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Helden auf Rädern: Pontiac Tempest
General Motors

Das geile Mauerblümchen

Ab und zu blitzt das Ingenieurswesen selbst bei börsenträchtigen Unternehmen messerscharf durch, wenn meist auch nur kurz. Der Pontiac Tempest ist GMs frühes Beispiel, was passiert, wenn glückliche finanzielle Umstände Techniker zu Höchstleistungen motivieren.

Roland Scharf

Fahrzeugbau in den USA war in den 1950ern weitgehend vereinheitlicht und ziemlich schlicht: Praktisch immer gab es einen Leiterrahmen, fast überall einen V8 und Automatik, nur manchmal einen Reihensechser und Schaltgetriebe, aber eigentlich stets eine hintere Starrachse. Der Rest spielte sich im Bereich des Designs ab. Und dennoch gibt es dann immer einmal Momente, wo glückliche Fügungen in die Hände eifriger Ingenieure spielen.

Ende der 50er zum Beispiel beauftragte General Motors die Tochter Pontiac, sich um einen neuen Kompaktwagen zu kümmern. Ein überraschender Move, galt Pontiac schließlich als hochpreisigere Division im Konzern. Aber vielleicht färbt dieses Image ja ein wenig auf die neue Fahrzeugkategorie ab, denn mit der Heckmotor-Corvair gelang Chevrolet nicht gerade ein Meisterwurf. Pontiac hatte sogar ziemlich freie Hand und musste sich nur an bestimmte Vorgaben halten. Zum Beispiel: Verwendet die Bodenplatte der Corvair. Sonst wurde aber nicht wirklich etwas definiert.

Verantwortlich für das neue Auto war niemand geringerer als John DeLorean, damals noch in der Entwicklung bei Pontiac und bereits voller Ideen, wie man Autos völlig anders bauen kann. Da weder Starrachse noch übliche Anordnung der Komponenten aufgrund der Plattform möglich war, erdachte er sich eine Transaxle-Bauweise. Getriebe und Kuppung saßen also hinten, und das Differenzial reichte die Power an eine Einzelradaufhängung weiter. Da das Auto ja Käferkäufer ansprechen sollte, musste ein kleiner Motor her. Dafür schnappte man sich einfach einen V8 und kappte eine Zylinderbank komplett. Fertig war ein Vierzylinder, der aber nach wie vor die gängigen Anbauteile wie Ventildeckel oder Luftfilterkasten verwenden konnte. Zudem geriet der Wagen erstaunlich geräumig, da man keine voluminöse Starrachse unter dem Boden unterbringen musste. Und selbst im vorderen Fahrerraum räkelte es sich überaus bequem, da keine Automatik den Mitteltunnel für sich beanspruchte – saß diese doch platzsparend im Heck.

Bei all dieser Kostenschacherei verlor DeLorean aber nie ein weiteres Ziel aus den Augen: Es sollte ein möglichst fahraktives Vehikel entstehen, und tatsächlich gelang es dank Transaxle und leichtem Motor, eine nahezu perfekte Gewichtsverteilung von 50/50 zu erzielen. Ohne zu übertreiben kann also gesagt werden, dass der Tempest von 1961 das beste Handling-Auto am Markt war. Dass es dennoch kein Erfolg wurde, lag wohl an mehreren Gründen. Zum einen, dass der durchschnittlichen Kundschaft preiswerter Fortbewegungsmittel in den Staaten zu dieser Zeit präzise Fahreigenschaften ziemlich wurscht waren. Sportlichkeit definierte sich seinerzeit hingegen schon über die Anzahl der Zylinder, und da führte an der magischen Acht einfach kein Weg vorbei. Und dann war da noch die etwas prüde Optik, die nichts von dem wiederspiegelte, was der Tempest konnte.

Es war also kein echtes Wunder, dass die zweite Generation ab 1963 eine völlig andere, weit konservativere Plattform wählte. Es wollte nämlich auch die rechnerische Seite des Projekts nicht aufgehen, da sich die Corvair zum ruinösen Debakel entwickelte und auf der Abschussliste stand – die alte Plattform des Tempest also so oder so bald nicht mehr zur Verfügung stehen würde. Für DeLorean war das aber keine Niederlage, eher das Gegenteil. Schließlich sollte der nächste Tempest mit klassischer Basis bestehend aus Starrachse und V8 unter seiner Leitung zum GTO mutieren – sein endgültiger Durchbruch und Grund für den Aufstieg zum Oberboss von General Motors.

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