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Ennstal-Classic 2015

Neuseeländisches Stehaufmännchen

Brendon Hartley ist erst 26 – doch er hat schon viel erlebt: Mit 16 ganz allein im fernen Europa, die harte Schule von Dr. Marko, das Formel 1-Ende, der Neubeginn im Langstreckensport und schließlich der Traumjob: Porsche-Werksfahrer! Hartley ist zu Gast in Gröbming – wir haben mit ihm gesprochen…

Text: Michael Noir Trawniczek
Fotos: Markus Kucera, Red Bull/GEPA

Wir schreiben das Jahr 2010, im britischen Milton Keynes. In einem versteckten, dunklen Kämmerchen versucht sich der Autor dieser Zeilen im Simulator von Red Bull Racing - damit man einen Vergleich hat, wie man wirklich mit diesem Hightechgerät umzugehen hat, ist Brendon Hartley dabei. Er gilt zu diesem Zeitpunkt als große Zukunftshoffnung des österreichischen Energiegetränkeherstellers.

Doch blicken wir zurück, wie alles begonnen hat. Brendon Hartley erzählt: „Mit sechs Jahren fuhr ich Kartrennen, mit 13 dann schon Formel V bei uns in Neuseeland – mit 15 nahm ich an einer Driver Search von Red Bull teil, wurde ausgesucht und ein Jahr später ging ich nach Europa. Ich habe nicht einmal mein Examen beendet. Es war schon hart, so jung so weit von meinem Zuhause entfernt zu sein…“

Anruf von Dr. Marko: Puls auf 120

Hart ist die Schule des Dr. Helmut Marko, die Red Bull Junioren müssen in den gängigen Nachwuchsformelserien ihr Können unter Beweis stellen. Brendon schmunzelt: „Ein Anruf von Helmut kam normalerweise immer nur nach einem schlechten Rennen – wenn sein Name auf dem Display aufgetaucht ist, ging der Puls auf 120.“

Irgendwann kam dann wohl der letzte Anruf – denn Brendon Hartley wurde aussortiert. Heute sagt er: „Ich war wohl nur einen Münzwurf von der Formel 1 entfernt - es ging darum, ob Jaime Alguersuari (mittlerweile ebenfalls aussortiert, Anmerkung) oder ich in die Formel 1 aufsteigen darf. Doch ich hatte dann leider eine wirklich schlechte Saison in der Formel Renault – es war keine Überraschung, dass ich den Sitz bei Red Bull verloren habe. Ich habe auch heute noch ein gutes Verhältnis zu Helmut Marko – schließlich war er es, der mich bei der Driver Search herausgepickt und somit erst alles ermöglicht hat.“

Wer einmal von Red Bull aussortiert wurde, hat nur wenige „Überlebenschancen“. Brendon ging es da nicht anders: „Ich musste zum ersten Mal wieder selbst Entscheidungen treffen. Ich hatte zwar immer einige Freunde in Neuseeland, die mich unterstützt haben – aber letztendlich musste ich jetzt etwas tun. Ich hatte eine lange Liste von Teams und Entscheidungsträgern, die habe ich alle angerufen.“

„Musste erstmals selbst entscheiden“

Irgendwie sei es dann zu einem Job bei Mercedes Grand Prix gekommen – dort hat Brendon ab 2011 im Formel 1-Simulator gearbeitet, bis 2013. Ein Jahr später war Mercedes die dominierende Kraft in der Formel 1. Brendon lacht: „Ich würde mir das nicht auf meine Credt-Liste setzen – sicher habe ich mitgearbeitet am Erfolg und sicher werden heutzutage wegen der Testrestriktionen viele neue Teile erst im Simulator ausprobiert, aber ich war ein Teil eines riesengroßen Projekts, und es war schön, dabei zu sein.“

Dann jedoch trifft Brendon Hartley eine schwere Entscheidung: Er beendet seine Formel 1-Hoffnungen und wechselt in den Langstreckensport. War es hart, die Formel 1-Träume ruhen zu lassen? Brendon überlegt: „Ja und nein – ich habe gesehen, dass meine Chancen auf ein Einsatzcockpit sehr gering sind und hatte bereits Kontakte zur Langstreckenszene, fuhr bereits mit kleineren Teams und habe damals in der Boxengasse jedem meine Visitenkarte in die Hand gedrückt.“ Musste sich Brendon dort erneut beweisen? Er nickt: „Genau so war es – das ist eine ganz andere Motorsportart, du musst das Auto verlässlich ins Ziel bringen, du musst mit den anderen Piloten deines Teams eng zusammenarbeiten, es ist dort eigentlich alles ganz anders als im Formelrennsport.“

Anruf von Porsche: Traumjob!

Schließlich kam der Anruf von Porsche, wo er als Werkspilot in das neue LMP1-Team geholt wurde. Für ihn sei das der „Traumjob“, sagt er, das Team bezeichnet er als „Porsche-Familie“. Er hat es also geschafft – sein Wille zum Überleben muss wohl recht groß sein oder? Brendon lacht: „Ja, das liegt vielleicht wirklich daran, dass ich als Kiwi schon so früh ganz allein in Europa unterwegs war, das hat mich einfach stärker gemacht.“

Welche Ziele hat Brendon Hartley heute? Ohne lang nachzudenken sagt er: „Ich möchte einfach diesen Job weitermachen. Wir haben heuer in Le Mans gewonnen – und auch wenn ich nicht im Siegerteam war, so fühle ich mich doch als Teil davon.“ Was sind die nächsten Ziele? Was hat für Brendon Hartley mehr Wert – ein Le Mans-Sieg oder die Langstrecken-Weltmeisterschaft? Brendon lächelt spitzbübisch und sagt: „Eine schwierige Frage. Wenn du mich das vor Le Mans gefragt hättest, dann hätte ich Le Mans gesagt, jetzt aber sehe ich die Weltmeisterschaft.“

Muss sich Brendon Sorgen um die Zukunft machen? Hat er einen Langzeitvertrag? Brendon bittet um Verständnis: „Details zu meinem Vertrag darf ich natürlich nicht sagen – aber ich bin ein Teil der Porsche-Familie und möchte es noch lange bleiben.“

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