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ORM: Waldviertel-Rallye

„Das Zwischenmenschliche ist wichtig im Rallyesport“

Christian Mrlik im großen motorline.cc-Interview: Über seinen grandiosen Heimsieg im Waldviertel, die Zeit danach und was ihm im Leben wichtig ist.

Text: Michael Noir Trawniczek
Fotos: Martin Butschell, Daniel Fessl

Rund zehn Tage sind vergangen, seit Christian Mrlik im Waldviertel seinen bislang größten Erfolg feiern konnte: Als erster Waldviertler konnte er im unterlegenen Subaru Gruppe N-Auto die Waldviertel-Rallye gewinnen. Wir baten „Mister Lik“ zum Interview.

Christian, am vorletzten Samstag hast du noch nicht ahnen können, dass du am Abend als erster Lokalmatador die Waldviertel-Rallye gewinnen wirst…

Ja, das war aus meiner Sicht ein total unerwartetes Ergebnis, es war auch für mich die totale Überraschung. Wir hatten ja keine großen Ziele, sind einfach drauflos gefahren.

Dann ist einer nach dem anderen ausgefallen. Man darf aber nicht vergessen, dass du in deinem herkömmlichen Gruppe N-Subaru auch sehr schnell unterwegs warst – schneller als Joszef Trencsenyi im R5 und schneller als Hermann Gaßner junior im R4-verbesserten Mitsubishi…

Wir konnten eine gute Performance liefern. Dass wir sogar den WM-erfahrenen Hermann Gaßner junior auf einigen Prüfungen hinter uns halten konnten, ist natürlich ganz besonders motivierend.

Wie groß war bei dieser schwierigen Waldviertel-Rallye der Heimvorteil – du wohnst ja unmittelbar der Sankt Leonhard-Prüfung.

Sicher kenne ich die Ecken – trotzdem würde ich nicht von einem großen Heimvorteil sprechen. Vor allem wenn die Bedingungen dermaßen schwierig sind, dass man jederzeit abfliegen kann.

Du bist nach einem Ausrutscher auf der ersten Freitagsprüfung ziemlich souverän gefahren…

Ich denke schon, dass ich durch das Älterwerden gereift bin – ich gehe heute viel abgeklärter an die Dinge heran, auf der Strecke fehlt mir dafür das ‚junge Wilde‘. Ein junger Bursche, der noch keine heftigen Abflüge erlebt hat, fährt ganz einfach etwas schneller. Aber am Ende denke ich, dass sich das ausgleicht.

Im letzten Regrouping warst du auf einmal der neue Leader – plötzlich bist du mitten im Brennpunkt gestanden, manche wollten dir schon gratulieren, obwohl noch eine lange Prüfung anstand. Man hat den Druck spüren können, der da auf dir gelastet hat…

Ja, ich habe mich dort im Regrouping noch nicht sammeln dürfen. Im Service habe ich mich dann zum ersten Mal in meiner Karriere in den Servicebus zurückgezogen, um mich nicht mit dem Druck von außen zusätzlich zu belasten.

Wie du gesagt hast, gab es da bereits Glückwünsche – ich bin nicht abergläubisch, aber zu viel Selbstsicherheit kann störend sein. Für mich war es wichtig, dass ich wieder in meinen normalen Rhythmus komme, dass ich zum einen hochkonzentriert und aber auch schnell fahre.

Trencsenyi lag vor den letzten 22,7 Wertungskilometern nur 15,3 Sekunden hinter dir – er meinte, dass er bei den rutschigen Bedingungen nichts mehr riskieren möchte. Aber ein Ausrutscher kann schnell passieren…

Nach dem Crash auf der allerersten Prüfung habe ich zu mir selbst gesagt: ‚Christian, du bist zu schnell unterwegs!‘ Ich musste ein Tempo finden, das zum einen schnell genug ist und das es uns zum anderen ermöglicht, mit maximaler Sicherheit ins Ziel zu kommen. Bei den schwierigen Bedingungen war es aber auch sehr schwer, die Bremspunkte einzuschätzen.

Viele hatten Abflüge, fast alle berichteten von heiklen Momenten…

Ja, solche Momente hatten auch wir – aber die hatte, so glaube ich, wahrscheinlich jeder. Auch bei uns gab es das ein paar Mal – nicht so, dass man kurz vor dem Abflug steht, aber doch eine Schrecksekunde, wo dir das Heck auskommt und das Auto quer steht.

Gab es auch auf der letzten Prüfung eine Schrecksekunde?

Ja. Kurz vor der Ausfahrt aus dem Rundkurs war ich etwas zu spät auf der Bremse. Aber ich orientiere mich lieber am oberen Ende – und wenn du zu langsam fährst, ist das Timing nicht perfekt.

Du hast auf der Zielrampe den Sieg deinem verstorbenen Freund Ernst Hauer gewidmet – hast du das spontan entschieden?

Ich habe das auf der Verbindungsetappe zur Zielrampe entschieden. Ernst war seit Beginn meiner Rallyekarriere immer für mich da, er war Mitorganisator der Waldviertel-Rallye und fuhr auch selbst, obwohl er selbst auf einem ganz anderen Level fuhr, hatte er immer einen Ratschlag für mich. Er hat Rallye einfach gelebt.

Vor ein paar Jahren hat er bei den Aufräumarbeiten nach der Rallye über starke Herzschmerzen geklagt und er ist nach einem schweren Herzinfarkt dann noch im Rettungsauto verstorben.

Er fehlt mir und er ist für mich mein Wegweiser geblieben. Seit seinem Tod besuche ich vor jeder Rallye sein Grab und spreche mit ihm, ich nehme ihn quasi mit zur Rallye, nachher bringe ich ihn quasi zurück. Auch am Sonntag nach meinem Sieg war ich an seinem Grab, dort habe ich meinen Siegerpokal hinterlassen, und dort steht er jetzt…

Wie ist es in der Woche nach deinem Sieg weitergegangen – konntest du so einfach in den Alltag zurückkehren?

Am Montag nach der Rallye erhielt ich eine wahre Emailflut. Subaru Österreich hat gratuliert und auch nachträglich meine Leistung honoriert, indem sie mir aus freien Stücken einige Euro zukommen ließen.

Subaru Österreich hat dich bis vor einem Jahr auch unterstützt – wird es da wieder eine Zusammenarbeit geben?

Wir sind am Sprechen. Ich denke, dass ich künftig auch weiterhin in der Gruppe N antreten werde und dass ich künftig vielleicht mit Rennsprit fahren werde.

Ich möchte mich aber auch bei Pirelli bedanken, da habe ich die neuesten Reifen und Inputs erhalten, da konnte ich von ihrer WM-Erfahrung profitieren.

Da haben einfach alle an einem Strang gezogen. Ich möchte mich auch bei den bestehenden Sponsoren bedanken.

Hast du noch Platz auf deinem Auto für weitere Sponsoren?

Ja, da wäre noch genügend Platz vorhanden.

Es haben sich ja auch Vertreter aus der Politik bei dir gemeldet, nicht wahr?

Ja, am Sonntag nach der Rallye hat sich der Bürgermeister von Sankt Leonhard, meinem Heimatort, bei mir gemeldet. Er sagte, es gäbe ein großes Fest mit Persönlichkeiten aus der Politik und dass er sich freuen würde, wenn ich kommen würde. Er hat mich auch groß im Radio angekündigt. Natürlich habe ich zugesagt und ich habe den Damen und Herren den Rallyesport erklärt, so gut ich es eben kann.

Auch sonst ist es bei dir in den Tagen nach der Rallye rund gegangen…

Ja, es haben sich sehr viele Kunden von mir gemeldet, sie sind zu uns in die Werkstatt gekommen, aus allen Altersgruppen, ob 25 oder 60 Jahre alt. Andauernd kamen neue Messages über das Faxgerät – und aus Gmunden kam ein ganz langer und lieber Brief: ‚Ich dein Fan, ich hätte gerne ein Autogramm von dir‘.

Läuft man da nicht Gefahr, ein bisschen abzuheben?

Nein, ich bleibe geerdet. Ich möchte hier auch meine Lebensgefährtin Heidi erwähnen, sie ist für mich ein wichtiger Mentor und gibt mir Kraft und Energie. Als wir nur noch eine Sonderprüfung zu fahren hatten, wurden ihre Ängste und das Bangen natürlich größer, sie stellte sich die Frage: ‚Was macht er jetzt?‘ Ich möchte mit ihr mein Leben bis ans Ende teilen, natürlich auch mein Hobby – aber nicht um jeden Preis.

Liebt sie selbst auch das schnelle Autofahren?

Nein, überhaupt nicht – mit ihr fahre ich auch ganz gemütlich. Da ist schnelles Autofahren tabu.

Wie geht es jetzt bei dir weiter? Ist die Jännerrallye ein Thema? Bleibst du bei deinem Subaru?

Ich fahre 2015, was finanziert ist. Ob ich die Jännerrallye fahre, werde ich kurzfristig entscheiden. Ich setze auf jeden Fall auf Kontinuität. Mein Auto, der Subaru ist gut. Mir geht es immer darum, eine möglichst gute Performance zu liefern – ich möchte bei jeder Rallye mein Bestes geben. Und das kann auch dann der Fall sein, wenn ich Platz vier belegt habe.

Was macht Christian Mrlik, wenn er gerade nicht im Rallyeauto sitzt beziehungsweise: Wovon lebt „Mister Lik“?

Ich habe die Firma RMS-Technik aufgebaut, einen Bosch-Servicebetrieb, eine KFZ- und Spengler-Werkstatt und ich bin auch Subaru-Vertragshändler, bei mir gibt es also ausschließlich neue Modelle der Marke Subaru zu kaufen. Wir sind eine kleine Firma, ich habe vier Angestellte – zwei von ihnen helfen auch in meinem Rallyeteam.

Deinen Subaru hast du von Stengg Motorsport gekauft. Es ist jenes Auto, mit dem Willi Stengg bei der TV-Sendung „Wetten, dass ..“ gegen Hermann Maier angetreten ist…

Ja, ich bin Stengg Motorsport sehr dankbar, denn sie versorgen mich immer noch mit Feedbacks, Willi Stengg junior unterstützt mich wirklich sehr und er bemüht sich stets, mir mit Rat und Tat beiseite zu stehen. Er hat mir auch mental bei dieser Rallye geholfen.

Von Subaru gibt es jetzt einen neuen STI…

Ja, der wird 2015 wahrscheinlich auch in Österreich zu sehen sein – aber ich denke, mein Subaru ist zwar ein altes, aber nach wie vor ein aktuelles Auto. Sicher würde ich gerne einmal einen S2000 probieren, aber man kann nicht einfach so umsteigen, das wäre ein langer Lernprozess, man müsste sehr viel testen, was aber dann recht teuer wäre…

Mit unserem Subaru testen wir vor jeder Rallye – und da möchte ich mich bei den Anrainern in Sankt Leonhard bedanken, denn die Strecke wird dann doch immer für ein paar Stunden gesperrt und da möchte ich mich für ihr Verständnis bedanken, denn das ist auch nicht selbstverständlich. Bei diesen Tests sitzt dann oft mein Techniker Rene im Auto, so können wir das Auto besser abstimmen, auch er arbeitet bei mir in der Firma.

Bei den Rallyes sitzt seit einem Jahr die junge Julia Baier neben dir…

Ja, mit ihr macht es einfach Spaß. Wir haben in unserer Vorschau zur Waldviertel-Rallye die Überschrift ‚Ich geb Gas, ich will Spaß‘ verwendet – natürlich sind wir im Auto fokussiert, da sagen wir nicht ‚Die Ecke war jetzt aber lustig‘ – aber nachher lachen wir darüber. Natürlich ist es ein Sport, der eine gewisse Gefährlichkeit mit sich bringt, davor haben wir auch großen Respekt – vielleicht ist Spaß das falsche Wort, wir haben einfach Freude am Rallyesport.

Julia arbeitet einfach gut und bringt es immer auf den Punkt. Für mich spielt es keine Rolle, ob ein Mann oder eine Frau neben mir sitzt, mit Julia passt es einfach. Vielleicht ist sie ein bisschen naiver als ein erfahrener Mann, dafür müssen wir aber auch nicht über alles diskutieren. Mit ihr ist es einfach zwischenmenschlich sehr gut.

Das wird im Rallyesport oft unterschätzt, das Zwischenmenschliche ist aber in meinen Augen extrem wichtig im Rallyesport. Ich habe mir im Laufe der Zeit mein Umfeld mit jenen Menschen schaffen können, mit welchen ich mich wohlfühle. Und dafür bin ich einfach dankbar.

Christian, danke für das Interview.

Gern geschehen.

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