
Abgas-Skandal bei VW: Was dahinter steckt | 21.09.2015
Dicke Luft
US-Behörden haben bei Diesel-Abgasen von VW und Audi Manipulationen festgestellt. Stickoxid-Emissionen wurden per Software-Trick gesenkt.
Georg Koman
Ein Abgas-Skandal in den USA erschüttert Volkswagen: Den Wolfsburgern droht dort eine empfindliche Geldstrafe von umgerechnet bis zu 16 Milliarden Euro.
Worum geht es hier eigentlich? Zunächst einmal um die USA, die abgastechnisch zwei Gesichter hat. Während bei Nutzfahrzeugen Abgase nicht einmal gemessen werden, sieht man sich (besonders Kalifornien) bei Pkw als diesbezüglicher Vorreiter. Dieselfahrzeuge galten deshalb wegen ihres höheren Stickoxid-Ausstoßes in den USA jahrelang als nicht zulassungsfähig.
VW hat offensichtlich einen besonderen Technik-Trick bei der Abgasmessung angewendet: Eine Software erkennt den Emissionstest an unnatürlich langsamen Drehzahlschwankungen und ändert sofort die Motorsteuerung. Via veränderter Abgasrückführung reduziert sich der Stickoxidwert (NOx) während der Messung.
Betroffen sind Motoren des Typs EA 189, in den USA ist das der 140 PS starke 2.0 TDI. VW hat daher vorerst einen Verkaufsstopp für die Modelle VW Golf, Beetle, Jetta, Passat und Audi A3 verfügt.
Betrifft die Sache auch europäische VW-Modelle? Ja, aber nur jene, die nach der Abgasnorm Euro 5 typisiert wurden. Aktuelle Modelle (Euro 6) sind davon nicht betroffen. Generell sind die NOx-Grenzwerte der Europäischen Abgasnormen nicht so scharf wie in den USA. Der Hauptfokus der Europäischen Union liegt auf Verbrauchssenkung.
Weltweit sind jedenfalls rund 11 Millionen Motoren des Typs EA 189 (zu dem auch der 1.6 TDI gehört) auf der Straße. Nunmehr steht vor allem Vorstandschef Martin Winterkorn am Pranger, zumal er in Personalunion auch VW-Entwicklungschef und damit oberster Techniker ist.
Auto-Experte Ferdinand Dudenhöffer von der Universität Duisburg-Essen sagte etwa der Westdeutschen Allgemeinen Zeitung: "Die Entwicklungsabteilung ist für die Software der Motorsteuerung zuständig. Entweder Winterkorn wusste, was passiert ist. Das wäre schlecht für ihn. Oder er wusste nicht, was passiert ist. Das wäre noch schlechter. Denn dann hätte er seinen Laden nicht im Griff."
Stimmen aus dem VW-Konzern sind mehrheitlich genau gegenteiliger Meinung: Unwissenheit sei zwar kein Renommee, aber ein echter Rücktrittsgrund wäre lediglich Mitwisserschaft.
Winterkorn selbst sagt dazu in einer ersten Stellungnahme: "Ich persönlich bedauere zutiefst, dass wir das Vertrauen unserer Kunden und der Öffentlichkeit enttäuscht haben". VW werde nun mit den zuständigen Behörden umfassend zusammenarbeiten, um den Sachverhalt schnell und transparent vollumfänglich zu klären.
Volkswagen hat aus diesem Grund eine externe Untersuchung beauftragt und wird im laufenden Quartal 6,5 Milliarden Euro ergebniswirksam zurückstellen.