Helden auf Rädern: Chevrolet Citation | 17.06.2024
Feuer unterm Dach
Wenn’s schnell gehen muss, kann es schon passieren, dass ein paar kleine Fehler passieren. Wenn diese aber fatale Folgen haben, kann das für ein Auto das Ende bedeuten. Auch wenn der Beginn des Chevrolet Citation mehr als vielversprechend war.
Roland Scharf
Ach ja, die Ölkrise 1973, das war einer der größten Wendepunkte in der Geschichte der Automobilindustrie. Und ein Entblößen einer gewissen Ahnungslosigkeit vieler Hersteller, wie man denn nun am besten weitertun solle. Gerade die Amis waren bis dahin vor allem klassisch unterwegs: V8, Heckantrieb, Leiterrahmen, alles schön und geil, aber die Kundschaft verlangte plötzlich sparsame Modelle. Das Problem war, dass sie diese bei der ausländischen Konkurrenz mannigfach bekamen. In Detroit musste man also schnell reagieren.
Was man gut 15 Jahre früher schon einmal machte – und was in einem kleinen Desaster endete – wiederholte man also einfach: Man sah sich um, was der ausländische Mitbewerb so im Angebot hatte. Und während damals der Käfer mit dem Heckmotor und Heckantrieb bei General Motors in der Corvair-Familie mündete (die ein Konstruktionsfehler an der Hinterachse zu einem miesen Image und schnellen Untergang führte), so standen dieses Mal die Zeichen auf Frontantrieb, quer eingebautem Motor mit vier Zylindern und einer kompakt geschnittenen und selbsttragenden Karosserie mit großer Heckklappe. Fast alle Marken im Konzern sollten auf Basis dieses X-Cars Varianten anbieten, wobei man sich am meisten vom Chevrolet-Ablager versprach, dem Citation.
Die Eckdaten klangen definitiv vielversprechend: Das Design wirkte modern und zeitgemäß, das Gewicht war gering, das Platzangebot hoch, und der Antrieb dank des bewährten und robusten 2,5-Liter-Vierzylinders, der liebevoll-ironisch den Spitznamen „Iron Duke“ bekam, schien mehr als passend für eine neue Zeit zu sein, in der es längst nicht mehr um die Stärker-ist-besser-Attribute der Muscle Car-Ära ging. Auch wenn man Mitte der 1970er-Jahre mit der Entwicklung loslegte und dennoch bis 1980 für die Lancierung benötigte, ist das kein langer Zeitraum, denn: GM betrag mit dem Citation völliges Neuland, auf mehreren Ebenen. Kein Heckantrieb. Kein V8. Auch der Leiterrahmen wurde gestrichen, was alles in allem dazu führte, dass man praktisch den gesamten Erfahrungsschatz für die Konstruktion nicht heranziehen konnte.
Es war also ziemlich klar, dass man hie und da ein wenig ins Hudeln kam, denn die Konkurrenz aus der alten Welt und vor allem aus Fernost nahm immer mehr an Fahrt auf. Vor allem Datsun und Toyota brachten immer mehr preiswerte und langlebige Modelle auf den Markt, man musste also schleunigst kontern. Und anfangs schien es auch wirklich so, als ob dieser Schachzug gelingen würde. Der Citation war in seinem ersten Produktionsjahr nämlich ein riesiger Erfolg. Die Fachmedien überschlugen sich förmlich vor lautert Lob. Die Händler nahmen das neue Modell auf wie einen lange ersehnten Schluck Wasser nach der Durchquerung einer großen Wüste. Und auch die Kunden in den USA – traditionell sehr traditionell, was die Herkunft ihres Vehikels angeht – griffen mehr als begeistert zu. 800.000 Stück gingen 1980 über die Theken, aber dann schien alles irgendwie aus dem Ruder zu laufen.
Es ging zum Beispiel mit platzenden Getriebeölleitungen los, die gerne für Brände unter der Motorhaube sorgten. Wirklich problematisch wurde es dann aber mit den Bremsen. Scheinbar ging bei der Entwicklung unter, dass ein Auto mit Frontantrieb eine völlig andere Gewichtsverteilung hat als eines mit Starrachse hinten, jedenfalls überbremsten die Trommeln im Heck des Citation erschreckend häufig, was zu schlagartigem Ausbrechen des Hecks und natürlich wilden Unfällen führte. Überhaupt wirkte das Fahrverhalten des kleine Chevy unrund und zappelig, einfach so, wie das Erstlingswerk, das viel zu wenig erprobt und getestet werden konnte, weil die Zeit viel zu viel drängte. Kurioserweise besserte man die Bremsen hastig nach, was zum Teil dann dazu führte, dass sie viel zu wenig bis garnicht mehr funktionierten.
Der einzige Vorteil dieser wilden Defekte war nur, dass man andere Schwächen in der Fertigung dann nicht mehr so kritisch ansah. Wegfliegende Radkappen gehörten ebenso zur Tagesordnung wie abfallende Keilriemen, sich auflösende Türverkleidungen oder Handbremsseile, die sich selbst aushängten. Wenn das nicht schon genug gewesen wäre, kamen auch noch Konstruktionsmerkmale, die einen endgültig fragend zurückließen. Warum zum Beispiel gab es keinen Tageskilometerzähler? Oder verpasste man den Sitzen alleine schon deswegen keinen Seitenhalt, weil dieser Chevy in Kurven eh nur untersteuerte?
Alles in allem gab es wohl kein anderes Auto in der Geschichte, dass in den ersten drei Produktionsjahren mehr Rückrufe über sich ergehen lassen musste als der Citation, was der anfänglichen Euphorie natürlich schlagartig ein Ende bereitete. Da half auch eine wenig motivierte Sportversion nichts. Genau so, dass man so viel an dem Ding überarbeitete und den Wagen deswegen 1984 sogar „Citation II“ nannte. Das Image war wirklich grundlegend zerstört, was sich an den weiteren Verkaufszahlen gut darstellen lässt. Bis 1985 – dem vorzeitigen Aus dieser Baureihe – kam der Citation auf knapp 1,5 Millionen Stück, nach dem ersten Rekordjahr kam man im Schnitt also nur mehr auf eine Jahressumme von 140.000 Exemplaren – Tendenz fallend.