
24h Le Mans 2010 | 13.06.2010
Audi gg. Peugeot 3:0, GT2-Sieg für Lietz!
Richard Lietz holt sich seinen zweiten Klassensieg bei den 24h von Le Mans - Audi kommt dank Peugeots Technik-Pech zu dreifachem Erfolg.
Johannes Gauglica
In Le Mans lagen heuer die Nerven blank: Die Protagonisten erlaubten dem Publikum einige seelische Einblicke. Wolfgang Ullrichs Ausbruch in Richtung Charly Lamm; Anthony Davidsons offene, und letztlich ehrliche, Aussagen über die Mentalität des Rennfahrens; Reinhold Joests unverblümte Schadenfreude; und letztlich die Tränen im Peugeot-Lager.
Olivier Quesnel schämte sich seiner Tränen nicht, Orecas Teamchef Hughues de Chaunac spendete ihm Trost. Kurze Zeit später waren die Vorzeichen umgekehrt – denn auch beim letzten verbliebenen Peugeot schlug der Technikteufel zu. Das Viererteam von Peugeot war ausgelöscht.
Zu heiß?
Zumindest bei den Ausfällen des Wurz-Autos und des Oreca-908ers waren die Vorzeichen sehr ähnlich, auch der Infarkt des Zweier-Peugeot weist Ähnlichkeiten auf. Beide Autos fielen Motorschäden kurz nach einem Boxenstop zum Opfer.
Die Mutmaßung ist, dass durch das gnadenlose Tempo der Peugeot auf ihrer Aufholjagd die Triebwerke beim Boxenstop (von Vollgas auf Null) überhitzten und dann bei erneuter Beanspruchung (Null auf Vollgas) den Geist aufgaben.
Damit beendet kein einziges Auto des Titelverteidigers das heurige Rennen, Audi fährt trotz Unterlegenheit auf der Strecke einen Dreifachsieg ein - und das mit neuem Distanzrekord. Die Zuverlässigkeit hat heuer entschieden. Es war vielleicht nicht der Klassiker, den wir uns erhofft haben, aber jedenfalls eine Hochschaubahn der Gefühle.
Bereits 2000 und 2004 konnte Audi einen Dreifachsieg feiern, aber der heurige ist zweifelsohne der wertvollste, denn heuer hatte man echte Gegner. Audi hat am Weg zu diesem Resultat ohne Zweifel einige "technische Hilfe" von Peugeot bekommen; aber mit einem pro Runde bis zu fünf Sekunden langsameren Auto einen Dreifachsieg nach Hause zu bringen, ist eine bemerkenswerte Leistung.
Die Sieger: Mike Rockenfeller/Timo Bernhard/Romain Dumas vor Andre Lotterer/Marcel Fassler/Benoit Treluyer und Tom Kristensen/Dindo Capello/Allan McNish.
Nach 23 Stunden gab auch der V12-Motor des Aston Martin Nr. 009 den Geist auf. Im letzten Jahr der aktuellen LMP1-Autos wurden die Benziner schmachvoll geschlagen, es wird wirklich Zeit für ein neues Reglement mit mehr Chancengleichheit.
Bester Benziner heuer wird der Oreca-AIM von Soheil Ayari/Didier Andre/Andy Meyrick auf Gesamtrang 4, mit 28 Runden Rückstand – wegen der hohen Ausfallquote bei den Dieseln.
LMP2 und GT1
Die sonst so defektanfällige Klasse LMP2 war heuer die quasi zuverlässigste, nur zwei Autos gingen tatsächlich verloren. Es gab aber einige „Schwerverletzte“, die sich mit halber Kraft Richtung Ziel schleppten; darunter auch der amerikanische Highcroft-Acura.
Damit war die einzige echte Opposition für das Team Strakka Racing kein Thema mehr, und in unerwartet überzeugender Manier holen sich Danny Watts, Jonny Kane und Nick Leventis den Klassensieg und Gesamtrang 5.
Knapp war die Entscheidung nicht, das zweitplatzierte Team Oak Racing (Matthieu Lahaye/Guillaume Moreau/Jan Charouz) mit dem Pescarolo-Judd hat sechs Runden Rückstand. Gar neun Runden haben die Dritten bekommen, Tommy Erdos/Mike Newton/Andy Wallace vom Team RML können sich trotzdem freuen.
GT1 war heuer die Klasse der Verdammten, nur drei Autos schleppen sich ins Ziel – 2010 wird es nur noch eine GT-Kategorie geben, und das ist gut so. Der gute alte Saleen S7-R von Larbre Competition, ein zehn Jahre altes Design, holt sich somit bei der letzten Gelegenheit den ersten Klassen-Erfolg. Dieses Team hat im Vorfeld gegen den Wunsch seiner Konkurrenten, die italienische Einheits-Elektronik austauschen zu dürfen, ein Veto eingelegt; das hat sich offenbar ausgezahlt.
Stephane Gregoire/Jérôme Policand/David Hart bringen die letzte verbliebene Corvette im Feld (!) als Klassenzweite nach Hause. Und auf einem eher blassen 3. Klassenrang, als letztes verbleibendes GT1-Team, besuchen Christoffer Nygaard/Tomas Enge/Peter Kox mit dem werksunterstützten Aston Martin DBR9 die Siegerehrung.
Lietz gewinnt!
Damit zum erfreulichsten Resultat aus österreichischer Sicht, denn GT2 sieht den schönen Sieg von Richard Lietz und seinen Kollegen Marc Lieb und Wolf Henzler für das Team Felbermayr-Proton!Es ist der erste Erfolg für das deutsch-österreichische Team, und der zweite Erfolg für den Niederösterreicher. Das Team bringt beide Autos nach Hause, auch das ist eine Super-Leistung. Horst Felbermayr sen. & jun. mit ihrem Partner Miro Konopka bringen ihre Nr. 88 als Achte über die Linie.
Der beste Ferrari trägt nicht das erwartete Rot: Die Werksteams von AF Corse und Risi mussten sich den Privatiers von Farnbacher beugen. Vom Nürburgring nach Le Mans, mit demselben Auto – und auch hier holen Dominik Farnbacher/Alan Simonsen/Leh Keen einen 2. Platz. Und als Dritte, auf fünf Zylindern im Ziel, feiern die Rookies Timo Scheider, Marco Holzer und Richard Westbrook im BMS-Porsche einen unerwarteten Erfolg.
Platz 6 für den BMW M3 (und eine für alle Seiten peinliche Standpredigt von Wolfgang Ullrich) ist sicherlich nicht das, was sich Charly Lamm und seine Schnitzer-Truppe erwartet haben.
Neue Vorzeichen für 2011
Als einzige „Stars“ im Feld sehen Jean Alesi und Giancarlo Fisichella das Ziel, gemeinsam mit Toni Vilander sind sie die unbedankten Vierten; für Rookies dennoch ein schönes Ergebnis. Vielleicht sind Jean, Fisico und Nigel ja auf den Geschmack gekommen?Sie werden dann mit neuen Autos fahren, denn in allen Klassen ändert sich für 2011 einiges. Viele Details sind noch unklar, man muss auf die News der nächsten Wochen warten. Kritik hört man seitens der Rennwagenbauer beispielsweise an den "Fixpreisen" für die Rennwagen, die seien kommerziell nicht machbar, heißt es. Gibt es Präzisierungen, nimmt der ACO die eine oder andere Regelung zurück? Le Mans 2011 hat sozusagen bereits begonnen!