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Der Nr.1-Pilot als Problemzone

Das RB Skoda-Team hat in Griechenland die sechste von zehn geplanten Rallyes absolviert. Eine erste Zwischenbilanz mit gemischten Gefühlen...

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Red Bull Skoda

Nein, das Motorhome von Red Bull Skoda ist nicht dreistöckig, es gibt keine schwimmenden Schwimmbecken, ja nicht einmal eine eigene Druckerei. Und trotzdem - oder vielleicht sogar deshalb - finden das Team viele sympathisch. An PR-Aktionen mangelt es dennoch nicht.

Im Servicepark am Rande des Athener Olympiastadions präsentiert der schrullige und durch seinen McLaren-F1-Wein bekannte Willi Opitz in der Hospitality von Red Bull Skoda seinen neuesten Streich namens "Shakedown" - ein roter Edeltropfen, den er eigens für das Team kreiert hat. Die beiden Teamchefs Armin Schwarz und Raimund Baumschlager plaudern mit den geladenen Pressegästen...

Das tun sie auch sonst - wann immer man das Team besucht. Außer es sind gerade wichtige Skoda-Entscheidungsträger vor Ort - denn die Zukunft des Teams ist noch ungewiss. Das Problem dabei: Die Gegenwart des Teams ist nicht unbedingt das, was man als wunschgemäß bezeichnen würde.

Aigner erfüllt die Erwartungen

Positiv ist die Entwicklung von Andreas Aigner. Armin Schwarz, der noch im Vorjahr selbst am Steuer eines Skoda Fabia WRC saß, und Raimund Baumschlager, der die letzten drei Jahre jeweils Österreichs Rallye-Staatsmeister wurde, haben die Fahrersichtung, durch die man auf Aigner kam, initiiert und sind mit ihrem "Baby" durchaus zufrieden.

Aigner soll in diesem Jahr vor allem die Strecken kennen lernen. Schwarz weiß, wie wichtig das ist: "Ich weiß wie das ist, wenn du als Rookie am ersten Tag rausfliegst - im nächsten oder gar im übernächsten Jahr kannst du dann nicht mehr sagen, du kennst die Strecke nicht, wenn du schon zum dritten Mal dabei bist."

Aus dem Grund hat man Aigner bislang an die "kurze Leine" genommen, seine Hauptaufgabe bestand darin, das Auto ins Ziel zu bringen. Er selbst sagt: "Es ist mir auch wichtig, die Strecken kennen zu lernen." Das ist Aigner bislang auch gut gelungen - jetzt hat man die Leine ein wenig gelockert, doch eine Grippe machte dem Steirer zu schaffen. Am Ende sah er als 14. das Ziel - und das bei einer der härtesten Akropolis-Rallyes der letzten Jahre.

Punkte-Pech

Die Problemzone stellt das andere Auto dar - denn neben Primus Aigner sollten absolute Rallye-Profis für die nötigen Ergebnisse sorgen. Doch die Panizzi-Brüder Gilles und Hervé waren für Red Bull Skoda eine Enttäuschung.

Der mit allen Rennwassern gewaschene Pressesprecher Armin Holenia erzählt: "Wir sind jedes Mal an den Punkterängen vorbeigeschrammt. Die Panizzi-Brüder lagen in Spanien eine Sonderprüfung vor dem Ziel auf dem achten Platz - doch im Cockpit gab es während der letzten Prüfung einen Streit, Hervé klappte das Gebetsbuch zu, verschränkte die Arme und ließ sich von seinem Bruder Gilles ins Ziel führen. Da kannst du nichts machen, wenn die Chemie nicht mehr stimmt..."

Mathias Ekström, der bei der Schweden-Rallye den zweiten Skoda Fabia WRC steuerte, lag am Beginn der Rallye sogar auf dem vierten Gesamtrang. Am Sonntagvormittag, wo man eigentlich nur noch nach Hause fahren muss, lag Ekström auf dem fünften Rang - doch er rammte eine Schneebank und musste aufgeben...

Nach der Absage von Gilles Panizzi verpflichtete Red Bull Skoda den Finnen Harri Rovanperä, der 2001 die Schweden-Rallye gewann und im Vorjahr in Australien mit Mitsubishi den zweiten Platz erobern konnte. Teamchef Baumschlager erzählt: "Als wir Harri verpflichtet haben, gratulierten uns alle - jeder war überzeugt davon, dass wir mit Harri einen Spitzenmann im Team haben."

Was ist los mit Harri Rovanperä?

Doch bislang konnte sich der 40jährige Vater eines Sohnes nicht mit dem Skoda Fabia WRC anfreunden. Rovanperä hinkt aus unerklärlichen Gründen der Konkurrenz hinterher, ist zum Teil sogar langsamer als Rookie Aigner unterwegs. Auch bei der Akropolis-Rallye gab es keine Fortschritte zu verbuchen. "Wir haben mit Harri von oben bis unten alles Erdenkliche, jede nur mögliche Setup-Einstellung ausprobiert - ohne Erfolg", klagt Armin Schwarz.

Der sympathische Rovanperä gibt offen zu: "Ich habe derzeit beim Fahren noch eine gewisse Grenze, die ich mangels meiner Einstellung zum Auto noch nicht überschreiten kann. Wir haben sehr viel getauscht, aber dabei noch nicht jene Abstimmung gefunden, die notwendig ist, um WM Fahrerpunkte einzufahren."

Dass Rovanperä aufgrund eines schweren Testunfalls aus dem Gleichgewicht geraten sein könnte, glaubt Schwarz nicht - er winkt ab: "Wir haben ihn darauf angesprochen, aber er hat das verneint. Wenn er es selbst so betrachten würde, wäre das etwas anderes."

Als Vergleichswert dient der Franzose Francois Duval, der mit dem von First Motorsport eingesetzten Skoda Fabia WRC bereits vier Punkte für die Fahrer-WM einfahren konnte. "Skoda beliefert alle mit dem gleichen Material und Duval ist eindeutig schneller unterwegs", sagt Schwarz.

Rovanperä steht mit seinen 40 Jahren am Ende seiner Karriere - die anhaltende Erfolglosigkeit macht es für ihn sicher nicht leichter. "Natürlich erzeugt das einen psychologischen Druck", ist Armin Schwarz überzeugt. Rovanperä fährt ohne Gage und muss froh sein, dass er aufgrund der Panizzi-Aufgabe überhaupt noch ein Cockpit bekommen hat.

Die zweimonatige Rallye-Pause ist für das Team eine Chance, das Rätsel um Harri Rovanperä zu lösen. "Wir müssen die Sommerpause bis Deutschland dafür verwenden, neue Teile zu bauen und diese auch vorher zu testen", legen Baumschlager und Schwarz die Marschrichtung vor.

Bei den verbleibenden vier Rallyes sollen endlich die ersehnten Punkte aufs Konto gelangen. Denn aufgeben werden die beiden Rallye-Profis sicherlich nicht - so wie auch das Fahrersichtungsprojekt ein langfristiges ist, möchte man auch im kommenden Jahr mit Red Bull Skoda an den Start gehen.

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