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ERC/ORM: Jännerrallye 2014

„Nach vierzig Jahren muss einmal Schluss sein!“

Dr. Helmuth Czeckal (Volkswagen Motorsport Austria) hört auf. Im Interview blickt er zurück auf 40 Jahre Rallyesport. Letzter Wunsch: „Gauner hinter Gitter!“

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Volkswagen Motorsport Austria

Bei Volkswagen Motorsport Austria steht der VW Polo S2000 aufgebockt, die Mechaniker wieseln fleißig um den Wagen, um ihn für den zweiten Rallyetag vorzubereiten. Jungpilot David Glachs und sein Co-Pilot Daniel Föissner sprechen mit den Fans…

Im Zelt sitzt Dr. Helmuth Czeckal. Er wollte seinen VW Polo S2000 noch einmal in Action sehen, er gab dem jungen Lokalmatador David Glach die Chance, zum ersten Mal ein S2000-Fahrzeug zu pilotieren – danach, so sagt er, ist Schluss.

Nach 40 Jahren Motor- respektive Rallyesport sperrt der Gemeindearzt von Lasberg im Mühlviertel das Volkswagen Motorsport Austria Team zu. Eine gewisse Wehmut ist zu verspüren…

motorline.cc hat mit Dr. Helmuth Czeckal noch einmal die 40 Jahre im Zeitraffer Revue passieren lassen und den Förderer vieler Piloten um eine Bestandsaufnahme gebeten….

Die erste Frage, die einem in den Sinn kommt: Ist das jetzt wirklich das letzte Mal?

Ja, das ist hundertprozentig die letzte Rallye – nach vierzig Jahren muss einmal Schluss sein.

Und da hast du gedacht, du möchtest beim letzten Mal noch einmal einem jungen Talent eine Chance geben?

Das letzte Mal wollte ich auch deswegen hier fahren, weil wir mit dem Team damals bei der Jännerrallye begonnen haben. Und da wollte ich bei der Jännerrallye auch wieder aufhören.

Und David Glachs ist ein schneller Mann – er ist natürlich noch jung und unerfahren, aber er ist verdammt schnell. Da habe ich mir gedacht: Okay, dann soll er bei diesem letzten Mal fahren.

Ich stelle mir das schwierig vor. Einerseits soll es das letzte Mal sein, andererseits steht David Glachs gerade erst am Anfang. Ertappt man sich da nicht bei Gedanken wie: ‚Okay, beim nächsten Mal machen wir es anders, wir verbessern dieses oder jenes‘…ist das nicht schwierig?

Nein, überhaupt nicht. Entweder zieht man einen Schlussstrich oder man zieht keinen Schlussstrich. Und ich habe so viele andere Geschichten nebenbei am Laufen. Mein Engagement im Kinderdorf in Kenia – da investiere ich dermaßen viel Zeit, damit bin ich beschäftigt.

Was machst du dort?

Das liegt in der Nähe von Mombasa – da sind wir drei Leute, die dort ein Kinderheim finanzieren. Mit Aktionen in Österreich. Wir haben dort unten vierzig Kinder. Am 28. Jänner fliege ich wieder für 14 Tage runter. Weil wir ein Kind operieren, in Nairobi. Das ist eine Aufgabe, die mich erfüllt – nebenbei habe ich auch noch eine Arztpraxis, das muss ich auch noch zwei Jahre lang machen. Also: Ich habe genug zu tun.

Bedeutet dein Abschied auch, dass du vom Rallyesport eigentlich die Nase voll hast?

Naja, sagen wir es so: Ich habe die Nase leicht voll. Ganz einfach, weil in Österreich die Vertretung für den Rallyesport meiner Ansicht nach sehr, sehr schwach ist. Das zweite Problem besteht darin, dass unter den heimischen Veranstaltern keine Einigkeit herrscht. Man müsste hergehen und sagen: Okay, wir machen in Österreich drei ordentliche Rallyes – a la Jännerrallye, und keine ‚Kracherl-Veranstaltungen‘.

Ich bin auch der Meinung, dass es in Zukunft dorthin gehen wird, dass man sich international zusammentun muss. Dass in einer Meisterschaft zum Beispiel drei Rallyes in Österreich stattfinden, zwei in Deutschland, weitere in der Tschechei. Dann hätte man endlich einmal eine gescheite Meisterschaft, mit ordentlichen Starterfeldern.

Dazu kommt ja, dass sich den Rallyesport leider immer weniger Menschen leisten können…

Ja, das kommt dazu. Die technischen Anforderungen werden immer mehr, die Kosten werden immer höher, die Sponsoren werden weniger. Jedes Jahr kommen neue Vorschreibungen – wie zum Beispiel jetzt das Reifenreglement: Innerhalb kürzester Zeit wird das herausgestanzt und jeder muss dieses Reglement dann befolgen, denn sonst darf er nicht starten. Das kostet natürlich eine Stange Geld – nur wer soll das bezahlen?

Ich nehme einmal an: Als du in den Rallyesport eingestiegen bist, war es sicher deutlich unkomplizierter und nicht so teuer, oder?

Ja. Es war auch familiärer. Es war einfacher. Und es war von den Kosten her einigermaßen übersichtlich. Heute ist das ja ganz anders. Als Beispiel: Jetzt haben sie Einheitsreifen eingeführt und da kostet ein solcher Reifen angeblich über 400 Euro. Voriges Jahr haben wir die Reifen noch um 250 Euro pro Stück gekauft. Nur, damit ein paar wenige wieder ein Geschäft machen können, wird ein Einheitsreifen eingeführt – und dafür darfst du aber die volle Länge bezahlen! Wer soll sich das bitte noch leisten können?

Wie war das damals, als du eingestiegen bist?

Mein erstes Auto war bei der Jännerrallye im Jahr 1975 ein Opel Commodore. Schon damals gab es einen internationalen und einen nationalen Bewerb. Da haben wir gleich einmal den nationalen Bewerb gewonnen. Da habe ich dann sukzessive angefangen.

Warst du da bereits Arzt?

Ja, da war ich bereits Arzt, da war ich bereits fertig mit meiner Ausbildung.

Also ein Spätzünder?

Ja. Schon. Eine späte Ausführung quasi.

Du hast also bereits über einen gewissen Background verfügt, um Motorsport zu betreiben?

Ich bin während meines Studiums in Tirol Bergrennen gefahren, dann auch Autoslalom und ähnliche Dinge. Aber eine richtige Rallye habe ich erst bei der Jännerrallye 1975 absolviert.

Wolltest du eine späte Karriere als Rallyefahrer starten oder war es von Beginn an als Ausgleich zu deinem Arztberuf gedacht?

Es war mehr oder minder ein Ausgleich. Mein Vater hat damals noch gelebt – er war auch Arzt und hat mich vertreten. Aber da sind wir im Jahr drei bis vier Rallyes als Hobby gefahren. Einmal fuhr auch der Hans Pum mit mir, der damalige Chef es ÖSV. Da sind wir zum Beispiel auch die Akropolis-Rallye gefahren.

Aber in den Jahren 1983/1984 ist es bei mir nicht mehr gegangen, da mein Vater verstorben ist – da hatte ich die gesamte Arztpraxis über. Und was machst du dann mit dem ganzen Rallye-Zeug? So hat es sich ergeben, dass ich das Rallyeteam gegründet habe. 1986 bin ich dann mit Volkswagen eingestiegen.

Wie hat sich das ergeben?

Raimund Baumschlager fuhr damals mit unserem Toyota. Dann haben wir ein Gespräch mit Andre van der Vaart geführt und mit dem Klaus-Peter Rosorius, das waren damals die VW-Chefs in Hannover.

Dann hat Raimund gemeint: ‚Das wäre doch eine Möglichkeit, wenn wir dort einen Wagen kaufen, da würden wir weiterkommen!‘ Da habe ich gesagt: ‚Okay, ich schaue mir das einmal an‘. Und da gab es drei Autos, die sie gerade von Kenia herausgeschifft und revidiert haben. Da haben wir einen gekauft und mit dem ist der Raimund dann auch bald die erste Rallye gefahren und da hat er auch gleich einmal gewonnen.

War der Raimund damals ein Fahrer wie heute zum Beispiel der David Glachs? Also ein ungeschliffener Rohdiamant?

So ungefähr, ja. Das war in etwa die gleiche Situation, ja.

Du hast also damals schon die Rolle des Förderers übernommen?

Ja, wir hatten das Glück, dass VW Motorsport die ganzen Jahre über hinter uns gestanden ist und dass wir auch von VW finanziell unterstützt wurden. Wir waren eines der wenigen Teams, die vom Importeur Geld erhalten haben. Damals war noch der Mag. Becker Chef – ich hatte mit ihm ein derartiges Top-Verhältnis, bei uns hat es keine Verträge gegeben.

Ich fuhr im Dezember zu ihm, wir haben uns zusammengeredet, er sagte mir, wie viel Budget wir für das kommende Jahr haben können und dann habe ich meist erst im Juni oder Juli des darauffolgenden Jahres einen Vertrag erhalten.

Das war damals noch Handschlagqualität. Das kannst du ja heute gar nicht mehr machen – heute sind da einige Herren unterwegs, die eigentlich nicht in die Rallyeszene gehören, sondern hinter schwedische Gardinen.

Ich nehme an, dass damals auch die Summen bei weitem nicht so abschreckend waren, wie sie es heute sind?

Ja, wie ich vorhin gesagt habe: Man muss sich nur die Reifen anschauen. Oder: Wenn ich heute einen S2000 kaufe, kostet mich das 250.000 bis 300.000 Euro. Damals haben wir einen Gruppe B Opel Ascona im 90.000 Schilling gekauft, maximal 150.000 Schilling hat das damals gekostet. Der Preis ist um das Zehnfache gestiegen.

Das heißt: VW hat dir damals das Rallye-Budget quasi, etwas übertrieben formuliert, aus der Handkasse ausbezahlt…

Ja, der erste VW, den ich in Hannover gekauft habe, hat mit Ersatzteilen 130.000 Schilling gekostet.

Wie ging es dann weiter?

Dann haben wir Raimund beim Werk untergebracht, dann war er VW-Werksfahrer. Dann fuhren bei uns ja noch einige andere Piloten, ein Wilfried Wiedner, der David Doppelreiter, Andreas Waldherr, Kris Rosenberger. Mehr oder minder alle Piloten, die in der Szene mitmischen, sind einmal bei uns in die Schule gegangen.

Kannst du rückblickend einen Lieblingsfahrer nennen?

Mein Topfavorit und meiner Ansicht nach der schnellste Pilot, den wir jemals hatten, war Herbert Lettner, der dann leider tödlich verunglückt ist. Der war meiner Ansicht nach mit Raimund Baumschlager gleichzusetzen. Wenn er nicht sogar ein bisschen schneller gewesen ist und etwas mehr Biss hatte.

Raimund Baumschlager war wohl der Erfolgreichste von allen?

Ja, das kann man sagen.

Gibt es einen Fahrer, wo es dir leid tut, dass es nicht weitergegangen ist?

Das war der Waldherr Andi. Als wir den ersten VW Polo S2000 aus Südafrika importiert haben, ist Andreas Waldherr bei der Jännerrallye gefahren. Da lag er mit 1,5 Minuten Vorsprung in Führung und auf der letzten Sonderprüfung ist er dann ausgefallen. Sein tödlicher Arbeitsunfall, als er von einem Auto erdrückt wurde, war einer der Tiefpunkte, die man in vierzig Jahren miterlebt.

Hast du damals an Aufhören gedacht?

Ja, das war kurzfristig der Gedankengang. Dann habe ich mit der Familie Waldherr gesprochen und die sagte, wir sollen weitermachen. Denn Andi hätte das auch so gewollt. Und dann haben wir weitergemacht.

Mit Kris Rosenberger.

Ja, er ist eine Top-Saison gefahren, insgesamt fuhr er zwei Saisonen bei uns. Und jetzt, zum Abschluss, fährt der David Glachs.

Jetzt gibt es aber auch den Luca Waldherr, den Sohn von Andreas, er soll ein guter Kartpilot sein, er könnte ja bald so weit sein, dass er in die Fußstapfen seines Vaters treten könnte. Wäre das ein Anlass zum Rücktritt vom Rücktritt? Könnte es dich dann wieder in den Fingern jucken?

Nein, ganz sicher nicht. Das wird es ganz sicher nicht geben.

Was war dein absolutes Highlight in diesen vierzig Jahren?

Das war, als wir mit Raimund Baumschlager auf Korsika die Weltmeisterschaft gefahren sind und er in der Weltklasse mit einem unterlegenen Auto, das war damals der VW Golf 3, Gesamt-Fünfter geworden ist. Das war eine Sensation – das war in seiner besten Zeit, das war er wirklich top.

Wie wirst du künftig mit dem Rallyesport umgehen? Wirst du bei Rallyes zuschauen kommen? Oder wirst du, beispielsweise auf motorline.cc, dich im Internet über den Sport informieren? Oder willst du gar nichts mehr davon wissen?

Ganz so streng wird es nicht, ich werde sicher zu der einen oder anderen Rallye als Zuschauer kommen und mir das anschauen. Und ich werde auch mal auf motorline.cc schmökern, was die Herrschaften so machen….

Vielen Dank…

Aber im Großen und Ganzen habe ich mit meinen anderen Projekten dermaßen viel zu tun, dass ich mir dann eigentlich die Zeit dafür stehlen muss. Jetzt zum Beispiel fliege ich wieder für 14 Tage nach Kenia, im Sommer möchte ich eine Weltreise machen. Es gibt genügend Projekte, die rundherum am Laufen sind.

Letzte Frage: Was würdest du dem Rallyesport im Allgemeinen und speziell jenem in Österreich ins Stammbuch schreiben?

Ich würde mir wünschen, dass die OSK einmal durchgreift bei den ganzen technischen Reglements. Nicht dass da Listen herumschwirren, welche Autos frank sind und welche nicht – und dann wird aber nichts getan, aus reiner Rücksicht! Und die paar Gauner, die in der Szene sind – die gehören hinter Gitter!

Namen wirst du wohl nicht nennen…

Nein – aber es weiß jeder, wer da gemeint ist.

Okay, vielen Dank für das Gespräch.

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