CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Das große Herz des Jean Sage

Der frühere Rennleiter des F1-Teams von Renault, Jean Sage, führt einen harten Kampf gegen den Krebs – schwer geschwächt nahm er die lange Anfahrt nach Gröbming in Kauf, um den GP mit seinem Talbot zu bereichern.

Michael Noir Trawniczek
Foto: Markus Kucera

Sein Schicksal berührt alle bei der Ennstal Classic. Gezeichnet von seiner schweren Krankheit kämpft Jean Sage für seine Ideale, bringt seinen Lieblingswagen zum Grand Prix von Gröbming, den er schon als Kind bewundert hat. „Eines der wichtigsten französischen Rennautos“, sagt er heute. Die beschwerlichen 1.200 Kilometer im Lastkraftwagen nahm er auch auf sich, weil er „einfach gerne mit Helmut (Zwickl) beisammen“ ist…

Herr Sage, Sie haben eine sehr lange Anreise in Kauf genommen, weil Sie das Auto, mit dem Sie am GP von Gröbming teilnehmen, wirklich lieben…

Ja, das stimmt. Ich bin 1.100 Kilometer gefahren, mit meinem Talbot. In unserem Lastkraftwagen. Es ist ein Formel 1-Auto aus dem Jahr 1939. Ein Talbot-Werksbolide – 1939 war Mercedes und Autounion dominierend, mein Auto errang einen dritten Platz beim Grand Prix von Frankreich, hinter den beiden Autounion-Autos.

Dann haben sie versucht, mit dem Wagen in Indianapolis zu starten, doch sie konnten sich nicht qualifizieren. Daher haben sie den Wagen an Arcus Duntov verkauft – er war der Ingenieur, der die Chevrolet Corvette entworfen hat. Und auch er hat probiert, sich mit dem Auto für Indianapolis zu qualifizieren, was ihm aber auch nicht gelungen ist. Dann wurde das Auto an den Formel 1-Fahrer Harri Schell verkauft, der mit dem Wagen im Jahr 1949 gefahren ist und damit den GP von Luxemburg gewinnen konnte. Er hat auch beim GP von Frankreich geführt, ist aber in den letzten Runden ausgefallen.

Und mein Auto ist eines der beiden 1939 eingesetzten Talbot-Werksautos. Es ist ein 4,5 Liter 16 Ventiler – es ist eines der wichtigsten französischen Rennautos.

Als Sie Teamchef in der Formel 1 waren, bei Renault – da sind ja auch Talbot-Autos gefahren….

Nein, ich war ein Kind, als Talbot wirklich gefahren ist. In den Achtzigerjahren war das einfach nur ein Name, den das damalige Ligier-Team gekauft hat. Das Auto war ein Ligier, das hatte nichts mit Talbot zu tun. Talbot verschwand 1954 von der Bildfläche. Und Peugeot hat den Namen gekauft. Der Name Talbot blieb auch nur ein oder zwei Jahre mit Ligier, das war aber auch schon alles. Zu diesem Zeitpunkt war Talbot längst kein wichtiger Name mehr. Die große Ära von Talbot endete im Jahr 1954. Als das Auto als Werksauto eingesetzt wurde, war ich noch nicht einmal geboren.

Und als Ihr Talbot gefahren ist, waren Sie noch ein Kind?

Ja, als ich Harri Schell fahren sah, war ich neun Jahre alt. Jetzt habe ich dieses Auto und ich habe die lange Anreise in Kauf genommen – wegen der Freude, weil ich Helmut sehr mag, um ein sehr gutes Auto hierher zu bringen, zum Ennstal Classic Grand Prix, weil ich einfach gerne mit Helmut beisammen bin. Ich habe so viele Jahre mit ihm in der Formel 1 verbracht

Er hat mir das erzählt – Sie gaben ihm ein Formel 1-Rennlenkrad und er hat es auf ein Rennkart montiert…

(lacht) Ja, genau.

Und Sie werden am Samstag den Grand Prix bestreiten?

Ja, aber Sie müssen wissen, ich bin derzeit sehr schwach. Ich habe Lungenkrebs und derzeit mache ich gerade eine Chemotherapie und bin wie gesagt sehr schwach – daher wird möglicherweise mein Mechaniker den Grand Prix fahren. Dann werde ich zwar bei ihm sein, aber er wird den Wagen steuern, denn die Kupplung ist sehr hart zu bedienen und ich bin zurzeit wirklich sehr schwach.

Als wir im Vorjahr gesprochen haben, da waren Sie noch vollkommen gesund. Und dann kam es über Nacht?

Nein, nein, es kam nicht über Nacht, die Probleme begannen im September, bis ich dann schließlich im Dezember operiert wurde. Im Moment führe ich einen harten Kampf gegen den Krebs – ich wurde letztes Jahr am Weihnachtstag, am 24. Dezember operiert. Und ich kämpfe hart, um zu überleben.

Ich denke, wer derart geschwächt eine derart lange Reise im unbequemen Van auf sich nimmt, um mit ‚seinem’ Lieblingsrennauto am GP von Gröbming teilzunehmen, um damit dem Helmut Zwickl und der Ennstal-Familie eine Freude zu machen, ist eine sehr starke Person und ein großer Kämpfer. Ich wünsche Ihnen alle Kraft der Welt, diesen Kampf gegen den Krebs zu gewinnen.

Vielen Dank, ich hoffe sehr, dass ich es schaffen werde, vielen Dank.

Zur Ennstal Classic Website

News aus anderen Motorline-Channels:

Ennstal Classic 2009

Weitere Artikel:

Der Saft des frühen Blitzes

Helden auf Rädern: Opel Kadett Impuls

Viele Hersteller probierten schon vor einem halben Jahrhundert, normale Autos zu elektrifizieren. Opels Ansatz beim Kadett Impuls war dagegen schon einen Schritt weiter.

Das Turboschlupfloch

Helden auf Rädern: Dauer 962 LM

Der 962 LM war tatsächlich ein zum Straßenauto umgemodelter Rennwagen. Der Hintergrund dafür war aber dennoch, Rennen zu fahren, wenn auch nur kurz.

Gutes Rezept, falscher Zeitpunkt

Helden auf Rädern: MG ZS 180

Als praktisch alles schon verloren war, lieferte MG Rover ein Paradebeispiel für cleveres Engineering. Vor allem, weil der ZS ursprünglich der Unsportlichste der Modellpalette war.

Gleich, aber nicht

Helden auf Rädern: VW Mitra

Dieser VW Transporter ist kein VW Transporter. Oder zumindest nur teilweise. Jedenfalls nicht so, wie man es anhand der Optik vermuten würde. Eine wirre Geschichte, die nicht lange gutgehen konnte.

Schiebung will geformt sein

Helden auf Rädern: Renault Estafette

Wenn sich ein Player nicht an die Spielregeln hält, muss man kreativ werden, um noch mitmischen zu können. Renaults Weg zum Estafette war etwas steinig und warf irgendwie alle Pläne über den Haufen, die man für die Marke hatte.

Die Schnellladefläche

Helden auf Rädern: Chevrolet S-10 EV

Noch seltener als der Chevy EV-1 war sein praktischerer und weit patriotischer Ableger. Der S-10 EV war ein Frühversuch elektrischer Nutzfahrzeuge, bei denen den Machern ein entscheidender Fehler passierte.