CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Maria Teresa de Filippis: "Fangio war ein Großer!"

Die erste erfolgreiche Grand Prix-Pilotin Maria Teresa de Filippis erzählt von ihren Erlebnissen mit dem fünffachen Formel 1-Weltmeister Juan Manuel Fangio.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: www.ennstal-classic.at

Vor 50 Jahren gewann Juan Manuel Fangio in Buenos Aires das erste Formel 1-Rennen, das nach der neuen 2,5 Liter-Formel abgehalten wurde. Fangio pilotierte einen Maserati 250F - jenen Boliden, der für Privatiers gebaut wurde und von 1954 bis 1960 bei jedem Rennen vertreten war und so auf insgesamt 247 Grand Prix-Einsätze kam, was auch heute noch absoluter Weltrekord ist.

Einen solchen Maserati 250F steuerte auch die erste Frau im GP-Sport, die erfolgreich an einem F1-Rennen teilnahm, Maria Teresa de Filippis. Die Italienerin wurde im November des Vorjahrs 80 Jahre alt, gemeinsam mit ihrem Ehemann Theo Huschek, der stets als Dolmetscher agiert, ist die Italienerin wieder zu Gast bei der Ennstal Classic.

Auf Juan Manuel Fangio angesprochen sagt Maria Teresa de Filippis: "Alle Welt weiß, dass Fangio ein Supergroßer der Formel 1 war - einer, der keinen Firlefanz im Kopf hatte, sondern ein normaler, seriöser Mann, und auch ein humaner Mensch."

De Fillipis erinnert sich: "Fangio hat mir gezeigt, was ich machen muss, um schnell zu fahren. Er sagte mir aber auch, was ich nicht machen soll. Er hat immer sehr langsam gesprochen, mit einer sehr hohen Stimme. Ganz langsam sagte er zu mir: 'Maria. Du fährst zu schnell.' Nicht weil ich zu schnell fuhr, sondern weil das Auto nur schwer zu beherrschen war und meine Möglichkeiten geringer waren als mein Wille."

Ein väterlicher Freund

Der große Fangio sei für sie ein "väterlicher Freund" gewesen - der fünffache Formel 1-Weltmeister sei auch um 10 bis 15 Jahre älter gewesen als der Rest des Starterfeldes, erzählt De Filippis. "Ich kann mich erinnern, es war in Monza, beim Formel 1-Lauf. Da ist Fangio gekommen und hat gesagt: 'Maria, wenn du das Schild siehst mit der Zahl 300: Nicht bremsen. Bei 200: Nicht bremsen. Bei 100: Nicht bremsen.' Da warf ich ein: 'Manuel, wann muss ich denn bremsen?' Da sagte er: 'Nachher!' Das war typisch Juan Manuel Fangio."

Der 1911 im argentinischen Balcarce geborene Juan Manuel Fangio war wohl seiner Zeit weit voraus. Maria Teresa de Filippis sagt: "Fangio hatte ein riesengroßes Rennhirn. Er hat sich nicht leicht verständlich machen können, denn er war ein Mechaniker und kein Intellektueller. Aber er war der einzige, der eine Kurve, eine Bremsung, einen Lenkeinschlag an genau der gleichen Stelle 50mal hintereinander immer gleich vornehmen konnte." Diese Herangehensweise wurde später von Ausnahmekönnern wie Michael Schumacher oder Ayrton Senna perfektioniert und auf die Spitze getrieben.

Fangio würde das Menschliche vermissen

Doch was würde Juan Manuel Fangio wohl zur heutigen Formel 1 sagen? De Filippis antwortet ohne lange überlegen zu müssen: "Er würde sagen, dass die Formel 1 wieder menschlicher werden, der Pilot wieder mehr zählen sollte. Und er würde sagen, dass die Formel 1 ein Sport sein sollte, bei dem man erkennen kann, wer was tut - also nicht so wie heute, wo man im Grunde gar nicht weiß, wer unter dem Helm sitzt - das könnte theoretisch eigentlich jeder sein. Dass es heute in der Formel 1 nahezu keine humanen Kontakte mehr gibt, würde Fangio sicher nicht gefallen."

Diese zwischenmenschlichen Beziehungen haben die frühere Formel 1 geprägt: "Bei den Überseerennen saßen wir alle im gleichen Flugzeug, wir schliefen alle im gleichen Hotel, wir waren gemeinsam essen und am Abend gingen wir noch gemeinsam in den Nightclub. Nicht bis um fünf Uhr in der Früh, aber wir gingen am Abend noch ein bisschen tanzen. Nur Fangio ist nie mitgegangen."

Exklusive Runden für den Militärdiktator

Wie sehr sich das heutige Lebensgefühl im F1-Zirkus von jenem aus den Fünfzigerjahren unterscheidet, zeigt jene Anekdote, die Maria Teresa de Filippis mit einem Schmunzeln erzählt: "1956 hat der Präsident von Venezuela, der Militärdiktator Marcos Pérez Jiménez vom Veranstalter verlangt, dass das Autodrom geräumt wird und dass da drinnen Fangio und ich für ihn Runden drehen. Da wurde das Stadion abgeriegelt, Maserati brachte zwei Sportwagen, überall waren Militärs. Auf der Tribüne saß der Diktator mit seinem Drink und wir mussten unsere Runden drehen."

"Als wir fertig waren, stieg ich aus und lief wütend zum Teamleiter von Maserati und habe gesagt: 'So ist das also: Wenn ich mit Fangio für Jiménez Demonstrationsrunden drehen muss, erhalte ich ein Auto mit anständigen PS, wenn ich aber draußen Rennen fahre, bekomme ich nur verhungerte PS!' Er hat geantwortet: 'Signora, es tut uns fürchterlich leid, aber da ist ein 3 Liter-Motor drinnen - Sie fahren jedoch in der 2 Liter-Klasse.'"

Lebende Legenden beim Autostoppen

Sogar in den späten Achtzigerjahren war das Leben in der Formel 1-Welt noch lange nicht so abgehoben, wie es heute hinter den elektronischen Drehkreuzen der Fall ist: "Bei der Eröffnung von seinem Museum Ende der Achtzigerjahre waren zwölf frühere Kollegen von Fangio eingeladen, ich war auch dabei. Als wir dann mit einem Autobus zurück ins Hotel gefahren sind, ging dem Bus der Sprit aus. Wir sind in dem Bus gesessen und haben nicht gewusst, was wir tun sollen. Wir haben versucht, Autos aufzuhalten, doch es blieb niemand stehen."

"Da haben die Kollegen gesagt: 'Da muss jetzt eine Frau raus und die Autos aufhalten!' Damit war natürlich ich gemeint. Und es hat tatsächlich funktioniert. Sie müssen sich vorstellen: In dem Bus saßen Leute wie Jack Brabham, Phil Hill, Dan Gurney oder Tony Brooks, die dann von den Autos einzeln ins Hotel gebracht wurden. Die Gesichter dieser Autofahrer hätten Sie sehen müssen."

Zur Ennstal-Classic Website

News aus anderen Motorline-Channels:

Ennstal Classic 2007

Weitere Artikel:

Geliebter Fremdkörper

Helden auf Rädern: VW 1500 Rural

Ein Auto, das nach mehreren Umbenennungen, Joint Ventures, Pleiten, Übernahmen und Facelifts nach wie vor durch seine Qualitäten überzeugen konnte, kann ja nicht so schlecht sein. Die Geschichte des VW 1500 Rural zeigt, worauf es eigentlich ankommt.

Schiebung will geformt sein

Helden auf Rädern: Renault Estafette

Wenn sich ein Player nicht an die Spielregeln hält, muss man kreativ werden, um noch mitmischen zu können. Renaults Weg zum Estafette war etwas steinig und warf irgendwie alle Pläne über den Haufen, die man für die Marke hatte.

Der optimale Weg zum Traum-Oldtimer

Einen Oldtimer in die Niederlande importieren

Oldtimer aus Übersee sind in Europa sehr beliebt! Das liegt oft daran, dass es viele gewünschte Modelle hierzulande nicht gibt oder diese einen eher schlechten Zustand aufweisen. Ein Import aus den USA ist daher für viele Autoliebhaber eine valide Alternative und den Aufwand auf jeden Fall wert.

Der etwas andere Geburtstag

Zum 80er: Kia Pride mit E-Antrieb

Kia wird heuer 80 Jahre alt. Und man feiert dies mit einem zum Stromer umgebauten Kleinwagen. Der ursprünglich eigentlich kein Kia war.

Gerade in Zeiten der Krisen muss man in die Vollen gehen. So hätte der Pontiac Tojan der erste Supersportwagen überhaupt werden können. Aber irgendwie fehlte es dann doch am notwendigen Mut.

Kooperationen und Übernahmen unter Konzernen sind wahrlich keine Erscheinung der Neuzeit. Und dennoch hat der Zusammenschluss, der zum Ford Corcel führte, eine ganz sonderbare Wendung, die zeigt, wie wirr und verworren ehemals die Verbandelungen unter den Autoherstellern waren.