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Der gewagte Blick in die Zukunft

Mit dem Golf Country bewies VW, dass man sehr wohl auch früh auf Trends reagieren – und damit dennoch daneben liegen kann.

Roland Scharf

In der Automobilbranche ist das Entwickeln neuer Modelle immer ein wenig Kaffeesudlesen. Immerhin muss man mindestens drei Jahre in die Zukunft sehen, schneller geht die Entwicklung einer neuen Baureihe schließlich nicht. Jetzt ist Volkswagen nicht wirklich dafür bekannt, schnell auf die heißesten Markströme zu reagieren. Eher abwarten und dann das Feld von hinten, aber dafür umso gewaltiger aufrollen, das steht den Wolfsburgern eher zu Gesicht. Doch einmal, da trafen sie den Ball mit nur einem Schlag direkt ins Loch.

Ende der 1980er-Jahre stand die zweite Generation des Golf kurz vor der Ablöse. Die Verkäufe waren mehr als gut, die Vielfalt groß wie nie. Und dennoch: Neben Diesel, Turbodiesel, zahllosen Benzinern, den GTIs und auch dem Allradmodell fehlte noch etwas. Und zwar ein Golf, der auch abseits befestigter Straßen eine gute Figur machen kann.

Glücklicherweise hatte man mit Magna – damals noch Steyr Puch Fahrzeugtechnik – einen kongenialen Partner in Sachen Allrad, und so beauftragte man die Mannschaft, die ohnehin schon die Produktion der Syncro-Modelle des Konzerns abwickelte, mit der Entwicklung. Heraus kam der Golf Country, der dank einer Grazer Entwicklung genial einfach sechs Zentimeter an Bodenfreiheit gewann: Zwischen Achsen und Karosserie setzte man einen Rahmen, was sich produktionstechnisch problemlos in den Alltag integrieren ließ. Dazu gab es noch einen Alibi-Rammschutz und ein am Heckdeckel angeschlagenes Reserverad für die verwegene Optik sowie hübsche Schriftzüge – mehr aber auch nicht. Die Kosten sollten ja dann doch nicht zu sehr aus dem Ruder laufen.

Heute würde man so ein Modell Kompakt-SUV oder Crossover nennen. 1990 aber, da gab es weder in den eigenen Reihen noch generell auf dem Markt etwas vergleichbares, und genau das wurde zum kleinen Problem. Wenn man wirklich ins Gelände möchte, dann nimmt man sich einen echten Offroader. Und für die Straße? Da gibt es ja die Pkws – der Country hatte also ein wenig das Problem, von der Kundschaft verstanden zu werden. Aber so ist das nun einmal, wenn man Trends einmal nicht perfektionieren sondern setzen möchte.

Interessanterweise erkannten nicht Jäger oder Camper die Idee hinter dem Konzept. Das schöne Geschlecht griff vor allem gerne zu dem Golf mit Aussicht, wobei die kurze Produktionsdauer von nur 18 Monaten nicht als Misserfolg zu werten ist. Die nächste Generation des Golfsburgers scharrte da schon schließlich in den Startlöchern, den es natürlich auch wieder als Syncro gab. Die Produktion fand aber nicht mehr in Graz statt. Und alleine fehlte es VW für eine Neuauflage des Country dann doch der Mut.

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