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Plötzliches Erwachen

Für den Trabant hätte es der nächste Frühling sein sollen, wäre der DDR ein zweiter vergönnt gewesen. Im Endeffekt half der neue Motor im alten Gerät zumindest dem Werk aber bis heute nachhaltig.

Roland Scharf

Die Medien witzelten schon lange über die „Große Zeit der kleinen Schritte“, wenn es um den Trabant ging. Und wenn ich lange schreibe, dann meine ich: Jahrzehnte. Wirklich änderte sich am Volksauto der DDR nämlich Zeit seines Lebens nichts, wenn man einmal von minimalen optischen Retuschen und Details wie etwa einer Füllstandsanzeige für den Tank absieht. Der große Rest aber blieb immer unverändert, vor allem die Lieferzeit: Bis zu 17 Jahre konnte die schon einmal betragen. Man war also weise, wenn man sein Neugeborenes schon Mal auf die Warteliste setzte. Aber zumindest brauchte man sich über schlechte Wiederverkaufs-Chancen auf dem Zweithand-Markt keine Sorgen machen. So war das damals in der Mangelplanwirtschaft.

Nun kam aber die große Revolution 1989. Es gab keine Mauern mehr, keine Grenzen, keine zwei deutschen Republiken – irgendwie änderte sich alles schlagartig, und das bedeutete in unserem Fall: Niemand wollte mehr einen Trabant, da Westware – wenn auch gebraucht – plötzlich massenhaft und sofort verfügbar war. Man musste also nach Jahrzehnten des Stillstands erstmals schnell handeln, um den guten alten Trabi zu retten – doch wie geht das eigentlich? Wie gut, dass sich manch Westdeutsche Firma im Osten ein wenig verwirklichen wollte, und so kam die VEB Sachsenring Automobilwerke Zwickau mit der Volkswagen AG in Berührung, die ihnen ein verlockendes Angebot machten: Wir könnten Euch für einen geringen Obolus topmoderne Motoren anbieten! Und zwar für die gesamte Palette, also den Wartburg, den Barkas B 1000 und eben den Trabant 601.

Gesagt, getan, und die Eckdaten waren schnell ausgemacht: Die 1,3-Liter-Versionen des ursprünglich für den Polo vorgesehenen Vierzylinders kamen für Barkas und Wartburg zum Zug. Für den Trabant entschied man sich für den 1100er – das sollte für das kleine Vehikel reichen. Über die genauen Umstände, wie dieser Deal zustande kam, ranken sich zahlreiche Mythen. Beim Wartburg zum Beispiel soll es schon eine eigene Lösung für eine neue Maschine gegeben haben, die auch weit weniger Anpassungsarbeiten erfordert hätte, dessen Einsatz also billiger zu realisieren gewesen wäre. Dennoch entschied sich die Geschäftsleitung für den Deal mit den Wolfsburgern – aus welchen Gründen auch immer.

Auch in den 601er konnte man nicht einfach so den neuen Antrieb hängen, denn hier werkelte ja ursprünglich ein luftgekühlter Zweizylinder-Zweitakter. Der war wesentlich leichter, kleiner als der Vierzylinder-Viertakter, benötigte keinen Wasserkühler und und und – es gab also zahlreiche Anpassungsarbeiten vorzunehmen, die bis zu einem neuen Hilfsrahmen reichten, damit die Basiskonstruktion aus den 1950ern nicht gleich beim ersten Gas-geben kollabierte. Jedenfalls war dank des neuen Antriebs eine richtige Aufbruchsstimmung zu spüren. Man hatte wirklich Hoffnung, glaubte an die Zukunft und schmiedete ambitionierte Pläne. Nicht nur der neue Vierzylinder, sogar eine komplett neue Karosserie war geplant, die spätestens 1995 in Serie gehen sollte.

Dazu investierte VW in Mosel – seinerzeit noch ein Vorort von Zwickau – in ein komplett neues Werk, in dem der ab 1989 Trabant 1.1 dann auch vom Band lief. Es gab auch staatliche Beihilfen von mehr als 500 Millionen Euro, was natürlich manch Manager schnell überzeugen kann, Investitionen zu tätigen – ja und als die neue Bude fertig war, fing alles langsam an, etwas anders zu werden. Den neuen Motor brachte man unter ziemlichem Aufwand irgendwann zum laufen. Für echte Modellpflegemaßnahmen war dann kein Geld mehr übrig, oder vielleicht auch keine Lust mehr vorhanden, somit beließ man es bei anderen Rücklichtern, einem ohnehin notwendigen neuen Kühlergrill und anderen relativ unwichtigen Details. So als hätte man es schon irgendwie gespürt, wirkte der „neue“ Trabant eher traurig als zukunftsfit. Trotz allem war der große Rest des Wagens ja immer noch hoffnungslos veraltet und hatte gegen die Konkurrenz einfach nicht den Hauch einer Chance.

Das merkte man nicht nur an der Kritik der Medien, sondern auch an dem sehr verhaltenen Echo der Kundschaft – und an der Tatsache, dass quasi nebenan ab Mitte 1990 im gleichen Werk der VW Polo vom Band lief, der wirklich alles besser konnte. Und wie auch bei den Monteuren, die den Barkas zusammenschraubten, zeichnete sich bei den Trabant-Arbeitern in den Pausenräumen ein ähnliches Bild ab – man durchstöberte Anzeigenblätter, welches westdeutsches Fahrzeug man sich denn kaufen würde. Das Gerücht, VW hat da etwas getrickst und den Trabi bewusst sterben lassen, um das neue subventionierte Werk ganz für die eigene Produktion zu nutzen, wird seither jedenfalls heiß diskutiert. Wer sich an die Fakten hält, kann indes nicht leugnen, dass die Zeit des Trabis so oder so ganz einfach vorbei war.

So kam es schließlich, dass 1991 mit der Beendigung der 1,1-Produktion stattdessen die letzten Exemplare des Golf 2 ebendort produziert wurden. Und das war gut so. Denn viele behielten trotz des Endes der „Rennpappe“ also dennoch ihren Job. Nur produzierten sie jetzt jene Fahrzeuge, die sie sich auch selber kaufen wollten.

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