RALLYE

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Ein unvergessliches Erlebnis

Motorline-Chefredakteur Stefan Schmudermaier feierte seine Co-Piloten-Premiere neben Sepp Pointinger, mit allen Höhen und Tiefen, die der Sport so mit sich bringt.

Bereits vor einigen Monaten wurde vereinbart, dass ich mit Sepp Pointinger im Ford Escort MK1 RS 2000 die Herbstrallye bestreiten werde. Das besondere an diesem Einsatz ist nicht nur meine Premiere auf dem heißen Sitz, sondern auch die Tatsache, dass der Escort mit Bio-Ethanol betrieben wird.

So weit, so gut, der Termin lag ja in weiter Ferne, aufgeregt war ich – noch – nicht. Doch irgendwie war der Sommer sehr kurz und auch der September verging wie im Flug und plötzlich stand das Herbstrallye-Wochenende vor der Türe.

Nervosität? KEIN Fremdwort...

Und ich kann es nicht leugnen, je näher der Termin kam, desto größer wurde meine Aufregung. Kann ich als Vertreter der schreibenden Zunft IM Rallyeauto bestehen? Werde ich den Ansprüchen eines absoluten Rallye-Profis gerecht? Wie schaut es mit dem Schrieb aus? Was, wenn mir schlecht wird?

Fragen über Fragen, auf die ich vorab keine Antworten finden konnte. Eine Woche vor der Rallye traf ich Sepp und Gertrude Pointinger in Mauerbach. Dabei wurden nicht nur die Formalitäten erledigt, sondern es erfolgte auch eine Grundeinschulung von Gerti in die hohe Kunst des Beifahrens.

Und da hätte ich mir keine bessere Lehrerin wünschen können, mit ihrer Hilfe wurde schließlich auch der Schrieb erstellt, eines der grundlegenden Dinge für den Erfolg bei einer Rallye. Nachdem ich intus hatte, was es mit „Links 4 – 100 – Kuppe gerade – Achtung! – Rechts 2 usw.“ auf sich hatte, war ich einigermaßen beruhigt. Wolfgang "Asterix" Viakowsky borgte mir dankenswerterweise seinen Rennanzug, gar nicht leicht mit 192cm jemanden in ähnlicher Größe zu finden.

Am Freitag vor der Rallye traf ich Sepp dann gleich in der Früh in Leiben bei der administrativen Abnahme. Nachdem alle Formulare ordnungsgemäß ausgefüllt wurden, ging es zur Besichtigung auf die insgesamt vier Sonderprüfungen. Normalerweise besichtigen Sepp und Gerti mit dem Zugfahrzeug des Rallyeautos – sprich einem Ford Transit – dieses Mal musste ich natürlich den „Männerreise-Volvo“ ins Spiel bringen.

Besichtigung im Volvo 740

Der Schwede machte seine Sache auf den kurvenreichen Rallyepfaden sehr gut, der Schrieb wurde verfeinert, ich übte mich beim Ansagen der Kurven beim insgesamt dreimaligen Befahren der Prüfungen. Zwischendurch ist der Co-Pilot auch auf den Verbindungsetappen gefordert, den richtigen Weg zu weisen, das Roadbook hilft dabei.

Ich habe relativ schnell den Rhythmus gefunden, im Hinterkopf allerdings die Tatsache, dass im Rallye-Speed die Welt natürlich ganz anders aussehen könnte, vor allem bei den schnellen Passagen. Zwischendurch wurde noch schnell die technische Abnahme erledigt, ohne Troubles. Erschöpft aber zufrieden nahmen wir noch am offiziellen Abendprogramm im Schloss Leiben teil, dann ging’s zu Bett.

Ich gebe zu, ich habe schon einmal besser geschlafen, am Bett lag es wohl nicht… Der nächste Tag brachte immerhin wettertechnisch einen Vorteil, der Regen war zu Ende, die Prüfungen freilich noch feucht. Der Escort wurde im Service mit Bio-Ethanol betankt, die Spannung wie sich der Alternativ-Treibstoff im echten Renneinsatz schlagen würde, war hoch.

Der Hundeknochen-Escort fährt mit Bio-Ethanol!

Sepp Pointinger hat das weitgereiste Rallye-Auto – zuletzt war der „Hundeknochen“ bei der East African Safari 2007 im Einsatz – nur leicht für den Ethanol-Einsatz modifiziert. Unter anderem wurde der Motor durch größere Düsen, mehr Kompression und mehr Vorzündung Bio-Ethanol tauglich gemacht. Bio-Ethanol kostet derzeit übrigens nur knapp unter einem Euro pro Liter. Angesprungen ist der alte Herr sofort, wir haben uns auf dem Weg zur ersten SP gemacht.

Vorher galt es gleich die erste Zeitkontrolle zu passieren, diese Dinge haben mir zugegeben auch Respekt eingeflößt. Denn wie oft hat man als Journalist schon davon gehört, dass Teams durch falsches Stempeln satte Zeitstrafen ausgefasst haben… Doch Sepp ist nicht nur routiniert sondern auch ein absoluter Ruhepol im Auto, unter seiner Anleitung war auch das korrekte Passieren der ZK kein Problem.

Der Weg zum Start der ersten SP war ein Weg mit gemischten Gefühlen. Wie schaut die SP im Renntempo tatsächlich aus? Würde ich den Schrieb fehlerfrei vorlesen können? Was, wenn mir schlecht wird… Vom Vorstart zum Start, drei Minuten Zeit, mächtig nervös zu werden. Aber als wir dann dran waren, war die Nervosität eigentlich so gut wie vorbei.

Noch einmal überprüfen ob der Helm fixiert ist und die Gurte stramm sitzen, dann erfolgte der Countdown auf der Anzeigetafel. Exakt beim Sprung von 1 auf 0 gab Sepp dem Escort die Sporen und es ging dahin. Schnell versteht man die Faszination, die der Rallyesport mit sich bringt, sowohl für Fahrer als auch Beifahrer.

Ans Schlechtwerden verschwendet man jedenfalls keine Gedanken mehr, zu sehr ist man aufs Ansagen konzentriert, zu viel Adrenalin schüttet der Körper in diesem Moment aus. Sepp lässt den Bioethanol-Oldie fliegen, ich habe einen guten Rhythmus und sage ihm die Kurven zum richtigen Zeitpunkt an. Das Lob nach der SP von meinem Piloten ist natürlich Balsam für die Seele, ich freue mich schon auf SP2.

Große Freude macht es auch, aus dem Augenwinkel heraus die Fans zu beobachten, wie sie dem driftenden Escort zujubeln, irgendwie kann ich noch gar nicht glauben, dass ich nun Teil des Ganzen bin, ein tolles Gefühl!

Auftakt nach Maß: Zweit- und drittbeste SP-Zeit!

Zehn Autos stehen in der „Klasse 16 Historische Fahrzeuge über 1.600 bis 2.000 ccm“ am Start, wir fahren gleich einmal die drittbeste Zeit – und das bei meiner ersten Rallye! Dass Sepp mit mir nicht spazieren fährt wird auch deutlich, wenn man einen Blick auf die Leistung unseres Ford Escort wirft. Geschätzte 130 PS, mit Bioethanol noch etwas weniger. In Sachen Leistung haben uns viele der Konkurrenten etwas voraus.

Am Vormittag habe ich mir über Zeiten noch nicht den Kopf zerbrochen, ich wollte nicht, dass ich doch noch nervös werde. Somit wusste ich auch nicht, dass wir auf der zweiten Sonderprüfung noch einmal schneller waren und die zweitbeste Zeit in den schmierigen Asphalt gebrannt haben!

Eigentlich wollten wir ja nur aufzeigen, dass man auch ein historisches Auto mit Vergaser auf Bioethanol-Betrieb umrüsten und damit schnell fahren kann. Dass wir an der Spitze der Historischen mitmischen würden, hatten wir nicht erwartet.

"Schluckauf" in SP3, massive Troubles in SP4

Auf SP3 gab einmal mehr das Duo Roland Spazierer / Wolfgang Scheitz das Tempo an, dahinter ging es knapp zur Sache. Zirka bei Hälfte der SP „verschluckte“ sich unser Ford Escort ein paar Mal, lief dann aber doch wieder. Ein paar Sekunden waren schnell verloren, die fünftbeste Zeit war die Folge.

Das war aber noch gar nichts im Vergleich zu den Problemen, die uns auf SP4 ereilten. Kurz vor der Hälfte der SP begann der Motor zu stottern und ging aus. Das Triebwerk sprang dann wieder an, nach wenigen Metern war der Vortrieb aber neuerlich zu Ende. Die Vermutung lag nahe, dass es ein Problem an der Treibstoffzufuhr gibt, wir kämpften uns mühsam und langsam aus der Prüfung, verloren über 15 Minuten…

Dann lag die Etappe ins Service vor uns, jede Steigung war eine Qual, immer wieder mussten wir warten, bis wieder ein bisschen Sprit zum Motor befördert wurde, um wieder ein paar Meter zurück zu legen. Die Zeitkontrolle wurde viel zu spät erreicht, die dort aufgegabelte Strafzeit war nach dem heftigen Zeitverlust in der Prüfung aber auch schon egal…

Immerhin, wir schleppten uns bis ins Service und waren noch mit von der Partie! Dort wurde schnell der Filter zwischen Tank und Benzinpumpe als Übeltäter ausgeforscht, Sand hatte ihn verstopft. Vermutlich ein Überbleibsel der Safari-Rallye, Pech.

Comeback nach dem Mittags-Service

Nach dem Mittagsservice gingen wir aber voll motiviert in die erste Nachmittags-Prüfung, Sepp war auf der 5. SP abermals sehr flott unterwegs, neuerlich gab es die drittbeste SP-Zeit für uns. Dann ging es zur 6. SP, mit knapp 20 Kilometern auch zugleich die Königsprüfung der Herbstrallye Leiben. Der Start verzögerte sich, dutzende Autos standen vor der Zeitkontrolle.

Rechts drei auf Schotter - und Aus...

Nach etwa 20 Minuten war es dann so weit, wir nahmen SP 6 in Angriff. Nach wenigen Kurven folgte eine „Rechts drei auf Schotter“ am Anfang eines Waldes, es sollte die letzte Kurve unseres Herbstrallye-Einsatzes sein… Der Escort brach hinten aus, Sepp korrigierte. Um ein Haar hätte es auch geklappt, doch der Hundeknochen rutschte nicht nur mit dem Hinterteil sondern auch mit dem Vorderwagen über die Böschung, SCH…

Danach waren wir nur noch Passagiere, subjektiv rutschten wir wie in Zeitlupe in den Wald. Das hohe Gras verschwand unter der Motorhaube, ein wirklich harter Einschlag blieb nicht zuletzt wegen des nicht übermäßig hohen Tempos aber zum Glück aus. Sepp und ich blieben unversehrt, vom Escort kann man das leider nicht ganz behaupten, vor allem die Frontpartie hat doch deutliche Spuren abbekommen…

Meine Aufgabe war es nun, mit dem grünen OK-Schild die nachfolgenden Teams zu informieren, dass wir in Ordnung sind. Fast alle gingen deutlich vom Gas, dennoch erwischte es später in der Prüfung vier weitere Teams, nachdem ein Auto die Strecke blockierte, musste die SP abgebrochen werden.

Wer Sepp Pointinger kennt, der kann sich an seinen letzten Ausrutscher vermutlich gar nicht mehr erinnern, mein erster Gedanke war folglich, ob der Ausritt durch einen Fehler in meiner Ansage verursacht wurde. Es wäre ein Leichtes gewesen, einen Newcomer wie mich für den Fehler verantwortlich zu machen, keiner in der Rallye-Szene hätte daran gezweifelt, ich auch nicht.

Sepp: Es war mein Fehler...

Doch Sepp Pointinger nahm den Fehler auf seine Kappe, ich könne nichts dafür. Auch einem absoluten Profi kann einmal ein Ausritt passieren, davor ist auch ein Sebastien Loeb nie gefeit. Und genau das macht diese Spitzenpiloten menschlich, wenngleich mir Sepp wirklich leid getan hat. Aber man kann ihm keinen Vorwurf machen, schließlich hat er mir gleich bei der ersten Rallye alle Höhen und Tiefen des Sports gezeigt, von Spitzen-SP-Zeiten über technische Troubles bis hin zu einem Ausritt…

Ein großartiges Erlebnis war die Fahrt auf dem heißen Sitz aber in jedem Fall, nur wer dort einmal bei einer Rallye Platz genommen hat der weiß, was die Teams leisten. Und das gilt für alle, egal ob im neuesten EVO an der Spitze oder im Volvo am Ende des Feldes. Mein Respekt vor der Szene ist noch einmal gehörig gestiegen, Hut ab!

Und last but not least: Danke Gerti und Sepp für Eure tolle Unterstützung!!!

Auf www.motorblog.cc sind die direkten Eindrücke nachzulesen!

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