
24h Le Mans 2010 | 13.06.2010
Herr Doktor wird abgelöst
Bilanz des heiß umkämpften Rennens: Helmut Markos 39 Jahre alter Rekord wurde gebrochen - Stimmen der Sieger & Verlierer von Le Mans.
Um 14:42 Uhr war es soweit: Der Audi Nr. 9 ging in Runde 392, und war damit auf Kurs für einen neuen Distanzrekord im 24-Stunden-Rennen von Le Mans. Damit fällt die bisherige Bestmarke aus dem Jahr 1971.
Sie wurde von Dr. Helmut Marko und dem Niederländer Gijs van Lennep gehalten. Die beiden legten mit ihrem Porsche 917 eine Strecke von 5.335,313 Kilometern zurück. Seit damals hat sich die Strecke in einigen Punkten signifikant verändert; und sie ist einige hundert Meter länger.
Von 13,468 km ist die zurückgelegte Distanz pro Runde auf 13,629 km gewachsen. 392 Runden waren magische Zahl für die Einstellung des alten Rekordes. Der Siegerwagen legte noch fünf Runden drauf, damit steht die neue Bestmarke bei 5.410,713 Kilometern in 24 Stunden.
Die Crew Timo Bernhard/Romain Dumas/Mike Rockenfeller verewigt sich damit also auch in den Geschichtsbüchern. Kurios: Bernhard und Dumas arbeiten eigentlich als Werksfahrer für Porsche und waren sozusagen „Leiharbeiter“ bei der Konzernschwester Audi.
Und Mike Rockenfeller löscht mit dem Sieg seine Fehlleistung vom Rennen vor drei Jahren aus, als er sein Auto bei der ersten Gelegenheit in die Leitschienen legte. Zero to hero!
Weitere Zahlenspiele
Mit dem neunten Gesamtsieg zieht Audi in der ewigen Bestenliste mit Ferrari gleich. Die Italiener haben zuletzt im Jahr 1965 gewonnen, damals mit Jochen Rindt und Masten Gregory. Nur Porsche hat mehr Gesamtsiege in Le Mans aufzuweisen, nämlich sechzehn. Der letzt datiert allerdings auch schon wieder aus dem Jahr 1998.Zum 27. Mal hat ein deutsches Fabrikat in Le Mans gewonnen, aus französischer Sicht freut man sich zumindest über den 19. Sieg für den Reifenhersteller. Zum fünften Mal konnte ein Auto mit der Mittelstürmer-Nummer 9 gewinnen. Erstmals war dies 1925 der Fall, und zwar („Sie erinnern sich sicher, liebe Motorsportfreunde“) für die Herren Gérard de Courcelles und André Rossignol mit ihrem La Lorraine-Dietrich B3-6. Zum Vergleich: Die Streckenlänge betrug damals 17,262 km, denn man fuhr noch in die Stadt Le Mans selbst hinein. Die zurückgelegte Distanz des Siegers: 2.233,982 Kilometer.
1950 waren Louis und Jean-Louis Rosier mit ihrem Talbot Lago T26GS an der Reihe, neun Jahre später gab es den bislang einzigen Erfolg für Aston Martin durch Carroll Shelby und Roy Salvadori mit dem DBR1/300. Der letzte Erfolg für einen Neuner-Wagen liegt nicht weit zurück, nämlich nur ein Jahr. Vielleicht hat Alex Wurz beim nächsten Mal wieder die Nummer 9, die bringt ihm offenbar mehr Glück!
Und ein nächstes Mal wird es offenbar auch geben, wenn man den Worten von Peugeot-Sportchef Olivier Quesnel glauben darf: „Wir versuchen es 2011 wieder!“
Peugeot: Das Recht, enttäuscht zu sein
Aus den Worten des sieggewohnten Quesnel spricht deutlich die Enttäuschung:
„Wir sind mit vier Doppelsiegen in Folge hier angereist. Leider hat sich in Le Mans unser Glück gewendet und die Siegesserie ist gerissen. Ab Montag werden wir analysieren, was nicht funktioniert hat. Wir haben das Recht, heute enttäuscht zu sein. Aber ab morgen beginnen wir mit unserer Arbeit, denn wir wollen 2011 noch stärker zurückkehren. Wir haben gegeben, was wir konnten, doch wir wurden geschlagen.“
Die Motor- oder wahrscheinlich Turboschäden werden in den nächsten Wochen sicherlich Peugeot-intern ein gutes Gesprächsthema abgeben. Die Franzosen haben heuer erstmals ein anderes turbo-Fabrikat benutzt, bislang hatten sie denselben Ausrüster wie Audi. Aber dennoch: „Seit den Anfängen mit dem Peugeot 908 HDi FAP hatten wir nie derartige Motorprobleme“, bemerkt Technikchef Bruno Famin.
Quesnels bittere Bilanz: „Wir sind mit einem guten Tempo gegen eine starke Konkurrenz gestartet. Wir waren schneller als die Konkurrenten, doch wir waren weniger zuverlässig. Am Ende zählt der Sieg und nicht die Höchstgeschwindigkeit.“
Audi: Der schwierigste Sieg
Andere Töne klingen naturgemäß aus dem Statement von Audis Sportchef Wolfgang Ullrich:
„Ich bin davon überzeugt, dass es der bisher schwierigste Le-Mans-Sieg für Audi war. Wir hatten die stärkste Konkurrenz, die man sich vorstellen kann. Wir sind nicht optimal in das Wochenende gestartet, haben uns aber gemeinsam innerhalb kürzester Zeit ein sehr gutes Niveau erarbeitet. Wir haben unsere Strategie von Anfang an auf möglichst lange Stints ausgelegt und jede Möglichkeit, die sich geboten hat genutzt, über Effizienz und Zuverlässigkeit unser Ziel zu erreichen. Alle Fahrer haben eine tolle Leistung gezeigt und diesen historischen Dreifachsieg für Audi nach Hause gefahren. Auch das Team hat perfekt gearbeitet. Danke an alle, die dieses Traumergebnis für Audi möglich gemacht haben!"
Und das sagen die Sieger, allen voran Timo Bernhard: „Es ist unglaublich! Als Kind war es schon immer mein Traum, Le Mans überhaupt einmal zu fahren. 2002 habe ich die GT-Klasse gewonnen, das war schon einmal ein erster Schritt in Richtung meines großen Ziels, dem Gesamtsieg. Dass ich das mit 29 Jahren so früh schon geschafft habe, kann ich noch gar nicht so richtig begreifen. Es ist ein Wahnsinn! Es wird wohl noch ein, zwei Tage dauern, bis sich das richtig entfaltet. Wir hatten ein super Rennen ohne jegliche Probleme am Auto. Der Audi R15 TDI ist perfekt gelaufen. Mike (Rockenfeller), Romain (Dumas) und ich haben von Anfang an Druck gemacht. Das hat sich ausgezahlt. Zum Schluss wurde es mit dem Peugeot noch etwas eng. Ich bin aber der Meinung, wir hätten das Ding so oder so heimgeschaukelt - denn über die Distanz hatten wir einfach das richtige Package.“
Romain Dumas: „Dieser Tag ist schwer zu beschreiben. Ich war sicher, dass es eine Chance auf den Sieg gab. Auch wenn sie noch so klein war. Und es ging an diesem Wochenende nicht allein um die Fahrer. Ich danke dem Team, den Mechanikern und Ingenieuren dafür, dass alles toll war. Danke auch an meine Teamkollegen. Wir haben alle Informationen untereinander geteilt. So wurde uns im Rennen geholfen. Das war sehr wichtig. Die Intelligenz der Mannschaft war auffallend. Alle arbeiteten zusammen, keiner hat einen Fehler gemacht. Das hat sich am Ende ausgezahlt. Nun haben wir den Pokal zurückgewonnen, und das war das Ziel. Ich bin sehr zufrieden.“
Und Mike Rockenfeller: „Es ist einfach unglaublich. Ich bin überwältigt. Einmal in Le Mans zu gewinnen, das war immer mein großer Traum, mein Ziel. Anfangs war es für mich bei Audi etwas schwierig. Jetzt bin ich dankbar, dass sie das Vertrauen hatten und an mich geglaubt haben. Endlich habe ich es geschafft zu gewinnen, zusammen mit Timo (Bernhard) und Romain (Dumas). Vielen Dank an alle. Vielen Dank an Audi, das Team Joest, unsere Crew. Toll!“