
Rallye-WM: Wales | 04.12.2008
„Zuerst die Firma – dann Pilot Raimund…“
Raimund Baumschlager verrät, was er in punkto Red Bull Driver Search heute anders machen würde und welche Pläne es für 2009 gibt.
Michael Noir Trawniczek
Fotos: staatsmeister.at, Photo4
Im zweiten Teil des motorline.cc-Exklusivinterviews erklärt Red Bull Rallye Team-Chef Raimund Baumschlager, warum er bei einer neuerlichen Talentsuche von den Jungpiloten mehr Eigenverantwortung einfordern würde und wie die Zukunftspläne des siebenfachen Rallye-Staatsmeisters aussehen.
Bei einer Podiumsdiskussion im Rahmen des europäischen Pirelli Star Driver Shootouts hast du erklärt, du würdest heute, mit deinen aktuellen Erkenntnissen, die Red Bull Driver Search nicht mehr in dieser Form abhalten – wie hast du das damals gemeint?
Ich muss dazu sagen, dass ich so etwas generell nicht mehr machen würde – weil du keinen Dank erntest und stattdessen nur kritisiert wirst. Ich weiß nicht, ob es davor überhaupt ein ähnliches Projekt in dieser Größenordnung gab – aber es hat von Anfang an sehr wenig Beachtung gefunden. Und eigentlich haben es immer nur alle besser gewusst! Doch ich sehe sonst nirgendwo ein ähnliches Projekt - auf einem ähnlich hohen Niveau, mit dem gleichen Einsatz und mit einem so großen Sponsor im Rücken.
Ich möchte jedoch gleich einmal klarstellen: Das hat nichts mit der Person Andreas Aigner zu tun. Ich finde einfach, dass es im Grunde nur traurig ist – ich würde sagen es ist typisch für Österreich: Wenn du etwas unternimmst, erntest du Neid – anstatt dass man sagt: ‚Gott sei Dank, da ist jemand, der sich um den Nachwuchs kümmert!’ Doch mit dem Neid tut man eigentlich nicht mir persönlich weh - sondern demjenigen, der das finanziert. Demjenigen, der eine solche Talentförderung überhaupt möglich macht.
Ein Sponsor wie Red Bull erwartet sich dann klarerweise ein positives Image…
Genau. Dass man eben sagt: ‚Super, da ist jemand, der sich um die ganz jungen und unerfahrenen Talente kümmert, der diese sucht und gezielt aufbaut!’ Und wenn man es nüchtern betrachtet, muss man erkennen: Es ist ja auch etwas heraus gekommen dabei. Wir fahren in diesem Jahr um den Weltmeistertitel.
Wenn jemand quasi aus dem Nichts heraus entdeckt wird und er ein paar Jahre später drei PWRC-Rallyes in Serie gewinnt, dann müsste man eigentlich von einem Erfolg für die Red Bull Driver Search sprechen.
Das stimmt. Natürlich – unser Endziel war immer, dass wir diesen Fahrer auch in einem Werk positionieren, nach vier bis fünf Jahren. Nur: Seit dem Start dieser Sichtung – im Jahr 2002/2003 ist das Konzept dafür erarbeitet worden – hat sich ja irrsinnig viel geändert in der WM-Szene. Damals haben sich alle Werksteams dazu verpflichtet, einen jungen Piloten als dritten Werksfahrer ins Team aufzunehmen. Und das haben wir damals als unsere Chance gesehen.
Dass sich dieses Blatt dann so schnell gewendet hat, dass es statt der dritten Piloten eine Rückzugswelle der Hersteller gab und wir dann eigentlich in die schwierigste Phase in der Entwicklung der Weltmeisterschaft hinein geraten sind, war halt das große Pech bei dieser Geschichte. Dabei bin ich mir sicher, dass es schon 2011 wieder ganz anders aussehen wird – wenn mit dem neuen Reglement wieder neue Werke in die WM kommen werden.
Die Idee hinter der Red Bull Driver Search war sicherlich eine gute, das hat alles gepasst. Falsch war aber sicherlich die Förderung in diesem Ausmaß. Dass sich die Jungs – und da muss ich beide hernehmen [Andreas Aigner und Quirin Müller, d. Red.] – um gar nichts kümmern mussten. Das war von unserer Seite her eine falsche Denkweise. Weil wir geglaubt haben, dass die Fahrer dann frei sein werden – und sie sich wirklich voll auf ihren Job konzentrieren können. Sprich das Fahren, das Schrieb erstellen zu erlernen. Zu dem Zeitpunkt haben die beiden ja noch gar nichts gekonnt – sie hatten beispielsweise keine Ahnung, wie man einen Schrieb erstellt.
Was würdest du heute konkret anders machen?
Mir gefällt jenes Konzept gut, welches Red Bull jetzt rundum anwendet. Sie sagen heute: Jeder Fahrer muss entweder einen Sponsor mitbringen, den er selbst anheuern muss. Wo die Verpflichtung gegenüber diesem Sponsor eine ganz andere ist – und es nicht nur dieses Projekt gibt, bei dem der Pilot halt als Fahrer tätig ist. Wo der Fahrer selbst hausieren gehen muss – und wenn er zu Sponsor X geht und erklärt, dass er 100.000 Euro benötigt, dann wird er das mit ganz anderen Forderungen verknüpfen. Der wird dann sagen: ‚Jawohl lieber Freund – aber: das, das und das erwarte ich mir von dir!’
Wo also der Fahrer auch persönlich den Druck verspürt, Erfolg haben zu müssen – nämlich seinem eigenen Sponsor gegenüber. Und nicht einem Dritten gegenüber, wie es derzeit eigentlich der Fall ist. Wo nicht ich als Ansprechpartner eine über die Rübe bekomme, wenn etwas schief geht, wenn die Sponsorenkleber dreckig sind oder er die Kappe nicht aufsetzt - wo der Fahrer dann selbst die Rübe hinhalten muss. Dann ist es sein Problem, das er lösen muss.
Ich würde die entsprechenden Piloten heute viel mehr in diese Dinge einbinden, als es derzeit der Fall ist. Weil dann einfach die Wertschätzung eine ganz andere ist. Und ganz ehrlich: Das rechne ich mir selbst als Fehler an, dass ich das falsch eingeschätzt habe.
Dieses jetzt von Red Bull angewandte Konzept, wonach der Fahrer einen Sponsor mit an Bord bringen muss – betrifft das den Andi Aigner im Hinblick auf die Saison 2009? Müsste er also auch einen Sponsor mitbringen?
Der Andi war zuletzt der einzige Glückliche, der das nicht musste – bei den anderen, wie auch der Bernardo Sousa, bringt jeder Geld oder einen Sponsor mit. Der Andi musste bislang nur für sein Überleben sorgen – aber dafür hatte er vier freie Werbeflächen auf seinem Overall zur Verfügung. Davon lässt sich gut leben – doch dazu muss ich mich gut verkaufen, das ist die Voraussetzung. Und an diesem System hat man nichts geändert – klar wäre es der Wunsch gewesen, dass der Andi eigene Sponsoren mitbringt. Aber das ist bislang halt nicht möglich gewesen. Für das nächste Jahr denke ich, dass es beim Andi ganz einfach um Leistung geht.
Du selbst hast ebenfalls Träume und Hoffnungen – ich sage nur das Stichwort Skoda Fabia Super 2000…
Klar, aber man muss das sehr nüchtern betrachten. Die akute Finanzkrise zum Beispiel ist alles andere als lustig – da sind eigentlich alle davon betroffen. Wenn ich zum Beispiel mit Remus darüber spreche, höre ich genauso davon – und immerhin ist das mein Hauptsponsor.
Also ist zu befürchten, dass dort beispielsweise das Etat gekürzt werden könnte?
Das muss man befürchten – wenn man logisch denkt und mit offenen Augen durch die Welt geht, muss man solche Befürchtungen anstellen. Es ist noch nichts in diese Richtung gesagt worden, aber wir sind dabei verblieben, noch abzuwarten. Diese Krise betrifft uns alle und gerade die Automobilbranche ist davon stark betroffen.
Und da bin ich halt auch keiner, der dann hochgestochene Geschichten verfolgt und um eine Verdopplung des Budgets ansucht - weil ich mir vielleicht einbilde, dass ich unbedingt mit einem Super 2000 die Rallye-ÖM bestreiten muss. Klar würde ich das gerne tun – weil ich weiß, was diese Autos können und ich noch dazu als Entwicklungspilot den Vergleich zum Gruppe N-Evo nur zu gut kenne. Und ich weiß, dass die Zukunft dem S 2000 gehört – aber wenn es nicht reicht, dann bin ich halt auch mit dem Evo IX oder mit dem Xer zufrieden.
Die Entwicklung des Evo X ist deine nächste Herausforderung …
Klar, das ist eine Riesen-Herausforderung – da gibt es bereits Anfragen von Leuten, die dieses Auto kaufen wollen. Wir hatten in der letzten Woche unsere besten Kunden aus ganz Europa bei uns zu Gast – die sind mit mir im Evo X mitgefahren und jetzt gibt es eine rege Nachfrage. Die waren sehr begeistert – weil wir halt auch schon sehr weit sind mit der Entwicklung.
Ist der Evo X bereits so weit, dass man mit ihm 2009 um den ÖM-Titel fahren kann?
Nein – um den Titel kannst du im nächsten Jahr nur noch mit einem Super 2000-Auto fahren. Diese Entwicklung hat man heuer bereits sehen können und da gab es mehrfach Beweise dafür – da konnte der Andi Waldherr sogar mit einem stotternden Motor Bestzeit fahren, und zwar gegen den Manfred Stohl im Erdgas-Evo IX mit 34er-Restriktor. Das zeigt sehr genau, wozu diese Super 2000 in der Lage sind.
Mit dem Skoda Fabia S 2000 in der Rallye-ÖM – das wäre doch dein Traum, nicht wahr?
Schau, für mich gibt es zwei Dinge: Ich habe mit Skoda einen Testfahrervertrag - der läuft jetzt mit 31. Dezember aus, da ist aber noch nicht klar, ob das weitergeht oder nicht. Das ist einmal die eine Variante. Die zweite ist: Ich weiß, dass das Red Bull-Projekt weiterläuft, und zwar mit Sicherheit. Offen ist derzeit nur, mit welchem Fahrer es weiter geht. Und um diese Dinge kümmere ich mich jetzt einmal – denn davon lebt meine Firma – und erst dann, irgendwo viel weiter hinten, kommt der Raimund Baumschlager als Fahrer an die Reihe.
Wenn also das Red Bull-Projekt ganz sicher weiterläuft und die Fahrerfrage noch offen ist - einmal angenommen, dass Andi Aigner dann nicht mehr dabei wäre - würde in dem Fall ein neuer Fahrer zum Einsatz kommen?
Ja. Und es gibt ja auch noch den Bernardo Sousa. Jedenfalls gibt es derzeit genügend Piloten, die im Red Bull Rallye Team fahren möchten.
Nur um auch diese Frage gestellt zu haben: Raimund Baumschlager in der Rallye-ÖM auf einem Red Bull-Skoda S 2000 – ist so etwas möglich?
Nein, ganz sicher nicht.
IRC?
Auch nicht. Und wenn ich 2009 die ÖM fahre, dann läuft das genau gleich wie bisher ab, also mit meinen Sponsoren und mit BRR.
Teil 1 des Interviews finden Sie in der Navigation rechts.