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Dakar-Rallye 2016

Walkner: "Im Idealfall Top drei"

Der Österreicher Matthias Walkner spricht im Interview über die Faszination "Dakar" und seine Ziele für die nächstjährige Ausgabe.

Fotos: KTM

Matthias Walkner startet in wenigen Tagen zum zweiten Mal in das große Abenteuer Dakar-Rallye. Bei seinem Debüt 2015 konnte er gleich in der ersten Woche eine Etappe gewinnen, musste nach dem zehnten Tag aber aufgeben. Seitdem ist viel passiert: KTM-Speerspitze Marc Coma hat sich aus dem aktiven Rennsport verabschiedet, und junge Fahrer wie Walkner, Toby Price und Antoine Meo werden gegen Hauptkonkurrent Honda ins Feld geschickt. Im Laufe der Saison konnten die teilweise noch unerfahrenen Youngster ihr Talent zeigen; Walkner sicherte sich in Marokko sogar den Cross-Country-WM-Titel.

Dadurch zählt der nunmehr zweifache Weltmeister zum großen Kreis der Favoriten auf den Dakar-Sieg. Seit Wochen bereitet sich der Salzburger auf die Marathonrallye vor. Neben der körperlichen Verfassung ist auch der Umgang mit dem Roadbook und die Navigation entscheidend. Anfang Dezember war Walkner diesbezüglich erneut in Marokko und arbeitete dort mit seinem erfahrenen Teamkollegen Jordi Viladoms an diesen Punkten. Im Interview spricht Österreichs Motorsportler des Jahres 2015 über die Faszination Dakar, seine Vorbereitungen und Erwartungen.

Matthias, Du hast ein erfolgreiches Jahr hinter Dir. Vor allem in der zweiten Saisonhälfte hast Du neben einem guten Speed auch Konstanz gezeigt.

Matthias Walkner: "Am Anfang ging es darum, dass ich mir alles anschaue und lerne. Ich hatte überhaupt keine Erwartungen. In Abu Dhabi gab es ein technisches Problem, und dann in Katar wurde ich Siebter. Ich habe dann mehr Zeit mit dem Roadbook verbracht und habe versucht zu analysieren, wo ich noch Schwächen habe. In der Sommerpause habe ich meine Hausaufgaben gemacht und war dann am Erzberg gut unterwegs. Wir haben sehr viel mit dem Roadbook gearbeitet, und ich war dann gespannt wie die Rallye Sardinien läuft. Der Sieg kam sehr unerwartet, denn ich hätte maximal die Top 3 erwartet. Dann hörte Marc Coma auf. Wenn es gut läuft, rechnete ich mir ein Ergebnis in den Top 3 aus, denn vor allem die Wüste kann man in Österreich kaum trainieren. Dann ist es in Chile und Marokko sehr gut gelaufen. In Marokko war die letzte Etappe sehr schwierig, ich habe vorne 200 Kilometer alleine navigiert. Man kann sagen, dass die Saison wirklich sehr gut war."

Du hast dieses Jahr im Marathonsport richtig Fuß gefasst. Wie würdest Du einem Fan die Faszination dieses Sports beschreiben?

Walkner: "Ich zähle jetzt sicherlich nicht mehr zu den Neulingen, aber bei der Navigation gibt es bestimmt noch Potenzial. Man darf sich über lange Distanzen keine Fehler erlauben. Das ist sicherlich die Schwierigkeit. Das kommt mit der Zeit. Faszinierend finde ich, was man alles sehen kann. Chile war das Paradebeispiel, wenn man in der offenen Wüste 30, 40 Kilometer mit einem Schnitt von 110 bis 130 km/h fährt. Wenn dann die Navigation funktioniert, kommt man in einen Flow, der unbeschreiblich ist. Weil es in Chile viel geregnet hat, blühte es in der Wüste. Uns wurde gesagt, dass das nur alle 15 Jahre vorkommt. Dass man in so einem Land, in so einem Gebiet ein Rennen fahren darf, ist ein cooles Gefühl. Man sieht so viel. Wenn man mit dem Auto zweieinhalbtausend Kilometer auf der Landstraße fährt, sieht man schon extrem viel – aber wenn man als Mitteleuropäer durch diese Landschaften fährt, ist es sehr beeindruckend."

Dazu kommt, dass es in Südamerika viele Rallyefans gibt, und die Begeisterung extrem groß ist.

Walkner: "Bei der Rallye Dakar waren das letzte Mal im Laufe der beiden Wochen vier Millionen Zuschauer an den Strecken. Bei der Präsentation in Buenos Aires waren 600.000 Menschen. Die Straße in die Innenstadt war über 25 Kilometer abgesperrt. Teilweise sind sie in Zehnerreihen gestanden, und beim Startplatz waren noch einmal 100.000 Fans. Das war einfach unbeschreiblich. Die ersten 30 Starter sind Profis, von 30 bis ungefähr 80 sind es gute Amateure. Alle anderen sind Hobbyfahrer – und ich dachte mir immer, warum sich jemand das antut, jeden Tag zehn Stunden auf dem Motorrad zu quälen; aber wenn man diese Kulisse miterleben darf, versteht man, warum man sich das antut."

Eine Frage zu deinen Qualitäten als Mechaniker, vor allem bei den Marathonetappen: Kannst Du die KTM eigentlich zerlegen und wieder zusammenbauen?

Walkner: "Wir sind ein vierköpfiges Fahrerteam, in dem wir uns gegenseitig unter die Arme greifen. Alleine würde man schon lang brauchen, auch weil das Werkzeug nicht vorhanden ist. Man steht ja nicht in einer Werkstatt; aber die KTM ist ein sehr gutes Motorrad. Ich kann mich noch an die erste Rallye in Marokko erinnern. Da kam ein ausgetrockneter Teich über 15 Kilometer und das Motorrad war nur im Begrenzer. Dann habe ich das Gas zurückgedreht, weil ich dachte, das hält der Motor nicht aus. Später sagte mir das Team, dass man bei der Dakar problemlos 160 Kilometer Vollgas fährt, das sind etwa 46 Minuten. Die Technik ist so ausgetestet und standfest. Normalerweise sollte es nicht zu einem Motortausch kommen."

Die Zuverlässigkeit ist eine Stärke der KTM. Was gefällt Dir aus Fahrersicht sonst noch gut?

Walkner: "Unser Motorrad ist extrem stabil. Je schneller es wird, desto besser funktioniert die KTM. Ich glaube, dass die Honda und die Yamaha mehr auf einer Motocross/Enduro basieren. Wir bei KTM sind in der glücklichen Lage, dass dem Rallyesport große Aufmerksamkeit geschenkt wird. Es wurde auch ein eigener Rahmen entwickelt. Ab etwa 90 km/h unterscheidet es sich deutlich von der Konkurrenz und funktioniert wirklich gut."

Spielt eigentlich die Elektronik eine Rolle?

Walkner: "Je mehr Elektronik es gibt, desto fehleranfälliger wird es. Es müsste wirklich einen großen Vorteil geben, damit man dieses Risiko eingeht. Honda hat zum Beispiel einen elektrischen Gasgriff. Wenn man blöd umfällt oder etwas bricht, steht man. Braucht man das wirklich? Beim Seilzug kann das Seil abreißen, aber das ist noch nie passiert. Wir probieren natürlich herum und würden Elektronik verbauen, wenn es einen Vorteil gibt. Momentan überwiegen aber noch die Nachteile."

Du hast den Rücktritt von Marc Coma angesprochen. Wie stark trifft der das KTM-Team, denn für Euch jungen Fahrer war er die Referenz?

Walkner: "Es ist natürlich schade, dass er aufgehört hat, denn er war das Zugpferd. Jetzt lastet natürlich etwas mehr Druck auf uns, denn KTM hat die letzten 15 Jahre die Szene dominiert. Es ist natürlich jetzt schwierig, dass es so weitergeht, weil wir noch unerfahren sind. Momentan machen wir es recht gut. Auf der anderen Seite gibt es einen Aufschwung im Team, denn wir haben gemerkt, dass wir alle gleichgestellt sind. Es ist auch eine Chance, denn ab Chile wurde das Tempo deutlich höher. Dort haben Quintanilla und ich einen Wegpunkt verpasst und eine Strafe von 20 Minuten erhalten. Trotzdem haben wir die Rallye als Erster und Zweiter beendet. Vom Speed her war das sehr beeindruckend."

Es ist auch langfristig für Euch jungen Fahrer die große Chance, Teamleader zu werden.

Walkner: "Ich persönlich glaube nicht, dass es in Zukunft einen Fahrer wie Marc gibt, der die Szene so dominiert. Es sind viele Fahrer dabei, und das Niveau ist deutlich gestiegen. Bei uns im Team gibt es nicht so ein Konkurrenzdenken wie bei Coma und Despres. Ich denke, dass in Zukunft zwei oder drei Fahrer in Frage kommen und sich nicht mehr alles um einen dreht."

Lastet auf Euch eigentlich ein Druck, dass Ihr die KTM-Erfolgsserie fortsetzen müsst?

Walkner: "Nein, das kann man, glaube ich, nicht verlangen. Für mich wird es die zweite Dakar. Toby Price wurde letztens bei seiner ersten Dakar Dritter, und ich habe die WM gewonnen. Es läuft alles perfekt für uns, aber die anderen schlafen auch nicht. Ich spüre keinen Druck, nur die Erwartungen, die ich an mich selbst habe. In erster Linie will ich die Rallye beenden und im Idealfall in die Top drei kommen. Wenn alles zusammenpasst, können wir gewinnen, aber es hängt von so vielen Faktoren ab."

Wie würdest Du die Konkurrenz einschätzen? Barreda war in den vergangenen Jahren schnell unterwegs.

Walkner: "Ich persönlich schätze Barreda nicht so stark ein. Er ist zwar extrem schnell, aber er hat zu viele Blackouts. In Marokko kam er von einer Verletzung zurück und gewann gleich die erste Etappe; dann hatte er am zweiten Tag ein Problem und wollte am dritten Tag alles zerreißen. Nach zehn Kilometern stürzte er auf einer Ebene bei einem Erdhügel. Ich bin als Erster an diese Stelle gekommen, und er lag noch bewusstlos auf dem Boden. Das war nicht sehr schön. Ich habe mich gefragt, wie man an dieser Stelle so einen Fehler machen kann. Die Dakar ist zu lang für so etwas. Stärker schätze ich Goncalves ein. Er ist konstant, macht wenige Fehler und ist seit Jahren dabei. Er ist sicher jemand, den man schlagen muss. Barreda ist sicherlich stärker, aber ich glaube nicht, dass er es über zwei Wochen durchziehen kann."

So wie Du diesen Unfall angesprochen hast, ist die Motorradkategorie immer noch die gefährlichste. Wie gehst Du mit der Gefahr um?

Walkner: "Ich habe jetzt schon mehr Respekt als am Anfang. Gefährlich sind Dinge, die man im Vorfeld nicht sehen kann. Dass dir zum Beispiel ein Tier ins Motorrad läuft; oder es ist in der Nacht sehr windig, und am nächsten Morgen gibt es eine neue Düne. Diese Dinge liegen an der Natur und können dich überraschen. Ich selbst weiß relativ gut, wo meine Grenzen sind. Wenn man neben den Straßen auf Sicht fährt, kann es gefährlich werden. Das sind Situationen, in denen ich lieber zurückstecke, obwohl man viel Zeit gewinnen kann. Auf Dauer geht das aber vom Risiko her nicht gut. Da ist es besser, wenn man ein, zwei Minuten verliert und gesund ins Ziel kommt."

Und wie gefällt Dir die Route der Dakar. Gibt es Tage, auf die Du Dich besonders freust?

Walkner: "Nach dem Ruhetag wird es sicherlich schwierig, wenn wir nach Bolivien kommen. Da geht es bis auf 3.000 Meter über Normalnull hoch. Wir werden sicherlich mental und körperlich an die Grenzen stoßen. Die Rallye wird dann immer länger und schwieriger. Deshalb wird sich die Rallye erst in der zweiten Woche entscheiden."

Machst Du für diese Höhe und die dünne Luft ein spezielles Training?

Walkner: "Ich habe mir von Gerrit Glomser [ehemaliger österreichischer Radrennfahrer; Anm.] ein Höhenzelt ausgeborgt und habe in den Wochen vor der Dakar darin geschlafen. Ich war auch auf dem Kitzsteinhorn. Insgesamt habe ich etwa 200 Stunden mit diesem Höhentraining verbracht."

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