CLASSIC

  • Motorline auf Facebook
  • Motorline auf Twitter

Wat mutt, dat mutt

Wenn man vor lauter Käfern die Zukunft nicht erkennen kann, kommen unterm Strich meist Nasenbären dabei heraus. Das Modell-Chaos von VW mündete 1968 in einem Fahrzeug, das schon so gerne ein Passat gewesen wäre, aber immer noch die gleiche alte Leier war.

Roland Scharf

Natürlich ist es nicht leicht, sich gegen seine komplette Vergangenheit zu stellen. Zumal man immer gut damit gefahren ist. Und jetzt auf einmal alles anders machen? Wer weiß, ob das die Kunden überhaupt wollen? Oder die Chefs? Es war sicher nicht lustig, Ende der 1960er-Jahre in Wolfsburg für neue Modelle zuständig gewesen zu sein. Alle Zeichen standen seinerzeit noch auf Käfer, der unverändert gut lief und sich pro Jahr über eine Million Mal verkaufte. Der 1600er, auch Typ 3 genannt, tat sein übriges, damit ordentlich Kohle in die Kassen floss. Aber schön langsam dämmerte es den Verantwortlichen, dass dieses mehr als 30 Jahre alte Heckmotorkonzept vielleicht doch nicht so wirklich zukunftsfit ist. Es musste also irgendwas passieren.

Die Konkurrenz jedenfalls machte es da schon lange vor. Sie lief fast durchwegs schon mit Frontmotoren und Wasserkühlung, jedenfalls bot sie mehr Platz, niedrigere Verbräuche, bessere Fahrleistungen, geringere Preise – es sprach eigentlich nichts dafür, mit dem alten Konzept noch weiterzumachen. Außer die Kunden natürlich, die unverändert ihren Käfer haben wollten, womit die Strategen am Mittellandkanal natürlich in einer Zwickmühle waren. Wann ist es Zeit, die Reißleine zu ziehen? Vielleicht gar nie? Oder gleich? Dass man sich NSU einverleibte und auf einmal ein moderne Fahrzeug – den K 70 – im Programm hatte, war zwar nett. Aber zu dem Zeitpunkt war eine eigene Kreation schon fertig entwickelt, die als das Vermächtnis Heinrich Nordhoffs gilt. Jenes Mannes, der VW nach dem Krieg erst zu dem machte, was es 1968 war. Im Endeffekt aber stand da nur eine Bestätigung dafür, dass die Idee des Käfers damals wirklich schon am Ende war: der 411.

Intern schlicht Typ 4 genannt (nach Käfer, Bus und 1600 war das erst die dritte Neuentwicklung von VW), hatte der 411er zwar immerhin schon eine selbsttragende Karosserie. Nach wie vor aber vertraute er auf einen Vierzylinder-Boxermotor im Heck, der natürlich luftgekühlt war. Da ein Fahrzeug dieser Größe aber trotzdem einen gewissen Kofferraum bieten musste, fiel die Front entsprechend bauchig aus, was dem Auto schnell den Spitznamen Nasenbär einbrachte. Das ließ sich auch 1972 mit einem Facelift nicht mehr beheben, die dem Rundling ziemlich eckige Scheinwerfer einbrachte. Noch skurriler wurde es aber beim Kombi, der seinerzeit schon Variant hieß. Der hatte alles in allem zwar viel Laderaum, aber eben aufgeteilt auf ein Abteil jeweils vorne und hinten – im Prinzip war die gesamte Konkurrenz da praktischer. Das war aber immer noch nicht alles.

Da man mit der Heizungleistung einfach nicht zufrieden war (ohne Kühlwasser musste die Abwärme des Motors mühsam Luft erwärmen), verbaute man aus der Not heraus benzinbetriebene Heizelemente, was zwar wunderbar funktionierte, den Verbrauch aber in absurde Höhen trieb. Der neu entwickelte Motor war eh schon kein Kostverächter, die warmen Füße der Passagiere waren da nur mehr die Draufgabe.

Jedenfalls reichten die maximal 80 PS auch nicht mehr wirklich, um den Leuten die Idee des Käfers für die Familie schmackhaft zu machen. Eher fielen sie in zeitgenössischen Tests durch lahmen Antritt und unverhältnismäßige Geräuschentwicklung, und waren alles in allem gegen den Mitbewerb chancenlos. Das Fahrwerk soll auch seine Tücken gehabt haben, die Lenkung auch und – ach, eigentlich sollte man nicht mehr auf jemanden eindreschen, der ohnehin schon am Boden liegt, oder?

Eben, danke. Aber weil sich nun Mal der, den Schaden hat, nicht für den Spott sorgen muss, ätzte die Kundschaft lieber fröhlich, der Name 411 stehe für “Vier Türen elf Jahre zu spät”, als dass sie zugriffen. Zumal die völlige Verwirrtheit im Schauraum noch dazu kam, wo der 1600er, der 411 und der K 70 nebeneinander standen, die alle irgendwie danach schrien, doch endlich erlöst, äh abgelöst zu werden. Vermutlich griffen die meisten damals aus Schock einfach sicherheitshalber zu einem Käfer, der unverändert im siebenstelligen Stückzahlbereich unterwegs war und den Chefitäten wohl ein für alle Mal damit klar machte: Das Käfer-Konzept funktioniert anscheinend doch nur bei einem Käfer. Und diese Erkenntnis dürfte aus heutiger Sicht die Rettung für den gesamten Konzern gewesen sein.

Der stille Held der Geschichte übernahm also eine wichtige, wenn auch tragische Rolle im goldenen Buch der Geschichte ein. Ein typischer Held eben, von dem bis 1974 keine 400.000 Stück von den Montagebändern liefen. Und gefühlt zwei Minuten nachdem der Passat mit Wasserkühlung, Frontmotor und Frontantrieb damals das Ruder übernahm, dürfte jeder, wirklich jeder in Wolfsburg die Zahl 412 ein für alle Mal vergessen haben.

Ähnliche Themen:

News aus anderen Motorline-Channels:

Helden auf Rädern: VW 411/412

Weitere Artikel:

Die Mühen vieler Väter

Helden auf Rädern: Audi 60

Schöne Audis heißen Avant. Früher aber nicht, wobei es Anfangs nicht einmal für einen Beinamen gereicht hat. Die „60“ bekam der F 103 als erster Nachkriegsaudi auch erst später verpasst.

Einen De Tomaso fahren, noch dazu im Alltag, das war gar nicht so schwer. Nur die Begleitumstände machten das Leben des Innocenti Mini, der später zum De Tomaso wurde, etwas wenig glorreich.

11. Rallye Historiale in Brunn am Gebirge

Bruno und das alte Eisen

Der Österreichische Motor Veteranen Verband organisierte am 29. September die Historiale, Start und Ziel waren im Bruno, dem Veranstaltungszentrum von Brunn am Gebirge.

Der HTC-Termin 2024 steht bereits fest

Die Höllental Classic 2023 ist Geschichte

Blicken wir zurück auf eine der schönsten und bestorganisiertesten Oldtimer-Rallyes in Österreich. Die HTC 2023 wurde am 30. Juni und am 1. Juli abgehalten – ein später Nachbericht.

Die Ennstal-Classic 2023 ist entschieden

Ennstal-Classic 2023: Schlussbericht

Die Sieger der Ennstal-Classic 2023 heißen Helmut Schramke / Peter Umfahrer auf Jaguar XK150 von 1960, sie gewinnen nach 2003, 2006 und 2012 zum, vierten Mal. Auf Platz 2 landeten Sebastian Klackl und Nicola Kovacic-Klackl auf Mini 1000 MKII, Platz 3 erreichten Peter Schöggl und Wolfgang Artaker auf Alfa Romeo Spider Verloce 1750 von 1970.

Beschützt sei, was man liebt

Oldtimer - Was kostet eine gute Versicherung?

Oldtimer sind mehr als nur Fahrzeuge, sie sind oft liebevoll gepflegte Sammlerstücke mit hohem emotionalem und materiellem Wert. Eine passende Versicherung ist daher unerlässlich, um diesen besonderen Besitz zu schützen.