
Rallye-WM: Wales | 01.12.2008
„Wir hoffen alle, dass er es noch schafft!“
RBRT-Teamchef Raimund Baumschlager im motorline.cc-Interview: Über Aigners Titelchancen und die Zukunft des Steirers…
Michael Noir Trawniczek
Fotos: staatsmeister.at, Photo4
So wie viele heimische Rallyefans fiebert auch jener Mann dem „Grande Finale“ der PWRC entgegen, der in Wales für den Einsatz des Red Bull Rallye-Teams verantwortlich zeichnet: Raimund Baumschlager, dessen Schützling Andreas Aigner noch alle Chancen auf den WM-Titel in der seriennahen Klasse innehat – wenngleich der Steirer die WM-Führung vom Sommer verloren hat und er nun sechs Punkte hinter dem Finnen Juho Hänninen zurückliegt…
Baumschlager ist sich der Schwierigkeit der Mission bewusst – im ersten Teil unseres motorline.cc-Exklusivinterviews erklärt der Teamchef unter anderem, worauf es beim bevorstehenden PWRC-Showdown ankommt. Zudem stellt er sich den offenen Fragen hinsichtlich Aigners Zukunft im Rallyesport.
Raimund, das WM-Finale steht vor der Tür. Andi Aigner hat immer noch Chancen auf den PWRC-Titel – doch ihr werdet wohl auch eine große Portion Glück benötigen…
Ich sage es so: Wenn wir die WM am kommenden Wochenende verlieren sollten, dann haben wir sie mit Sicherheit nicht in England verloren, sondern zum einen bereits in Schweden, wo wir eigentlich einen ziemlich sicheren vierten Platz innehatten und es dann einen Ausrutscher gab - und mit hundertprozentiger Sicherheit in Neuseeland. Wenn der Andreas dort nur durchgefahren wäre, ganz normal und ohne Druck – dann wären am Ende der Rallye ungefähr vier Punkte mehr auf seinem Konto gestanden. Dann wären wir heute auf jeden Fall näher am Titel dran…
Noch ist der Titel möglich…
Ganz klar, er ist noch möglich – und ich hoffe auch von ganzem Herzen, dass wir es noch schaffen. Wir tun wirklich alles dafür, wir haben noch einmal das Auto ganz genau durchgecheckt und wir tun alles, was uns irgendwie möglich ist. Andreas ist jetzt auch noch viele Kilometer mit dem Auto gefahren – wir haben noch einen Test absolviert.
Ein Schottertest?
Ja, auf Schotter. Es waren zwei Testtage – wir wollten ihm einfach ermöglichen, dass er frei fahren kann, dass er diesen Test maximal für sich selbst nützen kann. Jetzt geht es nach Wales und wir hoffen alle, dass er es noch schafft - und wir glauben auch alle ganz fest daran.
Von der Taktik her gibt es wohl nicht mehr viele Möglichkeiten, oder?
Taktik gibt es in diesem Fall gar keine – es gibt von meiner Seite her nur die von mir selbst so ungeliebte Aussage eines Teamchefs, wie es zu meiner Zeit bei VW manchmal war, nämlich: ‚Volles Rohr fahren, dabei ins Ziel kommen und die Rallye gewinnen!’ Das ist mittlerweile die einzige verbleibende Vorgehensweise, etwas anderes gibt es für uns nicht mehr.
Man kann nur hoffen, dass Aigner schnell ist und er keinen Fehler macht - und dass am Auto alle Teile halten. Und auch wenn man es dem Juho Hänninen nicht wünschen darf, so wünscht man sich dann doch irgendwie, dass er einfach irgendwo stehen bleibt, mit einem technischen Problem.
Denn das ist unsere einzige Chance auf den Titel – bei dem starken Starterfeld noch dazu. Wenn der Andreas in Neuseeland die vier Punkte mitgenommen hätte, dann hätte man bei zwei Punkten Unterschied noch taktieren können – aber jetzt brauchst du das nicht mehr tun, weil es keinen Grund mehr dafür gibt. Jetzt kannst du nur noch attackieren, alles andere ist sinnlos.
Auch bei einem Ausfall von Juho Hänninen müsste Aigner zumindest den dritten Platz belegen…
Alles was schlechter ist als Platz drei würde bedeuten, dass wir verloren haben. Und bei diesem dritten Platz muss eben erst einmal der Juho Hänninen ausfallen. Die Voraussetzungen bei diesem Finale sind extrem schwierig – wenn du dir die Nennliste anschaust, wer da aller in der PWRC mitfährt: Guy Wilks, Patrick Flodin und viele mehr - das sind alles Leute, dir dort in Wales wahnsinnig schnell unterwegs sind.
Es könnte also selbst bei einem Ausfall von Hänninen knapp werden…
Deshalb sage ich ja: Du brauchst dort nicht mehr taktieren. Du kannst nur noch vom ersten Meter an volle Attacke fahren und versuchen, dabei auf der Straße zu bleiben und keinen Fehler zu machen. Alles andere ist ein Blödsinn. Weil man ja immer recht gerne sagt, man schaut einmal was passiert – an diesem Wochenende gibt es nichts zu schauen, da zählt nur die volle Attacke!
Für Andi Aigner dürfte das wohl die schwierigste Rallye seiner Karriere werden, oder?
Ja, das wird mit Sicherheit seine schwierigste Rallye – denn jetzt ist der Druck wirklich riesengroß.
Was die heimischen Rallyefans brennend interessiert: Wie sieht die Zukunft von Andreas Aigner aus? Und in wie fern ist diese abhängig vom Ausgang der WM?
Das weiß ich nicht, er ist ein Red Bull-Pilot und daher wird diese Entscheidung auch von Red Bull getroffen. Er ist ja nicht mein Fahrer – und ich kann daher auch nicht über seine Zukunft entscheiden. Man darf dabei auch nicht vergessen, dass dieses Projekt wahnsinnig viel Geld kostet. Die Entscheidung wird von Red Bull gefällt und ich würde selber nur zu gerne wissen, wie es weitergeht. Ich habe diesbezüglich auch bei Red Bull nachgefragt. Doch vor dem WM-Finale in Wales gibt es keine Entscheidung – und das muss man auch respektieren.
Bei Red Bull wird man doch zumindest auch eine Empfehlung von dir einholen, oder?
Im Sommer wurde ich gefragt, welchen Weg ich für die weitere Karriere des Andreas Aigner vorschlagen würde – und ich habe gesagt, dass man den Andi im nächsten Jahr unbedingt in ein WRC setzen sollte.
Red Bull hat ihm dann auch vor einigen Wochen einen Testtag im aktuellen Citroen C4 WRC ermöglicht – bei diesem Test war ich aber nicht dabei und ich weiß daher auch keine konkreten Ergebnisse. Er war jedoch zufrieden und hat gemeint, der Test sei okay gewesen – er hat mir erzählt, dass er sich am Vormittag noch ein bisschen schwer getan hat und dass es danach aber gepasst hat für ihn.
Und wie stehen nun die Chancen auf einen Einsatz in einem Citroen C4 WRC?
Nachdem ein solcher Einsatz mich beziehungsweise mein BRR-Team nicht wirklich betreffen würde, habe ich da auch keine näheren Informationen parat. Diese Frage wird einzig und allein von Red Bull entschieden. Wenn Red Bull und Citroen etwas beschließen, dann hat das mit mir genau Null zu tun – das geht mich dann auch nicht wirklich etwas an.
Naja, der Andi Aigner ist ja doch auch dein Schützling, oder?
Klar, aber in einem anderen Kontext: Ich war dafür verantwortlich, dass der Andi Aigner das schnelle Autofahren erlernt, dass er das Erstellen eines Schriebs erlernt und dass er lernt, sich auf der WM-Bühne zu bewegen. Zudem liegt meine Verantwortung auch darin, dass wir als Einsatzteam ordentliche Autos zur Verfügung stellen.
Diese Mission ist ja auch gelungen – die drei Siege in Folge zeugen davon, dass du diese Aufgaben, die du gerade aufgezählt hast, erfüllt hast…
Das hoffe ich doch. Und ich sehe es auch so, ganz ehrlich. Wir sind bei drei Rallyes durchgefahren, haben drei Mal gewonnen – erstens weil er clever gefahren ist, zweitens weil er keinerlei technische Probleme hatte, im Gegensatz zu vielen anderen. Diese drei Rallyes waren sensationell – da habe ich zu mir selbst gesagt: ‚Bist du deppert! Jetzt ist ihm wirklich der Knopf aufgegangen!’ Dann kamen Finnland und Neuseeland…
Und auch die Ungewissheit, ob und wie das Projekt fortgesetzt wird…
Für mich ist das auch eine schwere Zeit – denn ich weiß genauso wenig, wie es weitergehen wird. Ich hänge immer noch sehr an Andreas - ich habe fünf Jahre lang mit ihm verbracht, habe mich über ihn geärgert und mich mit ihm gefreut. Dieses Projekt war unsere Idee und das ist der Fahrer, der von uns ausgesucht wurde und den wir gefördert haben. Also das ist mir ganz sicher nicht egal, was jetzt mit ihm passiert.
Angenommen, Red Bull würde beschließen, dass man für Aigner ein WRC organisieren möchte – dann würde wohl nur der Citroen C4 in Frage kommen. Rund um JWRC-Champion Sébastien Ogier gab es Gerüchte über eine Art Citroen-„Juniorenteam“ in der WRC, in dem Zusammenhang fiel auch der Name Aigner. Ogier wurde jedoch weder für ein Werkscockpit noch für eines im M2-Team von Citroen bestätigt – er werde 2009 sechs Rallyes im C4 bestreiten, doch das seien private Einsätze, wurde betont. Wäre eine solche Lösung als Privatier auch für Aigner denkbar? Beispielsweise mit BRR bzw. RBRT als Einsatzteam?
Rein theoretisch wäre so etwas möglich – mit sehr viel Geld wohlgemerkt. Das wäre eine sehr teure Angelegenheit. Wie gesagt weiß ich nicht, ob Citroen mit Aigner plant.
Eine weitere PWRC-Saison betrachtest du jedenfalls nicht als zielführend, nicht wahr?
Also wenn man ihn jetzt schon wieder in die PWRC schicken würde, dann wäre er bald einmal so etwas wie der ewige PWRC-Fahrer – das kann ich mir nur schwer vorstellen, dass man eine solche Lösung anstrebt.
Andi Aigner im Skoda Fabia Super 2000 – ist eine solche Lösung überhaupt denkbar?
Ich habe tatsächlich bereits bei Skoda Motorsport nachgefragt, der Andi ist ja unser Fahrer und natürlich habe ich mich diesbezüglich erkundigt. Aber man hat mir erklärt, dass sie einfach andere Piloten im Auge haben. Und auch das muss man akzeptieren.
Dass Red Bull den Andi Aigner 2009 in der ÖM einsetzt, ist ebenfalls unwahrscheinlich, oder?
Ja, Red Bull hat da sicher kein Interesse daran – das war auch bei mir nie ein Thema.
Einen hab ich noch: Andi Aigner 2009 in der IRC?
Auch das kann ich mir nicht vorstellen. Jetzt fahren wir einmal nach Wales und versuchen dort mit all unseren Kräften, das Blatt noch einmal zu wenden. Und danach werden wir ja recht bald erfahren, wie es mit dem Projekt weitergeht – denn die Winterpause ist bekanntlich nur von kurzer Dauer…
Teil 2 des Interviews finden Sie in der Navigation rechts.