CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

"Der Sport wurde kälter…"

Jo Ramirez, bis 2001 Teammanager bei McLaren-Mercedes, sprach im Rahmen der Ennstal Classic über die alten Tage, seinen Ex-Chef Ron Dennis und mehr.

Michael Noir Trawniczek
Fotos: www.ennstal-classic.at

Jo Ramirez hat anfangs der Sechzigerjahre das Mechanikstudium abgebrochen, um als einfacher Mechaniker im größten Wanderzirkus der Welt anzuheuern, in der Formel 1. Binnen 40 Jahren war der Mexikaner bei zahlreichen Rennställen beschäftigt, 2001 begab er sich in den Ruhestand - seither genießt er den Motorsport frei nach dem Motto: "Back to the roots". Weshalb er bereits zum vierten Mal an der Oldtimer Rallye "Ennstal Classic" teilnimmt.

Dort würde er jene Art von Motorsport erleben, der ihn an die alten Tage erinnere, erzählt Jo Ramirez im Gespräch mit motorline.cc. Die Formel 1 hat sich in den letzten vierzig Jahren rasant verändert, Ramirez bringt ein Beispiel, das für sich selbst spricht: "Als ich 1973 als Mechaniker für Jackie Stewart gearbeitet habe, waren wir 25 Mitarbeiter - und wir konnten die WM gewinnen! Als ich 1984 bei McLaren angeheuert habe, war ich der 64. Mitarbeiter - als ich das Team 2001 verließ, waren wir bereits 1.000 Leute."

"Ich hatte Glück, ich durfte die besten Jahre dieses Sports erleben", sagt Jo Ramirez. "Der Sport wurde sehr viel kälter, die Romantik verschwand, das Geschäft hat Überhand genommen - der Sport ist nur noch für die zwei Stunden am Rennsonntag vertreten."

Die jüngsten Turbulenzen rund um eine angebliche Schlägerei bei der Scuderia Toro Rosso, wobei der Fahrer vom Teamchef geschlagen worden sein will, hat Ramirez nicht genau verfolgt: Doch Schlägereien habe es immer schon gegeben, sagt Ramirez salopp, und erklärt: "Wenn du aus dem Wagen steigst, hast du einen hohen Adrenalin-Pegel - und es ist schwierig, da wieder herunter zu kommen. Ich erinnere mich, dass auch ein Ayrton Senna Leute geschlagen hat, oder Nelson Piquet, als er auf Eliseo Salazar losging. Das gehört im Motorsport einfach dazu. Wenn es nicht passieren würde, wäre das auch seltsam - dann würde man sich fragen, was mit den Leuten los ist. Man würde glauben, sie hätten kein Blut in den Venen."

Die Spionageaffäre rund um Ferrari und McLaren-Mercedes hat Jo Ramirez "traurig gestimmt" - der 67-jährige erzählt: "Es hat in der Formel 1 immer eine gewisse Art von Spionage gegeben, aber in einem viel kleineren Ausmaß. Man hat selbst Fotos der gegnerischen Fahrzeuge geschossen, manchmal hat man sogar Fotografen angeheuert oder extra Bilder angekauft - das hat es immer gegeben. Aber diese Geschichte jetzt ist sehr seltsam."

Der frühere Ferrari-Mechaniker Nigel Stepney und der ebenfalls gekündigte McLaren-Techniker Mike Coughlan haben die Afffäre bekanntlich ausgelöst. Bei Coughlan wurde ein 700 Seiten umfassendes Dossier mit geheimen Ferrari-Daten, auch über den aktuellen Boliden F2007, gefunden. Stepney wiederum wird beschuldigt, dass er Sabotage an den Einsatzfahrzeugen betrieben habe und Coughlan das Dossier zukommen ließ.

Ramirez sagt: "Ich glaube, dass sowohl Coughlan als auch Stepney unglücklich waren - es ist für ein großes Team schwierig, alle Mitarbeiter in Harmonie zu halten. Und die beiden dachten wohl, dass sie das Material einem schwächeren Team wie Honda anbieten können. Sie haben das auf eine sehr dumme und schlechte Art und Weise getan. Es ist sehr unglücklich, dass McLaren in diese Geschichte verwickelt wurde."

Für Ron Dennis jedoch würde er umgehend "die Hand ins Feuer legen", versichert Ramirez. Er sei davon überzeugt, dass Dennis und McLaren nie zulassen würden, dass Spionagematerial in den Fahrzeugbau seines Rennstalls einfließen würde oder das Team auf sonstige Art und Weise illegales Material zum eigenen Vorteil nützen würde.

Ramirez sagt beschwörend: "Ron Dennis war über 18 Jahre hinweg mein Boss. Ich bin hundertprozentig sicher, dass er damit nichts zu tun hat, seine Integrität steht außer Zweifel - ich kenne Ron sehr gut, er würde so etwas nie im Leben zulassen. Als ich bei McLaren war, haben wir nie betrogen, wir haben niemals etwas kopiert - so etwas gibt es bei McLaren nicht."

Zur Ennstal-Classic Website


News aus anderen Motorline-Channels:

Ennstal Classic 2007: Exklusiv

Weitere Artikel:

Das verflixte siebte Jahr

Helden auf Rädern: Alfa Romeo Alfa 6

Als er neu war, war der Alfa 6 gewiss kein schlechtes Auto. Es verstrichen nur leider sechs Jahre, bis er endlich auf den Markt kam. Und gerade damals war die Autowelt eine völlig andere, in der sich der große Italiener wiederfand.

Das Käseeck aus der Zukunft

Helden auf Rädern: Sebring-Vanguard Citicar

Es gab elektrische Autos aus Amerika schon lange lange vor den Teslas. Bis auf die Antriebsart hat der Sebring-Vanguard Citicar mit den aktuellen Gefährten aber genau nichts gemeinsam.

Die Mühen vieler Väter

Helden auf Rädern: Audi 60

Schöne Audis heißen Avant. Früher aber nicht, wobei es Anfangs nicht einmal für einen Beinamen gereicht hat. Die „60“ bekam der F 103 als erster Nachkriegsaudi auch erst später verpasst.

In der siebten Ausprägung des Riviera lernte Buick vieles über den Fahrzeugbau. Was man darf. Was man nicht darf. Und was man nur zur rechten Zeit darf.

Pannonia-Historic mit Start in Gols

Oldtimer-Magnet Burgenland

Eine der größten Oldtimer-Rallies, die Int. Vredestein Pannonia-Historic, startet am 6. Oktober in Gols. Das Ziel am 7. Oktober liegt in Halbturn.

Trotz Wetterkapriolen auch heuer ein Highlight

Ennstal-Classic 2023: Die Zusammenfassung

Ein neues Reglement, das noch mehr Spannung versprach, ein Wiederholungssieger, mit dem zu rechnen war und Wetterkapriolen, die es den Teilnehmern schwer machten, erfolgreich durchzukommen. Das waren die Ingredienzien der 31. Auflage der Ennstal-Classic 2023.