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Jean Sage im Interview

Jean Sage war 1977 Sportdirektor des Renault F1 Teams und gilt quasi als Vater der Turboära - im exklusiven Interview spricht er über damals und heute.

Michael Noir Trawniczek
Foto: Markus Kucera

In den Siebzigerjahren, ab 1977, hat Renault den Sprung in die Formel 1 gewagt, mit einem Turbomotor. Anfangs gab es viele Motorschäden, das Auto wurde belächelt, man hat von der "Teekanne" gesprochen, weil der gelbe Wagen so oft rauchend ausgerollt ist. Aber Sie, als Renault-Teammanager, haben an dieses Turboprojekt von Beginn an geglaubt, nicht wahr?

1977 haben wir in Silverstone begonnen, mit unserem 1,5 Liter Turbomotor. Wir sind in der Formel 1 geblieben bis 1986. Das waren also beinahe zehn Jahre und wir haben zwanzig Rennen gewonnen und fünfzig Polepositions erobert.

1979 gab es dann den ersten Sieg, durch Jean Pierre Jabouille in Dijon - aber die zwei Jahre davor waren sehr hart, es gab sehr viele Rückschläge, sehr viele Motorschäden. Woher haben Sie gewusst, dass es sich beim Turbo um das Konzept der Zukunft handelt?

Auf dem Papier war es eindeutig - es gab einfach mehr PS als bei einem normalen Saugmotor. Wir haben viele Tests absolviert - zuerst mit einem 2 Liter Motor, danach mit dem 1,5 Liter Aggregat. Ein Mitarbeiter von Elf hat uns sehr geholfen - er hat die ersten Motoren aus seiner eigenen Tasche bezahlt. Denn die Generaldirektion von Renault wusste am Anfang gar nichts von diesem Projekt - wir haben das am Anfang als Geheimprojekt geführt. Erst als es die ersten guten Ergebnisse auf dem Prüfstand gab, haben wir um eine Bewilligung angefragt, damit wir weiter arbeiten dürfen.

Gab es in diesen zwei schwierigen Jahren von 1977 bis 1979 Probleme mit dem Vorstand?

Naja, wir waren zwar nicht sehr zuverlässig, aber wir waren bereits sehr schnell. Und wir haben ja auch Polepositions erobert, wir lagen auch in Führung - aber es gab halt am Anfang noch einige Probleme. Wir wussten jedoch, dass wir im Laufe der Entwicklungsarbeit die nötige Standfestigkeit erreichen werden. Die ersten guten Ergebnisse haben wir mit zwei Turboladern erreicht, denn anfangs haben wir ja nur mit einem Turbolader gearbeitet - die zwei Turbolader haben wir am Beginn der Saison 1979 eingeführt. Mit nur einem Turbolader war es extrem schwierig, zum Beispiel im Regen...

Wegen der Verzögerung? Wegen dem so genannten Turboloch?

Ja, genau.

Im Endeffekt haben Sie ein neues Zeitalter in der Formel 1 ausgelöst, die Turboära...

Ja, nach uns haben viele Teams Turbomotoren eingesetzt - wie Ferrari und BMW. Doch dann waren einfach die Kosten zu hoch und man hat wieder Saugmotoren eingesetzt. Aber in der Serie gibt es heute noch sehr viele Motoren, Benzin und auch Diesel-Motoren, die mit Turboladern ausgerüstet sind. So gesehen haben wir durchaus eine Vorreiterrolle eingenommen. Das war also wirklich eine gute Idee.

Und Sie sind quasi der Vater dieser Idee...

Dieses Konzept war nicht wirklich neu, das hat es bereits vor dem Krieg gegeben, es wurde jedoch nie wirklich entwickelt. Wir haben das dann eben aufgegriffen und weiterentwickelt.

Wenn Sie die heutige Formel 1 betrachten, vom Standpunkt des Motorenbauers aus betrachtet - finden Sie das interessant?

Nein, das finde ich nicht wirklich interessant. Und auch die Atmosphäre ist nicht wirklich gut. Wir haben gemeinsam mit Helmut Zwickl die besten Jahre der Formel 1 erlebt.

Die Hersteller stecken alle viel Geld in Motoren, die aber vom Konzept her aufgrund des Reglements total gleich sind - im Endeffekt bauen sie alle einen Einheitsmotor, oder?

Ja, die Entwicklung ist bei weitem nicht so interessant wie das früher der Fall war.

Wenn es jetzt eine offene Motorenformel in der Formel 1 geben würde - was wäre denn jetzt ein Konzept der Zukunft?

Ich weiß es nicht wirklich - aber solche Ideen kommen immer mit der Entwicklungsarbeit. Jedenfalls bin ich ganz sicher für eine freie Motorenformel. Und auch was das Chassis anbelangt - die Formel 1-Autos sehen alle nahezu gleich aus, sie unterscheiden sich im Grunde nur noch durch die Lackierung. Es wäre viel interessanter, wenn es verschiedene Konzepte geben würde - mit vier, sechs oder acht Zylindern - das wäre doch viel besser!

1979 gab es total verschiedene Konzepte - da war a auch ein Boxermotor dabei. In Österreich gibt es ein Rallyeteam, Stohl Racing - die haben einen Erdgasmotor entwickelt. In der österreichischen Staatsmeisterschaft wird auch mit Bioethanol gefahren. Wäre das eine Möglichkeit in einer offenen Formel 1? Also Erdgas oder Bioethanol oder gar Wasserstoff?

Ich war letzte Woche beim Le Mans Classic Rennen. Da gab es für alle Bewerber kostenloses Biobenzin, während für das herkömmliche Benzin bezahlt werden musste. Ich habe das Biobenzin ausprobiert in meinem Wagen und ich war sehr zufrieden.

2009 wird in der Formel 1 die Aerodynamik weiter reduziert, die Fahrhilfen wurden bereits stark eingeschränkt - glauben Sie, dass die Formel 1 jetzt in eine bessere Richtung geht?

Nein, ich glaube nicht. Wie ich vorhin gesagt habe - das ist zu eingeschränkt. Ich bin für ein freies Reglement, für eine freie Formel.

Wenn Sie also FIA-Präsident wären, dann würden Sie das Reglement wieder mehr öffnen?

Ja. Sicher. Ich würde natürlich beim Hubraum eine Grenze vorgeben und bei den Abmaßen eines Formel 1-Boliden. Aber darüber hinaus würde ich alles offen lassen.

Jetzt stellt sich die Frage: Würde dann überhaupt etwas Neues, etwas Revolutionäres entstehen oder hat man bereits die optimale Form erreicht? Wäre es möglich, dass man beispielsweise den Motor neben dem Piloten platzieren würde oder würden ohnehin alle das gleiche Auto bauen, weil das eben die optimale Form ist?

So wie die Autos heute gebaut sind, mit dem Motor hinter dem Fahrer und so weiter, das ist mit dem heutigen Stand natürlich die bestmögliche Form. Aber die wirklichen neuen Ideen kommen erst mit der Entwicklungsarbeit - da probiert man dann verschiedene Möglichkeiten aus, und man stößt auf etwas Neues. Und ich bin ja kein Ingenieur, ich war ja nur der Teammanager - wir hatten eine Versuchsabteilung, mit sehr guten Leuten, und sie kamen zu mir, mit dieser Idee des Turbomotors. Und ich habe mich dafür eingesetzt. So etwas entsteht jedoch nur, wenn das Reglement möglichst frei und offen ist - und das ist meine Vorstellung einer modernen Formel 1.

» Zur Ennstal Classic-Website: ww.ennstal-classic.at

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