Nürburgring zeigte Teamkollege Ralf Schumacher, in welch hervorragender Form er sich befand. Der Deutsche gewann vor Montoya. Doch auch der Kolumbianer sorgte mit seinem atemberaubenden Überholmanöver gegen Michael Schumacher in der Dunlop-Kehre für ein Highlight des Rennens: „Ich habe spät gebremst und Michael genug Platz gelassen, um innen um die Kurve herumzukommen. Wir haben uns berührt, er hat sich gedreht. Es war ein Rennunfall. Ich gebe aber zu, dass es viel Spaß gemacht hat, Michael bei seinem Heimrennen zu überholen.“
Magny Cours zeigte ein ähnliches Bild wie der Nürburgring. Wieder war Ralf Schumacher stärker als Montoya. Im Rennen kam es zwischen den beiden Teamkollegen zu einer heiklen Situation, als sich Montoya entschied, eine Runde früher als geplant an die Box zu gehen, um Ralf, der auf Nachzügler auflief, zu überholen. Doch der Kerpener machte es Montoya nach, und kam früher als geplant zum Boxenstopp. Montoya beschwerte sich über Schumachers Manöver und fluchte, bis Technik-Chef Patrick Head Klartext sprach: "Schumacher kann tanken, wann er will!" Wie schon am Nürburgring kamen die beiden BMW-Williams Piloten auf den Rängen eins und zwei ins Ziel.
Die Differenzen im Williams Team nach dem Grand Prix von Frankreich führten dazu, dass Montoya ab Silverstone ein zusätzlicher Renningenieur zur Seite stand. Plötzlich schien es auch wieder besser zu laufen. Beim chaotischen Grand Prix von Silverstone war der Kolumbianer in seinem Element und begeisterte mit zahlreichen Überholmanövern, nachdem er durch die Safety-Car Phase auf Rang dreizehn zurück geworfen worden war: „Das war das aufregendste Rennen der Saison, es hat riesig Spaß gemacht. Ich bin ganz zufrieden mit unserer Leistung heute, wir konnten mit Ferrari mithalten. Mein Auto war gut, ich kann mich über nichts beschweren und freue mich, dass ich vom 13. auf den zweiten Platz aufholen konnte.“
Der Grand Prix von Silverstone war auch der Beginn der Transfergerüchte um Juan Pablo Montoya. Angeblich unterschrieb Montoya in England einen Vertrag bei McLaren für das Jahr 2005. In den nächsten Monaten sollten auch Gerüchte über einen verfrühten Wechsel bereits 2004 durch die Gazetten spuken, doch nach Ende der Saison erklärte Montoya, dass er die Saison 2004 mit BMW-Williams bestreiten werde.
In Hockenheim zeigte Montoya dann die nächste Glanzleistung. Mit der Pole-Position, der schnellsten Runde und dem Sieg mit dem größten Vorsprung der gesamten Saison (über eine Minute auf David Coulthard) schaffte er den Hattrick. Außerdem revanchierte er sich für den verlorenen Sieg von 2001, als er in Führung liegend mit einem Motorschaden aufgeben musste. Da sich seine Hauptkonkurrenten entweder in Kurve eins selbst terminierten oder mit Reifenproblemen zu kämpfen hatten, lag Montoya plötzlich auf Rang zwei der Weltmeisterschaftswertung mit nur sechs Punkten Rückstand auf den Führenden Michael Schumacher.
Der Grand Prix von Ungarn war bisher so etwas wie Montoyas Stiefkind, doch im Vergleich zu den letzten Jahren zog sich der Südamerikaner in dieser Saison recht beachtlich aus der Affäre. Nach einem miserablen Start auf der schmutzigen Seite der Start-Ziel Geraden konnte er bei den Boxenstopps Boden gut machen. Auch ein Dreher kurz vor Rennende hatte keine gravierenden Folgen und er beendete das Rennen auf Rang drei, knapp vor Ralf Schumacher. WM-Konkurrent Michael Schumacher musste sich mit nur einem WM-Punkt zufrieden geben. Damit lag Montoya in der Gesamtwertung nur mehr einen Punkt hinter dem Deutschen, während der Finne Kimi Räikkönen bis auf einen Punkt an Montoya herangekommen war.
Nach dem Grand Prix von Ungarn griff die FIA erstmals in die Weltmeisterschaft ein. Ferrari beschwerte sich über die angeblich irregulären Michelin-Reifen und die FIA reagierte mit einer Veränderung des Regelwerks. Ab Monza wurde die Reifenbreite anstatt vor Rennbeginn nach Ende des Rennes gemessen, da die Michelin Pneus bei längerer Verwendung an Breite gewonnen haben sollen. Damit war es auch mit der Überlegenheit von BMW-Williams vorbei. Das Bridgestone-bereifte Ferrari Team konnte außerdem durch das Ende des Testverbots mit neuen Teilen aufwarten und kehrte zu alter Konkurrenzfähigkeit zurück.
Im Qualifying zum Grand Prix von Italien musste sich Montoya um fünf Hundertstel-Sekunden gegenüber Michael Schumacher geschlagen geben. Im Rennen begeisterte er dann mit einer frühen, unerwarteten Attacke und setzte sich neben Schumacher, doch der Ferrari beschleunigte besser aus der Variante Della Roggia. Im Laufe des Rennens konnte Montoya das Tempo Schumachers halten, doch gegen Ende verlor er beim Überrunden Zeit und gab sich geschlagen.
Der Grand Prix von Indianapolis entwickelte sich für Juan-Pablo Montoya zu einem Albtraum. Nachdem er zu Beginn des Rennens hinter Hauptkonkurrent Schumacher zurückgefallen war, nutzte er die gute Leistung seiner Michelin-Reifen bei leichtem Regen, um Boden gut zu machen. Ausgerechnet eine Kollision mit seinem Freund Rubens Barrichello läutete dann eine ganze Reihe von unglücklichen Umständen ein. Die Rennleitung entschied, dass Montoya den Unfall hätte vermeiden können und brummte ihm eine Drive-Through Strafe auf. Damit schwammen auch Montoyas WM-Chancen davon. Gerade als Montoya an die Boxen kam, um seiner Strafe nachzukommen, setzte heftiger Regen ein und der Kolumbianer verlor viel Zeit, da er noch eine Runde mit Trockenreifen absolvieren musste.
Auch nachdem er endlich zum Boxenstopp hereinkommen konnte, verlor er weiterhin an Boden auf Schumacher, der vom Vorteil der Bridgestone-Reifen bei nassen Bedingungen profitierte. Montoya beendete das Rennen schwer enttäuscht auf Rang sechs und verließ sofort nach Ende des Rennes das Fahrerlager: „Ich habe die Strecke so schnell verlassen, weil ich rasend war. Alles was ich gesagt hätte, hätte mich wohl in Probleme gebracht. Ich war so aufgebracht. Das, was passiert ist, war ein großer Schlag. Ich habe zwei Tage gebraucht, um mich wieder zu beruhigen und zu akzeptieren, dass alles vorbei ist. Ohne die Strafe wäre ich vielleicht Zweiter oder Dritter geworden. Dann läge ich fünf oder sieben Punkte hinter Michael Schumacher und könnte noch mitspielen.“
Das Saisonfinale in Suzuka machte Montoya jedoch trotz seiner verlorenen WM-Chancen spannend, als er in der Anfangsphase Barrichello überholte und die Führung an sich riss. Doch auch dieses Mal war ihm das Glück nicht hold und er musste sein Auto in Führung liegend abstellen. Trotzdem nahm er den Ausfall gelassen und konnte der Situation sogar etwas Positives abgewinnen: „Der Ausfall ist schade. Unser Auto war das ganze Jahr über sehr zuverlässig, und WilliamsF1 und BMW haben enorm viel Einsatz gebracht.
Aber Enttäuschungen gehören zum Sport. Im Nachhinein bin ich irgendwie froh, dass ich heute nicht um die Fahrer-WM fuhr. Auf diese Art den Titel zu verlieren, wäre sehr hart gewesen. Wenn ich auf die Saison zurückblicke, bin ich äußerst zufrieden mit meiner Arbeit. Ich habe aus dem Vorjahr viel gelernt und bin als Fahrer gereift.“
Juan-Pablo Montoya beendete die Saison 2003 mit einer Pole-Position, zwei Siegen und 82 Punkten auf Rang drei der WM-Endwertung.
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