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Dr. Peter Schöggl im Exklusivinterview

Dr. Peter Schöggl von der Firma AVL nimmt als Navigator von Gerhard Felfer im Porsche 356 A Speedster aus dem Jahr 1956 an der Ennstal Classic teil. Im exklusiven Interview spricht er über die jüngsten Entwicklungen in der Formel 1 und die Aussichten für 2010.

Michael Noir Trawniczek
Foto: Sepp Fuchs

Herr Dr. Schöggl, die Firma AVL List beliefert die Formel 1-Treams mit Simulationssoftware – seit 2009 gibt es ein Testverbot in der laufenden Saison, der Simulation kommt somit noch mehr Bedeutung zu…

Wegen dem Testverbot wird natürlich vermehrt auf Simulationen gesetzt, das Geschäft läuft sehr gut.

Gibt es aktuell neue Bereiche, in welchen Simulationen durchgeführt werden?

Es hat sich gezeigt, dass aufgrund der Reifensituation der Hinterreifen in der Slickvariante eher unterdimensioniert ist, im Vergleich zum Vorderreifen. Das heißt: Die Balance ändert sich während dem Stint, der Hinterreifen baut relativ rasch ab. Derjenige, der das am ehesten in den Griff bekommt und der auf der anderen Seite den Reifen warm bekommt, ist am besten dran. Wir haben jetzt gemeinsam mit den Kunden sehr viel in die Simulation der Reifenaufheizung, der Reifenkühlung und des Verschleißes investiert.

Arbeiten Sie da auch mit Bridgestone zusammen?

Wir haben einige Kontakte zu Bridgestone und wir erhalten auch Daten, doch wir arbeiten hauptsächlich mit den Teams zusammen.

Kann man das als eine neue Möglichkeit für die Rennställe bezeichnen, viel Geld auszugeben?

Es war ja so, dass kurz vor Weihnachten das Testen verboten wurde. Das Budget war aber bereits verplant. Und deshalb wird ein Teil des Budgets umgeschichtet auf Simulation.

Aber schon ein großer Teil, oder?

Nein, leider kein großer Teil (lacht) – ich würde sagen, dass mit dem Testverbot 100 Millionen Euro eingespart wurden. Und für die Simulationen werden keine 100 Millionen Euro ausgegeben. Das Ziel war ja auch eine dramatische Budgetreduktion – und dieses Ziel wurde schon erreicht.

KERS wird es nicht mehr geben…

Aus technischen Gründen wäre KERS interessant gewesen, aber aus wirtschaftlichen Gründen heraus rechnet es sich einfach nicht. Es wird bei jedem Rennen ein neuer Satz Batterien eingebaut, das ist sehr teuer. Es hat sich gezeigt, dass diejenigen, die das KERS ausreizen, wenn es also zum Beispiel besonders leicht ist, wenn es einen guten Wirkungsgrad hat, dass diejenigen dann schon sehr viel Geld dafür ausgeben. Aus wirtschaftlichen Gründen ist es nachvollziehbar, dass man es jetzt wieder verbietet.

Meinen Sie mit denjenigen, die es ausreizen die beiden Teams, die es noch haben?

Ja klar. Es gibt ja eigentlich nur noch zwei Teams, die es sinnvoll einsetzen – und die geben auch verdammt viel Geld dafür aus. Die haben auch genug davon, das sieht man – weil eben beim Start doch sehr viele Überholmanöver passieren.

Ja, das ist sportlich eigentlich recht wertvoll…

Wenn man am Start fünf Konkurrenten überholt und man danach aber die gleichen fünf Konkurrenten wieder einbremst, dann ist es meiner Meinung nach diskussionswürdig, ob das wirklich Sinn macht.

2010, wenn man ohne Nachtanken fährt – muss dann wieder alles komplett neu simuliert werden?

Absolut. Da wird alles neu.

Für ihre Firma ist das also die beste Zeit, die sie je erlebt haben?

Ja, wir haben eine relativ gute Zeit momentan – in diesem Bereich, muss ich dazusagen. Es gibt natürlich auch andere Bereiche, wo durchaus eine wirtschaftliche Krise herrscht. Im Motorsport haben wir eine gute Zeit. Wir werden sehen, ob es für das Publikum interessant sein beziehungsweise bleiben wird. Es gab ja schon einmal das Kraftstoffsparen am Ende der Rennens – der Zuschauer akzeptiert es eigentlich nicht, wenn einer am Ende plötzlich langsam fährt. Das sollte man überdenken.

Ja, das wäre schade. Werden die Autos für 2010 anders aussehen?

Ich glaube nicht. Die Zug, auf den nun alle aufgesprungen sind - Doppeldiffusor, Dreifachdiffusor - der wird weiterfahren. Das ist ja auch etwas Spannendes, wenn im Bereich der Aerodynamik sehr viel weiterentwickelt wird.

Nur sieht den Diffusor niemand - beziehungsweise sehen ihn nur Leute, die sich wirklich sehr dafür interessieren

Naja, man sieht ihn schon. Die Autos werden wieder ähnlicher aussehen. Das war immer so in der Vergangenheit, wenn eine große Reglementänderung gekommen ist. Einige sehen natürlich dramatisch anders aus, aber es kupfern einige auch voneinander ab, da hat dann einer eine gute Idee und die wird dann übernommen. Die großen Unterschiede zwischen den Fahrzeugen werden wieder kleiner.

Die breite Nase beispielsweise hat sich als die bessere Lösung erwiesen.

Ja, die hat sich als besser erwiesen – man kann damit sehr gut die Luft teilen. Man weiß vor allem ganz genau, welcher Teil der Luft unter das Auto und welcher über das Auto geleitet wird. Man hat weniger Umströmung – diese Umströmungen wirken sich bis zum Heckflügel durchaus aus. So kann es durchaus sein, dass sich diese haifischartige breite Schnauze durchsetzen wird.

Also die bessere, wenn auch nicht die schönere Lösung…

Naja, wer weiß? Vielleicht gibt es schon einige, die hier bereits weitere, darüber hinausgehende Ideen ausgetüftelt haben? Die würde man jetzt definitiv nicht herzeigen – denn bei allem, was man jetzt herzeigt, hat man nur zwei, drei Rennen einen Entwicklungsvorsprung, denn alle anderen hätten dann den Vorteil, diesen Teil danach ebenfalls einsetzen zu können.

Und dieses Nasenloch von Ferrari oder diese Lösung von Toyota, mit dem Nasenkanal – wird es etwas in diese Richtung sein?

Mit diesen Lochnasen hat man eigentlich wieder aufgehört. Wenn die Luft durch ein Loch hindurchströmt, hat man durchaus immer wieder Verluste im Wirkungsgrad hinzunehmen. Das hat sich nicht wirklich durchgesetzt.

Wegen der Reibungsverluste?

Ja, wegen der Reibung, ganz klar.

Was denken Sie? Werden die Rennen 2010 eher spannender oder weniger spannender als heuer sein?

Wie gesagt: Wenn es so weit kommen sollte, dass man ein paar Runden vor Schluss plötzlich langsamer wird, dann ist das für den Zuschauer nicht nachvollziehbar. Aus technischer Sicht macht ein Nachtankverbot Sinn – man muss dann wieder mehr auf den Verbrauch achten. Und man muss daher auch wieder mehr auf die Reibungsverluste achten. Es ist auch das Thema Luftwiderstand respektive ist eigentlich die ganze Aerodynamik davon betroffen. Das Nachtankverbot beeinflusst das gesamte restliche Auto. Das ist technisch faszinierend, aber wir werden vor allem am Anfang Rennen sehen, wo am Schluss Ereignisse stattfinden werden, die niemand vorhergesehen hat.

Weil manchen der Sprit ausgehen wird….

Weil ihnen der Sprit entweder ausgeht oder sie fünf Runden vor Schluss von der Box aufgefordert werden, nicht mehr so hoch zu drehen, ein anderes Mapping zu nehmen und sie aus diesem Grund plötzlich langsamer werden. Und das sehen die Zuschauer eigentlich nicht ein. Aber ich denke, es wird so ähnlich sein wie heuer: Bis zur Mitte der Saison wird sich die Lage dann stabilisiert haben. Am Anfang der Saison jedoch wird man einige Überraschungen erleben, was ja vielleicht wiederum auch etwas Spannendes an sich hat.

Ist die Aerodynamikreduktion, das Erleichtern der Überholmanöver gelungen? Kann man das sagen? Ich denke, es gibt wahrscheinlich schon etwas weniger Dirty Air im Heck eines Vordermanns, oder?

Es hat nicht wirklich funktioniert. Wie auch das KERS – in Wirklichkeit sieht man eher weniger Überholmanöver als mehr Überholmanöver. Weil die Teams, die das KERS haben, die haben das eigentlich – außer beim Start! – dafür eingesetzt, damit zu verhindern, dass sie überholt werden. Also auch wenn sie eine Sekunde oder auch eineinhalb Sekunden langsamer sind, können sie durch das KERS verhindern, dass sie überholt werden. Und das war absolut nicht im Sinne des Erfinders.

Die Formel 1 ist also immer gut für Überraschungen…

So lange man Autos hat, die einen so hohen Abtriebswert haben, wird man immer wieder Überraschungen erleben, ja.

2010 haben wir drei neue Teams, die allesamt Cosworth-Motoren einsetzen werden – rund um dieses Thema gab es hitzige Diskussionen. Man wollte Cosworth erlauben, ohne Drehzahllimit anzutreten, doch das löste heftigen Gegenwind aus…

Cosworth wird drei Teams mit einem Motor beliefern - man hat jetzt lange diskutiert, ob die einen Vorteil haben, alle anderen Teams haben sich fürchterlich dagegen gewehrt. Das ist klar – denn auch wenn das Auto sehr langsam wäre – wenn die kurzfristig auch nur in einer Runde um 1.000 oder 2.000 Umdrehungen in der Minute mehr drehen, könnten sie überholen – und dann wiederum den Rest des Feldes blockieren. Und das wollte man ganz einfach verhindern.

Aber gibt es da jetzt schon eine Lösung? Ich glaube, man hat noch immer keine, oder?

Ich glaube, die Lösung heißt, dass sie keinen Vorteil haben – nach derzeitigem Diskussionsstand, das ist aber noch nicht endgültig entschieden.

Aber was bedeutet das? Dass sie keinen Vorteil haben?

Dass sie maximal 18.000 U/min drehen dürfen, wie alle anderen auch.

Da hat ja der Herr Mosley gemeint, das würde nicht gehen…

Ja (lacht). Natürlich geht das.

Gut, aber das Gewicht bleibt, sie bleiben also schwer. Dann sind sie quasi wie Formel 3000-Autos, die das Feld auffüllen?

Naja, die werden schon einen Motor bauen, der nicht so schwer ist. Oder sie führen weniger Ballast mit. Sie werden gleich schwer sein wie die anderen, aber vielleicht einen höher liegenden Schwerpunkt haben.

Es gibt neue Teams, es gab aber auch einige Bewerber wie Superfund. Hat man da Kontakt mit AVL aufgenommen?

Superfund erhielt ja keinen Formel 1-Slot, leider – ein weiteres österreichisches Team wäre sehr spannend gewesen. Wir haben durchaus Kontakte mit den neuen Teams.

Die neuen Bewerber wie Superfund haben schon vor der Entscheidung mit ihnen Kontakt aufgenommen?

Naja, man kennt sich in der Branche und man spricht auch miteinander…


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