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Ennstal Classic 2011

Jutta Kleinschmidt im Interview

Im Jahr 2001 konnte Jutta Kleinschmidt als erste und einzige Frau die berühmte Wüstenrallye Dakar gewinnen. Die Ennstal Classic bestreitet sie zum ersten Mal…

Michael Noir Trawniczek
Foto: Martin Huber/Ennstal Classic

Jutta Kleinschmidt hat im Jahr 2001 Motorsportgeschichte geschrieben – als erste und bislang einzige Frau konnte sie die legendäre Wüstenrallye Paris-Dakar gewinnen. Damals führte diese Rallye noch durch Afrika.

Im Vorjahr sind zwei Bücher der 49-jährigen erschienen, eines handelt von ihrem Dakar-Sieg, das andere heißt „Frau fährt besser, als Mann denkt“.

Bei der Ennstal Classic tritt Jutta Kleinschmidt zum ersten Mal an - gemeinsam mit Ralf Rodepeter, dem Chef des BMW Classic-Teams und des BMW Museums pilotiert sie einen BMW 1800 TI/SA aus dem Jahr 1965. Auf der Starterliste ist sie zwar als Navigatorin angeführt, doch die beiden wechseln einander am Steuer des BMW ab. Vor dem Start des Orange Prologs nahm sich die erfolgreichste Frau des Motorsports Zeit für ein kurzes Interview…

Jutta, ich habe mir gedacht, du bist als Navigatorin bei der Ennstal Classic im Einsatz…

Nein, ich bin Fahrerin und war schon immer Fahrerin.

Ich sehe es – eigentlich war meine erste Frage, ob die Beifahrerseite nicht die falsche Seite im Auto für dich ist…

Gestern saß ich auch tatsächlich auf der falschen Seite, wir haben uns abgewechselt.

Also hast du gestern gelitten auf der Beifahrerseite?

Genau, gestern war der Tag, an dem ich leiden musste (lacht). Aber es war auch interessant, einmal die andere Seite kennen zu lernen. Dann weiß man das auch wieder zu schätzen – obwohl man das ohnehin immer zu schätzen weiß. Man sieht dann wieder, wie schwer das ist als Navigator. Gerade bei diesen Durchschnittsgeschwindigkeiten, wo du alle hundert Meter korrigieren musst. Aber es war ganz interessant und hat mir auch Spaß bereitet, mir das mal anzuschauen.

Kann man das Autofahren im Paradies überhaupt genießen mit den ganzen Tabellen und dem Tripmaster im Auge?

Es gibt schon Stellen, wo du sehr beschäftigt bist. Aber zwischendrin hast du ja Etappen, wo du einfach nur spazieren fährst – und da kann man das schon richtig genießen. Die Sonderprüfungen sind ja nur kurze Stücke, wo man sich konzentrieren muss. Da schaut man vor allem als Beifahrer auf die Uhr und auf den Tripmaster – der Ralf, mein Teamkollege, durfte ja gestern fahren und er hat gemeint: ‚Oh, ist das schön hier!‘ und ich habe nur gemeint: ‚Ich kann jetzt gar nicht schauen, weil ich muss auf meine Tabellen achten!‘

Ist das die erste Ennstal Classic für dich?

Ja, das ist meine erste Ennstal Classic – ich finde die Landschaft hier irrsinnig toll. Es kommt mir auch sehr entgegen, weil ich ja in Berchtesgarden aufgewachsen bin, also praktisch nur 100 Kilometer entfernt von hier. Die Gegend ist sehr ähnlich – und deswegen ist es für mich so etwas wie ein Heimspiel.

Kann man sagen, dass du die erfolgreichste Frau im Motorsport bist?

Im Rallyebereich mit Sicherheit. Das sagen die Leute halt von mir – ich sage es aber ungern selber von mir.

Das so genannte ‚Frauenthema‘ allgemein – stört dich das, wenn das thematisiert wird?

Nein, überhaupt nicht. Ich finde es super, dass man zeigen kann, dass Frauen auch im Motorsport sehr erfolgreich sein können. Auch wenn es eine reine Männerdomäne ist und wir gemischt den Sport ausüben – aber dadurch, dass ich auch gegen alle Männer gewonnen habe, habe ich ja gezeigt, dass man das auch als Frau machen kann. Das ist schon schön – und deshalb stört mich dieses Frauenthema auch nicht, sondern ich möchte die Frauen motivieren, dass sie sich das Selbstvertrauen aneignen, dass sie das auch können.

Wahrscheinlich war in deiner Karriere das Fahren weniger schwierig als das Lobbying oder?

Klar, das ist immer so, wenn man in eine Männerdomäne eindringt – dass die Männer dann natürlich zum Teil auch richtig gegen einen kämpfen. Es ist ja einigen Männern wahrscheinlich immer noch ein bisschen peinlich, wenn man gegen eine Frau verliert…

Ich kenne eine Pilotin, der wurde im Kartsport Zucker in den Tank geleert, von beleidigten Männern, die sie geschlagen hat – gab es solche Anschläge auch in deiner Karriere?

Natürlich gab es das eine oder andere, wo man ungerecht behandelt wurde. Aber da muss man einfach durch und man muss kämpfen – und wenn man wirklich nicht aufgibt, schafft man es auch.

Wenn man die alte, die originale Dakar-Rallye in Südafrika gewonnen hat – wie sieht man dann die neue Dakar in Argentinien?

Die Zeiten ändern sich natürlich – und der Veranstalter hat sich etwas Neues überlegt. Jetzt ist die Rallye in Argentinien und Chile, das sind sicherlich tolle Länder. Aber ich sage es einmal so: Die eingefleischten Dakar-Fahrer erwarten schon, dass die Dakar durch Südafrika geht.

Und natürlich sind die Herausforderungen anders: Es ist jetzt mehr Piste, es ist jetzt mehr wie eine normale Rallye. Sicherlich bleibt das Rennen immer eine Herausforderung – aber ich würde mir wünschen, dass die Rallye Dakar wieder in Afrika abgehalten wird.

Hast du am Beginn auch normale Rallyes bestritten?

Nein, das habe ich nicht – ich habe mit dem Motorrad angefangen und bin gleich Rally-Raid gefahren. Weil ich das Abenteuer gesucht habe, diese Herausforderung, das Unbekannte und auch eben fremde Länder kennen zu lernen. Wo man einfach nicht genau weiß, was am Tag auf einen zukommt. Und das hat man bei dieser Sportart, dem Rally-Raid am allermeisten.

Bist du als Jugendliche auch getrampt?

Ich bin getrampt, genau. Und zwar sehr viel. Und wirklich zum Entsetzen meiner Mutter bin ich als Mädchen alleine rumgetrampt. Und ich hatte sicherlich auch das eine oder andere nicht ungefährliche Erlebnis – doch ich war schon immer jemand, der sich sehr gut wehren konnte und so habe ich das Gott sei Dank zum Glück gut überstanden.

Wenn man sich so sehr interessiert für fremde Länder, für die Menschen in diesen Ländern – ist es dann nicht manchmal blöd, wenn man nicht stehenbleiben darf sondern Gas geben muss?

Ja, klar kommen Stellen, wo man sagt: ‚Mensch, da würde ich jetzt gerne zwei Tage verbringen!‘ Weil es so wunderschön ist. Aber auf der anderen Seite bin ich durch den Sport in Gegenden gekommen, wo ich ohne den Sport niemals hingekommen wäre. Dann hätte ich es gar nicht gesehen. Man lernt so viel Neues kennen, weil man einfach so viele Kilometer durch unbekanntes und neues Gelände fährt.

Wie sieht dein aktuelles Programm aus?

Im Moment ist für dieses Jahr keine Rallye geplant. Ich mache derzeit sehr viele Motivationsvorträge für Firmen, das macht sehr viel Spaß. Ich habe ein Buch geschrieben, das Ende letztes Jahr fertig geworden ist. Dadurch habe ich derzeit recht viele Vorträge, das macht mir große Freude. Und ansonsten schaue ich einfach, was die Zukunft bringt, das weiß ich jetzt noch nicht.

In welche Richtung motivierst du die Leute bei den Vorträgen?

Erst einmal geht es darum, zu überlegen, was man wirklich will, was man wirklich erreichen will. Denn es scheitert bei vielen schon daran, dass sie eigentlich gar keinen richtigen Traum haben, den sie verwirklichen könnten. Da gibt es keine Vision, was sie im Leben machen wollen.

Das ist einmal das erste – und wenn man das hat, dass man etwas machen will, kommt hinzu, dass man dann auch den Weg geht. Auch wenn es vielleicht am Anfang ein bisschen unwahrscheinlich aussieht.

Das war bei mir ja auch so. Bei mir in der Familie hat keiner Motorsport betrieben. Und insofern erzähle ich anhand meiner Geschichte, dass eben solche Dinge, wenn man es wirklich will auch tatsächlich möglich sind. Und ich gebe natürlich auch Hilfestellungen, wie man das eine oder andere machen kann, um sein Ziel zu erreichen.

Finde ich cool – aber in Richtung Rallye tut sich derzeit nichts?

Im Moment nicht. Ja, vielleicht einmal mit einem richtig grünen, einem umweltfreundlichen Auto fahren, das wäre auch lustig. Das gibt es jetzt mehr und mehr. Mal schauen, was sich da ergibt, vielleicht ein Hybrid oder etwas in diese Richtung. Das wäre eine Herausforderung, um auch ein bisschen mit der Zeit zu gehen.

Da sind wir gespannt, was man da noch von dir hören wird – danke für das Interview, noch alles Gute bei der Ennstal Classic.

Danke.

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