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Die Rache der Kamele

Wo vor rund 50 Jahren überall Autos gebaut wurden, ist in der zentralisierten Industrie der Moderne kaum vorstellbar. So gab es auch in Israel einst zivile Herstellung, wobei der Sabra streng genommen ein halber Brite war.

Roland Scharf

Es ist ein Phänomen der Nachkriegszeit gewesen, dass fast auf de ganzen Welt die Idee aufkam, eine Autoproduktion hochzuziehen, um die Wirtschaften generell ein wenig anzukurbeln. Es gab zahlreiche neue Marken – teils größer, teils kleiner, mal mehr mal weniger erfolgreich – und auch in Israel beschäftigte man sich eingehend mit diesem Thema. Die Autocars Co. War eine der größten Unternehmen zu diesem Thema, die 1957 das Licht der Welt erblickte. Und man verfolgte wirklich große Pläne, denn man fertigte nicht nur ein Modell, sondern gleich eine ganze Familie. Vom Sportwagen bis zum Kombi war praktisch alles vertreten, und man schaffte es sogar, die Limousine Sussita 13/60 in Lizenz in Griechenland zu fertigen. Doch bis dahin galt es erst einmal, die nötige Kohle aufzubringen.

Denn auch wenn seinerzeit es noch wesentlich simpler war, ein Auto zu bauen, war die Angelegenheit finanziell natürlich so eine riskante Sache. Einerseits wähnte man sich bei Autocar im stabilen Bereich, weil staatliche Institutionen natürlich verpflichtet waren, heimische Produkte Importware vorzuziehen. Andererseits galt der Deal mit der Förderung nur dann, wenn mindestens die Hälfte der Sabra in den Export gingen, um Devisen ins Land zu spülen. Problematischer als es klingt, denn die Konstruktion der Fahrzeuge bestand großteils aus Holz, was in Kombination mit der Fiberglass-Karosserie auf dem langen Seeweg und der ziemlich salzigen Luft ebendort schnell zu erheblichen Schäden führte. Von den ersten Ladungen, die in New York zum Beispiel ankamen, ging fast die gesamte Charge zurück, um nachgebessert zu werden.

Was man jetzt genau in Haifa fertigte, galt unter bösen Zungen als englische Konfektionsware, frisch in Gfk verpackt. Man nahm Ford-Motoren und Chassis oder Getriebe von Triumph und verpackte alles in neue Karossen. Neben Limousinen und Pick-ups stach vor allem der Carmel hervor, der mehr oder weniger dem Reliant Regal entsprach, wobei man für den Heimmarkt den Dreiradler auf vier Räder umstrickte, was so viele Probleme hervor brachte, dass man den Carmel nur von 1962 bis 1964 produzierte. Diverse Ärgernisse waren aber auch bei den anderen Typen zu finden. Vor allem die stickige Atmosphäre. Die Kunststoffkarossen heizten sich schnell ungut auf, und zwar so sehr, dass findige Werkstätten damals schon Klimaanlagen zum Nachrüsten anboten. Und ausgerechnet hiesige Kamele hatten die Sussitas buchstäblich zum fressen gern, denn Fiberglas dürfte aufgrund der Ausdünstungen so verführersich geduftet haben, dass sie als Futterquelle dienten.

Das Volumensmodell, der Sussita, lief hingegen von 1960 bis 1975 und erhielt zwischendurch regelmäßig Updates. Es gab ihn als zweitürigen Kombi, Pick-up und natürlich auch als Limousine, wobei die Viertür-Version namens Gilboa mit dem 1500er-Ford-Motor die stärkste Version war. Noch mehr versprach man sich vom Sportler namens Sabra, der von 1964 bis 1968 immerhin knapp 250 Mal gebaut worden ist und in Kooperation mit Reliant auf Basis eines englischen Chassis entstand. Die Geschäfts liefen gar nicht so übel, doch der Sechs-Tage-Krieg beendete die Produktion schlagartig. Und zwar dermaßen, dass alle offenen Bestellungen storniert werden mussten.

Damit man das Werk dennoch auslasten und ein wenig Geld verdienen konnte, fertigte man passenderweise auch gleich Modelle der Partnerfirmen, zum Beispiel den Reliant Regal oder auch den Triumph 1300 und 1500, wobei alle Autos quasi als Bausätze angeliefert und vor Ort dann nur mehr zusammengesteckt wurden. All das änderte aber nichts mehr an der grundsätzlich dünnen Finanzdecke der Autocar, sodass man 1970 in den Konkurs schlitterte. Rom Carmel Industries erwarb die Fabrik und fertigte den Sussita neben seinen eigenen Modellen zwar noch bis 1975 weiter, musste 1980 aber auch endgültig das Handtuch werfen.

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