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Am Rande des Horizonts

Was in den USA als Kleinwagen zu verstehen war, konnte lange nicht klar definiert werden. Und auch im Falle des Dodge Omni dürfte man es im Bestreben der Miniaturisierung an manchen Details wohl etwas zu gut gemeint haben.

Roland Scharf

In den Staaten fährt man gerne große Autos – das war und ist unbestritten. Dennoch waren die großen drei Hersteller des Landes sehr irritiert, als japanische Unternehmen mit ihren kleinen, schlanken und spritknausernden Modellen irre Erfolge feierten. Die Europäer mischten auch noch ziemlich gut mit in diesem Game, das den Amis so völlig fremd war – sogar als der Schock der ersten Ölkrise 1973 allen noch in den Knochen streckte. Chrysler, seinerzeit wieder einmal kurz vor der Pleite, brauchte also dringend einen Plan. Große V8 waren zu Zeiten immer strenger werdender Abgasauflagen keine heiße Sache mehr. Warum griff man also nicht die Importware an, die den Markt der günstigen Vehikel so fest im Griff hatte?

Dies machte man mit zwei vermeintlich cleveren Schachzügen: Zum einen rief man bei Mitsubishi an, erwarb ein paar Prozente an der Firma und vermarktete deren Modelle unter eigenem Namen in den USA. Vor allem der Colt blieb manch einem in Erinnerung, wobei diese Autos für amerikanische Verhältnisse schon wirklich klein waren. Aber Chrysler war das noch nicht genug. Schließlich hielt man lange Anteile an der europäischen Marke Simca, dessen Modelle man schon die letzten Jahre eher erfolglos in den Staaten anbot. Das alles war sogar ein so großes Verlustgeschäft, dass man zum Ende des Jahrzehnte die Bude an Peugeot veräußerte, sich aber die Rechte zusicherte, deren neues Kompaktmodell vertreiben zu dürfen, der sogar noch unter dem Dodge Colt angesiedelt war: den Dodge Omni.

Wer damit gar nichts anfangen kann: Der Omni war im Prinzip ein Simca Horizon. Auf 4,2 Metern Länge bot er vier Türen, eine große Heckklappe und in etwa so viel Golf wie ein Opel Kadett oder VW Golf. Natürlich konnten es die Franzosen nicht lassen, in manchen Details ihrer ungeheuren Kreativität freien Lauf zu lassen. Vor allem beim Fahrwerk tobte man sich wild aus mit Doppelquerlenkern und Drehstabfederung. Bei Chrysler hingegen sah man diesen Wagen eher als absolute Einsteigerlösung eines Autos überhaupt, weswegen man nicht nur den Wagen nach Beendigung der Zusammenarbeit mit Simca auf den Markt brachte. Man konstruierte ihn vorab auch noch zum großen Teil um.

Gehen wir einmal davon aus, dass die Buchhalter bei diesen Moves genau nachgerechnet haben, denn neben einer neuen Vorder- und Hinterachse ließ man auch die Peugeot-Motoren lieber in Frankreich und verpflanzte lieber Vierzylinder, die man bei VW zukaufte. Immerhin gab es wahlweise sogar eine Automatik, wobei man sich das nicht so recht vorstellen möchte, wie sich rund 70 PS angefühlt haben müssen, deren Drehmoment zur Hälfte im Drehmomentwandler versickert sein dürften.

So oder so aber war das nicht so wild, denn die Kunden griffen erstaunlich gerne zum Omni. Das lag natürlich vor allem am unschlagbaren Preis, was vor allem die Version „Miser“, was so viel heißt wie Geizhals, am deutlichsten zeigte, der außer Lenkrad und Reifen kaum etwas an Bord hatte. Aber dafür sorgte eine längere Endübersetzung für einen Schnittverbrauch von 5,5 Litern. Aber es gab auch eine Gegenbewegung zu spüren, die den Omni langsam lieb gewann. So war es fast schon ein Zeichen luxuriöser Opulenz, dass die Rückenlehnen verstellbar waren oder ein Bremskraftverstärker das Bremsen spürbar erleichterte. Irgendwann beschloss man dann auch, die VW-Motoren doch durch Peugeot-Aggregate zu wechseln, die immerhin zwei kW mehr leisteten, dafür aber nicht mehr mit Automatikgetriebe zu bekommen waren.

Doch vergessen wir diese fragwürdig klingende Episode, denn es war auch genau jene Phase, in der man langsam lernte, mit diesen neuen Dingern namens Katalysator umzugehen. Sprich: Es durfte auch wieder ein bisschen Leistung sein. Das löste Chrysler mit einem 2,2 Liter großen Vierzylinder, der ohnehin im Regal lag, weil er praktisch alle Fahrzeuge im neuen Sortiment bis hin zum Minivan antrieb, und auch so irgendwie in den Omni-Motorraum passte. Als dieser 1984 auf 112 PS erstarkte, war man sogar so euphorisch, eine Sportvariante aufzulegen, die die Bezeichnung GLH bekam, um die sich heute noch Mythen ranken. Denn was bedeutet GLH?

Die Legende besagt: Es sei die Abkürzung für goes like hell, was wir jetzt einmal so stehen lassen wollen. Viel wichtiger aber war die Tatsache, dass man sogar die Turboversionen des 2,2-Liters im Omni verbaute. Sogar Carroll Shelby war sich nicht gut genug und entwarf eine eigene Variante, die seinen Namen tragen durfte, was diesem Modell bis heute eine erstaunlich treue Fangemeinde bescherte.

Jedenfalls war es mehr als erstaunlich, dass eine scheinbare Notlösung, ein Scheidungskind im Exil, dann doch 12 Jahre im Programm blieb und mit seinem Schwestermodell Plymouth Horizon rund 1,5 Millionen Mal vom Band lief. Ob Chrysler aus dieser Episode eines amerikanischen Kleinwagens gelernt hat? Wer diese Frage geklärt haben möchte, sollte sich den Dodge Neon ansehen und sich selber eine Antwort geben.

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