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Ennstal Classic 2008

"Sie sagten: 'Dein Vater ist unser Idol!'"

Die Kindheit am Puls der F1, der Papa einer der weltbesten Motorsport-Journalisten - Alexander Zwickl erzählt unter anderem, warum er jetzt die Werke seines Vaters studiert...

Michael Noir Trawniczek
Foto: Robert May

Alexander Zwickl gehört neben seinem Vater Helmut Zwickl und dessen Partner Michael Glöckner zu den "Drahtziehern" der Ennstal Classic. Seit einiger Zeit studiert "Xandl" die Werke seines berühmten Vaters, wühlt sich durch dessen Archiv - die Jahre davor wollte der heute 24-jährige seinen eigenen Weg finden. Im Interview erzählt Alexander Zwickl von seiner Kindheit am Puls der Formel 1, von seinen Rennfahrerambitionen, von seinen Zukunftsperspektiven und verrät, warum er damals bei jeder Wurstsemmel ein "schlechtes Gewissen" hatte...

Alexander Zwickl, 'Xandl' Zwickl - wann hast du zum ersten Mal mitbekommen, dass dein Vater Helmut Zwickl in der Formel 1 unterwegs ist und er dort als Journalist arbeitet?

Das wurde mir schon sehr früh, sicher schon mit drei Jahren klar - weil mein Vater mir immer Geschenke von den Formel 1-Grand Prix mitgebracht hat. Das waren meistens kleine F1-Autos, Kappen und andere Accessoires - da wurde mir früh klar: Der muss etwas mit der F1 zu tun haben!

Aber du hast die F1 über deinen Vater kennengelernt - hast quasi deinen Vater und die F1 in einem Aufwaschen wahrgenommen, oder?

Du wächst da mit rein. Du siehst: Der Papa fliegt weg - was dich als kleines Kind unheimlich mitnimmt. Du fragst: 'Wo ist der Papa?' und du hörst: 'Der Papa ist beim Grand Prix.' Du siehst im Fernsehen den GP und weißt: Da ist jetzt gerade der Papa. Ab und zu hat die Mama geschrien: 'Schau, der Papa rennt durchs Bild!' Da habe ich ihn natürlich wiedererkannt. F1 war zuhause natürlich immer das Gesprächsthema Nr. 1.

So richtig bewusst kann dir das Ganze in dem Alter aber noch nicht gewesen sein...

Ja, richtig, man fasst das zunächst als Selbstverständlichkeit auf. Du lernst den Gerhard Berger kennen, den Niki Lauda - natürlich ist das toll, aber du befasst dich als Kind nicht wirklich damit. Weil es selbstverständlich ist.

Erst jetzt habe ich mich mit der Vergangenheit der Formel 1, mit der Vergangenheit meines Vaters beschäftigt - es wurde zuhause von Jochen Rindt erzählt, aber wenn du darüber etwas in einem Buch liest, ist das etwas ganz anderes. Wenn du all diese Namen liest, die sich in deinem Umfeld bewegt haben und du denkst: 'Hey, den kenne ich! Dem habe ich damals die Hand geschüttelt!' - dann ist das ganz anders.

Hast du die Arbeit deines Vaters in jungen Jahren vielleicht deshalb nicht so genau verfolgt, weil du etwas Eigenes machen wolltest? Ich will jetzt nicht von Revolution sprechen - aber weil du halt einfach einen eigenen Weg beschreiten wolltest?

Als Kind war es mir eigentlich egal. Wie jedem Kind. Natürlich habe ich gerne mit Autos gespielt, habe im Fasching immer Rennoveralls getragen, bin stets als Rennfahrer gegangen - aber sonst war es mir eigentlich ziemlich egal. Ich habe dann mit sieben Jahren mit dem Kartfahren begonnen, nachdem ich meinen Vater richtiggehend gequält habe - denn er wollte das immer verhindern, was ihm aber nicht gelungen ist. Mit dem Kartsport ist dann auch schön langsam das Interesse für den Motorsport gekommen.

Hast du auch daran gedacht, Rennfahrer zu werden?

Was heißt daran gedacht? Mit 14 war ich schwer davon überzeugt, einmal Formel 1-Weltmeister zu werden! Ich fuhr Kartrennen, ich habe auch Testfahrten mit den verschiedensten Formelautos absolviert. Irgendwann bin ich aber draufgekommen, dass eine Matura dann doch gescheiter wäre als eine Rennkarriere.

Ich habe die Rennkarriere dann aufgegeben, weil es auch irrsinnig schwer ist, Sponsoren zu bekommen. Mein Vater hat immer gesagt: 'Ich finanziere dir das ganz sicher nicht!' Und ich war damals, als 15-, 16-jähriger irrsinnig böse auf meinen Vater und habe mir gedacht: 'Hey Papa, warum? Ich will Rennfahrer werden!' Aber jetzt verstehe ich das - und das war die beste Entscheidung überhaupt.

Du wolltest Weltmeister werden, aber offenbar nicht als Reporter in die Fußstapfen deines Vaters treten. Vielleicht auch deshalb, weil du dachtest, dass der Helmut eben so gut ist, dass du da immer nur die Nr.2 sein, du immer in seinem Schatten stehen würdest?

Richtig. So war es eigentlich. Ich werde oft gefragt, ob ich nicht Journalist werden möchte. Und ich sage immer, dass ich meine eigenen Wege beschreiten will. Ich würde als Journalist immer mit meinem Vater verglichen werden und ich glaube nicht, dass man heute das erleben kann, was mein Vater in den letzten vierzig Jahren erlebt hat. Obwohl ich durchaus gerne schreibe, vielleicht werde ich auch einmal etwas schreiben - aber ich werde sicher keine journalistische Laufbahn einschlagen.

Dein Vater hat mit seinem Partner Michael Glöckner vor 16 Jahren die Ennstal Classic ins Leben gerufen - das ist längst nicht mehr 'nur' eine Oldtimer-Rallye, sondern ein Kultevent, zu dem internationale Stars kommen - aus der Formel 1, aus dem Rallyesport, aber auch Schauspieler und andere, sie alle kommen gerne nach Gröbming. Und du bist ein Teil des Planungsteams. Wie war denn die erste Ennstal Classic für dich?

Bei der ersten Ennstal Classic war ich neun Jahre alt, da habe ich Programmhefte und Kappen verkauft. Die gingen schnell weg und ich bin Minigolf spielen gegangen und das Ganze hat mich nicht weiter interessiert. Dann ist das gewachsen, ich habe immer mehr Aufgaben übernommen und jetzt versuche ich halt, meinen Vater und den Michael Glöckner in den verschiedenen Bereichen bei der Organisation der Ennstal Classic zu unterstützen.

Mittlerweile nimmst du eine leitende Rolle im Organisationskomitee ein...

Sehr viele meiner Freunde absolvieren Praktika auf der ganzen Welt, das ist toll - aber in zwei Wochen Organisationsarbeit bei der Ennstal Classic lernst du mehr fürs Leben als in einem halben Jahr Praktikum. Da kommen Vorstandsvorsitzende auf dich zu und fragen, ob du ihnen in diesem oder jenem Bereich helfen kannst - und dann sagen sie: 'Apropos, ich bin der Hans, und hier hast du meine Visitenkarte. Wenn du in meiner Stadt bist, ruf mich an. Ich habe den neuen Ferrari 599 GTB - ruf mich an, wenn du ihn fahren willst am Wochenende, kein Problem.'

Man macht einfach irrsinnig viele Erfahrungen bei dieser Aufgabe - und das ist unbezahlbar. Du bist Assistent - bist aber sofort per Du mit diesen Menschen, die alle schon wahnsinnig viel erreicht haben in ihrem Leben - das ist ein Vorteil, den mir mein Vater geben konnte. Und das hat nichts mit Protektion zu tun. Die Organisation einer solchen Veranstaltung ist einfach eine Bühne, auf der man sich präsentieren kann - entweder kannst du sie nützen oder eben nicht.

Alle meine Freunde, sicher zwanzig, arbeiten bei der Ennstal Classic mit - und sie alle zu koordinieren, ist eine Managementaufgabe, die du bei einem gängigen Praktikum so nicht finden wirst. Und da sind Leute dabei, von denen kannst du bei einem Abendessen mehr lernen als in einem ganzen Semester auf der Uni.

Jetzt holen wir gerade Sir Stirling Moss vom Flughafen ab - und das sind immer die tollen Momente. Du sitzt dann eine Stunde mit dem Stirling Moss im Auto und er erzählt Geschichten. Das ist irrsinnig aufregend, da wird Geschichte plötzlich wahrhaftig, sie wird lebendig. Diese Geschichte kennt man ja nur aus Büchern - und plötzlich sitzt der Mann bei dir im Auto und du bist verantwortlich dafür, dass er gut und heil ankommt.

Das wundert mich eigentlich - denn diese Bücher stammen ja zum Teil auch von deinem Vater, also kann dich das doch eigentlich gar nicht so sehr aufregen, oder?

Ich habe erst sehr spät begonnen, die Bücher meines Vaters zu lesen. Sie anfangs nicht zu lesen, war vielleicht meine Art von Revolution, meine Jugend. Ich habe auch sehr selten seine Zeitungsartikel gelesen. Weil er es ohnehin erzählt hat. Doch irgendwann kam der Moment, als mir zwei junge Journalisten gesagt haben: 'Dein Vater ist unser Idol! Das Buch 'Hinrichtung eines Champions' ist unsere Bibel. Das liegt bei uns am Nachtkästchen.' Und da dachte ich mir: 'Eigentlich sollte ich dieses Buch lesen.' Dann habe ich damit begonnen, mich mit dieser Geschichte auseinanderzusetzen. Ich lese jetzt sehr viel, der Papa hat ein riesiges Archiv...

Wenn du jetzt zum Beispiel einen Artikel liest, den Helmut sagen wir vor zwanzig Jahren geschrieben hat - gehst du dann zu deinem Vater und sagst: 'Super hast du das geschrieben!' - und er sagt dann vielleicht: 'Xandl, wovon sprichst du?' Kann man sich das so vorstellen?

Ich muss ehrlich gestehen: ich bekomme eine Gänsehaut, wenn ich das lese. Die 'Hinrichtung eines Champions' - ich kann mich so gut in meinen Vater hineinversetzen. Du kennst diese Geschichten, du kennst diese Emotionen, die dabei waren. Dieser Zorn, den er damals, nach dem tödlichen Unfall von Jochen Rindt hatte - auf diese ganze Formel 1. Diesen Zorn, den er sich vom Herzen geschrieben hat. Ich kann das so gut mitfühlen - und dann gehe ich zu ihm hin und sage: 'Papa, reden wir darüber!' Und dann erzählt er mir diese Geschichten - und dann wird das einfach lebendig. Es ist unglaublich, wie man sich plötzlich mit dieser Sache identifizieren kann.

Vielleicht hat sich dein Vater schon früher gewünscht, dass du dich für diese Dinge interessierst? Und jetzt holst du es nach - kann man das so sagen?

Ja, genau. Früher war mein Interesse so wie bei jedem jungen Buben. Mir haben schnelle Autos und Gokarts gefallen, die Formel 1 hat mich interessiert - aber nie die Personen, die Menschen dahinter. Und jetzt lerne ich diese Menschen kennen. Ich stelle ihnen Fragen zu diesen Geschichten - weil es mich wirklich interessiert. Das ist Geschichtsforschung. Da sind Zeitzeugen, die dir das persönlich erzählen - dafür bin ich irrsinnig dankbar.

Du wirkst dermaßen begeistert, dass ich mir vorstellen kann, dass du vielleicht doch noch zu schreiben beginnst...

Ich will dennoch meine eigenen Wege gehen. Motorsport ist meine Leidenschaft - und die Ennstal Classic ist das Lebenswerk meines Vaters. Ich werde oft gefragt, ob ich die Ennstal Classic später einmal weiterführen möchte. Und ich antworte immer: 'Ich werde alles dafür geben, dass die Ennstal Classic weiterbesteht!' Nur: Es wird nicht mein Hautgeschäft sein.

Und wohin führt dein eigener Weg?

Ich habe die HTL gemacht, bin gerade am Fertigwerden mit Betriebswirtschaft. Ich befinde mich gerade auf so einem Scheideweg: Mache ich das Doktorat weiter? Was mich als Herausforderung reizen würde. Oder beginne ich zu arbeiten? In einem Betrieb, einem Konzern? Oder, was mich sehr reizen würde, beginne ich selbstständig zu werden? Man hat, wie viele junge Leute, viele Ideen und Projekte im Kopf.

Was möchtest du in fünfzig Jahren erreicht haben?

Ich bin ein Familienmensch, ich komme aus einer intakten Familie. Und natürlich kommt immer diese übliche Frage und natürlich will ich Kinder, will ich eine Familie haben. Und natürlich will ich gesund bleiben - das will jeder. Ich will mich aber auch selbst verwirklicht haben. Ich will meine Träume umgesetzt haben. Und die ändern sich natürlich. Man verändert sich - und mit jedem Jahr weiß man um so viele Dinge mehr. Früher wollte ich unbedingt in einem Konzern Karriere machen, heute denke ich: 'Oh Gott, ich will mein eigener Chef sein!'

Wir haben vorher über die Bürde gesprochen, der Sohn von so einem erfolgreichen Mann zu sein - weil man stets mit ihm verglichen wird, weil man einen eigenen Weg gehen möchte. Jetzt werden aber vielleicht einige Leute sagen: 'Der hat leicht reden!' Denn es gibt ja auch Vorteile, die du genießt. Eine finanzielle Sicherheit. Du kannst sehr lange überlegen, was du tun willst. Was sagst du jemandem, der mit diesem Argument kommt, der sagt, dass du....

...einen einfacheren Start hast?

Genau.

Natürlich muss man demjenigen Recht geben. Ich habe einen einfacheren Start. Obwohl: Finanziell abgesichert bin ich nicht - ich muss schon mein eigenes Geld verdienen. Ich habe früher meinen Vater immer gefragt: 'Papa, wie viel verdienst du?' Und er hat geantwortet: 'Xandi, bei einem Formel 1-Grand Prix verdiene ich so viel, dass ich dir eine Wurstsemmel kaufen kann.' Und das hat mich schockiert als Kind. Ich habe gedacht: 'Oh Gott - und ich esse so viele Wurstsemmeln!' Und mein Vater hat mir das ziemlich früh klargemacht, er hat gesagt: 'Xandi, ich kann dir nicht viel vermachen - außer einer Schreibmaschine und einem bekannten Namen.' Das war mir als 12-, 13-jähriger schon klar. Ich wusste, dass ich meinen eigenen Weg gehen, dass ich selbst etwas schaffen muss.

Natürlich - und dafür bin ich meinem Vater irrsinnig dankbar - hat er immer schon versucht, mich mit all seinen Bekannten - der damalige Bundeskanzler war bei uns zu Besuch, Leute aus dem Unterrichtsministerium, Vorstände der Wirtschaft - an einen Tisch zu setzen. Da saß ich dann und durfte mit ihnen mitreden. Ich bin dagesessen wie ein Schwamm und habe das alles aufgesaugt, habe den Leuten Fragen gestellt und sie haben mir geantwortet. Da hat sich sehr schnell sehr viel Wissen angesammelt. Ich habe etwas in der Zeitung oder im Internet gelesen und habe die Leute dazu befragen können und sie haben mir ihre Sichtweise dazu gezeigt. Das waren irrsinnig gute Erfahrungen. Und natürlich: Diese Netzwerke, diese Kontakte sind da, die Türe ist offen - nur durchgehen muss man selber. Und wenn man ein Trottel ist - einmal machen sie dir einen Gefallen und setzen dich irgendwo rein. Aber ganz nach oben kommst du als Trottel nicht.

» Zur Ennstal Classic-Website: ww.ennstal-classic.at

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