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Rallye-WM: Schweden

"Wir haben unser Ziel erreicht!"

Im Gespräch mit motorline.cc lässt Markus Benes noch einmal sein WM-Debüt im Rahmen der Schweden-Rallye vor zwei Wochen Revue passieren...

Michael Noir Trawniczek
Fotos: Daniel Fessl, Markus Benes privat

Vor wenigen Wochen hat der Niederösterreicher Markus Benes bei der Schweden-Rallye sein WM-Debüt in der Gruppe N/PWRC gegeben. Der 33-jährige fuhr mit einem von Stohl Racing eingesetzten Subaru Impreza WRX STi - mit jenem Boliden, den Patrick Flodin bei der Wales-Rallye 2007 gefahren ist.

Das Ziel, nämlich die Zielrampe, haben Benes und sein Copilot Norbert Wannenmacher erreicht - auf Platz 19 der PWRC-Wertung und auf dem 35. Gesamtrang. Im motorline.cc-Exklusivinterview erzählt Benes von seinem Abenteuer im hohen Norden...

Die Schweden-Rallye liegt jetzt schon ein bisschen zurück - dort hast du dein WM-Debüt gegeben - was sind deine Eindrücke?

Es war eine unglaublich lange Woche. Es ist unglaublich, welche Leute man dort trifft, mit welchen Leuten man auf Du ist. Am Buffet holst du dir dein Frühstück gemeinsam mit dem Jari Matti Latvala, und so weiter - das ist wie eine große Familie. Es gab nicht diesen feindseligen Konkurrenzkampf, den du in Österreich ja fast ein bisschen hast.

Also war es relaxter als hier in Österreich?

Für mich als, unter Anführungszeichen, Außenstehender, der dort zum ersten Mal war, muss ich sagen: Ja. Alle Leute waren unheimlich freundlich. Du gehst mit Leuten Abendessen, die du nur aus dem Fernsehen kennst - wir waren mit George Donaldson Abendessen, der bei Subaru in den Zeiten von Tommi Mäkinen Teamchef war und heute für Subaru Japan tätig ist.

Als sich Tommi Mäkinen im Jahr 2003 über einen Zuschauer hinweg überschlagen hat, als jeder dachte, er würde jetzt den Zuschauer überfahren und das Auto aufstieg, über den Zuschauer hinweg, da hast du im TV gesehen, wie Donaldson die Hände über den Kopf schlug - und dann ergibt es sich durch Zufall, dass du mit dem beim Abendessen sitzt.

Und wenn der dann so aus dem Nähkästchen plaudert und er aus seiner Zeit im Toyota Team Europe erzählt, wo er mit Carlos Sainz zusammengearbeitet hat. Da kommen dann so Meldungen wie: 'Carlos Sainz war eigentlich ein wirklich schlechter Fahrer, aber er hatte so einen Ehrgeiz, so einen Willen zu lernen. Der hat einfach um jeden Zentimeter der Straße gekämpft. Er fuhr nicht rund, aber er hat gekämpft. Er war ein schlechter Fahrer ohne Talent, der sich vorgearbeitet hat...' Und da sitzt du dann dort und denkst dir: 'Aha, dieses Bild hatte ich bislang nicht.' Und der hat jahrelang mit ihm zusammengearbeitet, ist mit ihm immer wieder mitgefahren und weiß daher vermutlich genau, wovon er spricht.

War der Manfred [Stohl, d. Red.] auch dabei?

Der Manfred ist nachgekommen am Donnerstag und war dann auch auf den Sonderprüfungen, hat aber auch eigene Gespräche geführt.

Aber er hat dich beobachtet?

Ja, Gott sei Dank - weil dadurch natürlich sehr viel wertvolles Feedback gekommen ist.

Aber als Eis- bzw. Schotterspion hat er nicht fungiert?

Nein, weil er ja auch erst am Donnerstag kam. Er hat mir aber Tipps gegeben, von den Sonderprüfungen her, die er aus dem Vorjahr noch kannte. Zum Beispiel die legendäre Sprungkuppe 'Colins Crest', die war auf der SP 11 und 14 'Vargasen' - da fährst du an einem See entlang, dann kommst du im fünften Gang aus einer Kurvenkombination, da hast du noch eine kurze Gerade und dann fliegst du blind über so eine Kuppe drüber. Und da hat Manfred gesagt: 'Ganz, ganz links halten! Mit dem WRC geht sie nicht wirklich voll, aber mit dem Gruppe N-Auto müsste sie eigentlich voll gehen.'

Und hast du sie voll genommen?

Also beim ersten Mal nicht. Beim zweiten Mal bin ich voll draufgeblieben, habe aber kurz vorher einmal gelupft, sodass der Wagen vorne eintaucht und bin dann drüber gesprungen. Aber der Manfred hat Recht - mit dem Gruppe N-Auto geht sie wirklich voll. Aber du hast links und rechts die hundertjährige Eiche und nach dem Sprung hast du eine Rechtskurve - da musst du schauen, dass du den Einlenkpunkt nicht versäumst.

Den Bremspunkt?

Nein, für diese Kurve musst du nicht bremsen. Da gehst du nur kurz vom Gas, dann einlenken und wieder aufs Gas. Aber es war für mich total gewöhnungsbedürftig - wir hatten ja sehr schlechte Bedingungen. Mit dem Schotter, der durchkam und dem Matsch auf der Seite. Normalerweise hast du eine feste Eisfläche und ein bisschen Schnee auf der Seite - das heißt, du hast einen breiten Bereich auf der Straße, auf dem du arbeiten kannst.

Wir hatten jedoch nur eine ganz enge Spur - dort, wo der Schotter war. Und der hatte extrem viel Grip. Das war fast schon brutal. Allerdings gab es auch Steine, als wir dran gewesen sind. Und dann gab es aber eben diesen weichen Schneematsch auf der Seite - und der hatte überhaupt keinen Grip. Also eben ein brutaler Grip in der Spur - aber Gnade dir Gott, wenn du da auch nur einen Zentimeter rausgekommen bist aus dieser Spur.

Das heißt: Du konntest nicht jenen Vorteil ausspielen, von dem wir vor der Rallye gesprochen haben - nämlich, dass du gerne eine eigene Linie fährst?

Ja. Und damit hatte ich ein Riesenproblem. Ich musste die Linie nachfahren, die da war - die zum Teil aber sehr, sehr gut war, das muss ich schon sagen. Du fliegst dort ja extrem viel über blinde Kuppen - ich dachte immer, dass es in Ungarn viele Kuppen geben würde, aber das ist nichts gegen Schweden. Wir haben die Kuppen dann gar nicht mehr geschrieben, sonst kommst du mit dem Lesen nicht mehr nach.

Jedenfalls weiß ich jetzt, warum du bei diesen skandinavischen Rallyes mehrmals dort sein musst, um sie zu verstehen. Dieses permanente blind in die Kuppen fliegen - aber nicht im zweiten Gang, grundsätzlich immer im vierten oder fünften Gang, da brauchst du einfach Zeit, um die Linie zu verstehen. In Österreich besichtigst du halt ein drittes und ein viertes Mal - aber bei WM-Rallyes darfst du nur zweimal besichtigen. Mit drei Mal komme ich gut klar - aber die Reduktion auf zwei Mal...

Macht viel aus?

Es geht schon, du kannst es lernen. Aber es fehlt dir die letzte Konsequenz, blind über die Kuppe zu fliegen, wenn du das erste Mal die Sonderprüfung fährst. In Wirklichkeit haben wir die erste Durchfahrt als dritte Schriebkorrektur verwendet. Und wenn es kalt gewesen wäre, wenn es diesen Schotter und den Schneematsch nicht gegeben hätte, dann hätten wir es beim zweiten Mal wirklich fliegen lassen können.

Wie funktioniert die Schriebkorrektur auf der Sonderprüfung?

Du sagst unmittelbar nach der Kurve deine Korrektur durch.

Eine gängige Praxis?

Ja, macht der Manfred auch. Wenn du dir die Ilka Minor im ersten Durchgang ansiehst - die hat immer einen Bleistift in der Hand. Weil da eben noch während der ersten Durchfahrt der Prüfung die Verbesserungen kommen. Da geht es nicht um strukturelle Änderungen im Schrieb - es geht um so kleine Änderungen wie zum Beispiel: Die Links 4 ist eine 4 +.

Wenn der Copilot gerade die nächste Kurve ansagt und du gibst gerade deine Korrektur durch - dann reden beide zur gleichen Zeit - ich stell mir das recht schwierig vor...

Es ist auch sehr, sehr schwierig für den Copiloten. Bei Rallyes wie in Schweden und Finnland kann man die Leistung des Copiloten gar nicht hoch genug schätzen. Es ist echt unfair, dass in der WM nur der Fahrer auf dem Auto steht. In Schweden oder Finnland müsstest du eigentlich den Copiloten draufschreiben und den Fahrer weglassen.

Naja, wenn beide auf dem Auto stehen würden, wäre das doch auch okay, oder?

Ja, schon klar, ich überspitze jetzt etwas. Aber bei 70 Prozent der Kurven siehst du nichts. Du orientierst dich nur danach, was der Beifahrer sagt. Und der Beifahrer muss in diesem ganzen Wirrwarr über die Kuppen den Überblick bewahren - und das hat beim Norbert auch super funktioniert, wir fahren ja doch schon einige Jahre gemeinsam.

Wie er mir die zirka zwei Kurven voraus lesen konnte und auf der anderen Seite hat er auch immer gewusst, wo wir gerade zu diesem Zeitpunkt waren. Wenn ich gesagt habe, die Links 4 ist eine Fünfer, ist er zwei Zeilen zurück und hat dort ausgebessert. Er hat mir nachher gesagt, dass er den einen Finger auf der Zeile hatte, auf der wir gerade sind und den anderen dort, wo er gerade liest.

Da gibt es ja kein Loch in der Ansage des Copiloten, in das du rein sprechen kannst, oder?

Nein, da gibt es kein Loch - da rede ich kurz dagegen. Aber das ist immer so - die Ansage des Copiloten ist mein virtuelles Display, wie in einem Kampfflugzeug, oder das Video in meinem Kopf - über diese Ansage denke ich mir die Linie für die kommenden Kurven. Und operativ fahre ich gerade eine Kurve.

Und wenn ich dann merke - uups, die macht ja zu, weil bei 70 km/h merkst du das halt nicht, bei 150 km/h dann schon, dann sage ich kurz: 'Macht zu'. Zum Beispiel auf dieser schwierigen Prüfung 'Mangen', wo viele Autos raus geflogen sind, unter anderem auch der Sébastien Loeb, da sind wirklich im Dreiminutenabstand die Autos gesteckt. Da habe ich dem Norbert schon vorher gesagt: 'Da werden einige Verbesserungen kommen, das wird eine heikle Geschichte'. Und ich hab dort 10 oder 12 Verbesserungen durchgegeben und er hat bis auf eine oder zwei alle verarbeiten können. Im Zweifelsfall bleibt man natürlich bei der aktuellen Pace.

Hattet ihr auch Reifenschäden?

Ja, zwei.

Man hat von euch ja nicht sehr viel mitbekommen bei der Schweden-Rallye. Und man sieht dann nur die Zeit, den Rückstand - das waren 39 Minuten auf den Gesamtführenden sowie 29 Minuten auf den PWRC-Leader. Das ist schon recht viel...

Ja, das ist sehr viel.

Wenn man jetzt aber die zwei Reifenschäden wegrechnet, sagen wir pro Schaden zwischen 3 und 4 Minuten, ist es ja schon wieder etwas weniger...

Schon, aber es war trotzdem beeindruckend, welchen Speed die Spitzenleute dort gehen. Okay, die fahren die Rallye zum x-ten Mal und kennen auch die Methodik eines WM-Laufes.

Wie zufrieden bist du nun mit deiner ersten WM-Rallye?

Als wir gesagt haben, dass wir als erste WM-Rallye einen PWRC-Lauf und noch dazu jenen in Schweden gewählt haben, hat der Manfred gesagt: 'Okay, aber ihr werdet weinen! Ihr werdet die Welt nicht verstehen!' Von daher waren wir also vorgewarnt. Von daher gab es eine realistische Erwartungshaltung.

Ich denke mir: Das war unser erster WM-Lauf, ich fuhr zum ersten Mal mit den Reifen mit diesen langen Spikes und ich fuhr zum ersten Mal eine skandinavische Strecke mit ihren extrem schnellen und blinden Kuppen. Und dann kam ja heuer verschärfend hinzu, dass es nur diese eine Linie gab.

Normalerweise ist das nicht schlimm, wenn du über eine Kuppe kommst und die Linie nicht ganz genau triffst, da kannst du arbeiten. Doch heuer war es brutal, da gab es nur: Spur oder Baum! Siehe auch Andi Aigner - einmal aus der Spur draußen und das war es! So gesehen haben wir unser Ziel erreicht - nämlich ins Ziel zu fahren und halbwegs im Mittelfeld zu bleiben.

Wie zufrieden warst du mit dem Auto?

Das ist gelaufen wie ein Glöckerl - das Auto hat am Abend gesagt: 'Bitte einmal waschen!' Und das war es. Das Auto hat das mit einer Lockerheit weggesteckt - das war sensationell.

Wie groß war das Team von Stohl Racing?

Teamchef Günther Aschacher und vier Mechaniker. Die typische Verteilung - für jedes Rad ein Mechaniker und der Car Chief, der auch den Motorraum betreut.

Der Dirigent.

Ja genau, der Dirigent. Das war toll - du hast dich um nichts kümmern müssen. Wenn du irgendwelche Beobachtungen hattest, hast du das in der Anfahrt zum Service aufgeschrieben, hast es durchgegeben - beim Regrouping vor dem Service ist der Günther schon da gestanden und hat das Auto von außen begutachtet, das darf er ja auch. Da haben wir dann geredet über unsere Eindrücke, ob Änderungen nötig sind. Im Differenzial oder Fahrwerks-Setting und so weiter.

Habt ihr viel geändert?

Eigentlich nicht. Ich habe einmal eine transparentere Vorderachse bekommen und dann habe ich mich eher mit den Differenzial-Settings gespielt. Das hat viel gebracht. Weil das Grund-Setting vom Fahrwerk hat einfach gepasst. Wenn du da einmal mit der Hinterachse aus der Spur gekommen bist, war es extrem wichtig, dass du das Auto quasi über das Differenzial in der Spur haltest, damit dich das Heck nicht überholt. Du hast mehr Sperrwert, damit Vorderräder und Hinterräder gleich drehen. Und das Differenzial wirkt ja auch auf der Bremsenseite - so erhältst du ein stabiles Fahrverhalten.

Gab es bange Momente, wo du dachtest, du fliegst raus?

Eigentlich nicht. Das vereinbarte Lernziel mit Günther und Manfred war ja auch: 'Schau, dass du Kilometer machst! Fahr die Rallye ins Ziel, beim ersten WM-Lauf kannst du sowieso nichts gewinnen!'

Du bist also unter dem Limit gefahren?

Ja. Wir sind definitiv diesseits des physikalischen Limits der Strecke geblieben. Wir sind auch definitiv diesseits des technischen Limits des Autos geblieben. Und wir haben uns in etwa bei einer Ausnutzung von 80 Prozent des Möglichen bewegt. Das heißt: Wenn irgendwo ein Fehler war im Schrieb, dann war ich vielleicht kurz auf 90 Prozent des Limits gewesen - aber ich war nie auf 100 oder 105.

Das hast du auch ganz klar an den Zeiten gesehen - da liegt ja eine Welt zwischen der Spitze und uns. Da sage ich ja nicht:' Uh, mir fehlen ein paar Zehntel!' Da geht’s um eine Kaffeepause bei jeder Sonderprüfung.

Aber ich meine, dass es trotzdem der richtige Weg ist. Du hast zwei Möglichkeiten, dich an das Limit heranzutasten: Von unten - das dauert länger und ist nicht so sexy. Aber es ist in Summe in Wirklichkeit das Gescheitere, weil du so einfach weniger Autos verbrauchst. Oder von oben herab - ich sage jetzt einmal mit der Achim Mörtl-Methode. Das ist eine Frage der Mentalität - und es geht auch um die Frage, welchen Hintergrund du hast.

Dann wäre es eigentlich logisch, wenn du im nächsten Jahr die Schweden-Rallye wieder fahren würdest, oder?

Mein Ziel ist es. Wir haben ja Gott sei Dank ein langfristiges Konzept dahinter. Das heißt: Ich habe nicht den Druck, bei einer Rallye etwas beweisen zu müssen. Sondern ich kann mich relativ ruhig auf meine eigene Arbeit konzentrieren - vor der Rallye und im Cockpit.

Am Dienstag lesen Sie den zweiten Teil des Markus Benes-Interviews auf motorline.cc

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