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Helden auf Rädern: Monteverdi Safari

Der internationale Kompromiss

Wenn keiner mehr luxuriöse Sportwagen möchte, liegt die Lösung nicht immer bei preisgünstigen Modellen. Luxuriöse Offroader sind eine probate Alternative, und so verhalf der Safari Monteverdi zum größten Erfolg der Firmengeschichte.

Roland Scharf

Monteverdi, vor allem in den 1960ern durch ihre starken und üppig bestückten Limousinen und Sportcoupés berühmt, kam zu Beginn der 70er-Jahre wie viele Kleinstserienhersteller in das große Dilemma, das die große Ölkrise mit sich brachte. Schlagartig brach der gesamte Markt für derlei Modelle weg, die üblichen Rezepte wie mehr Leistung, mehr Zylinder oder mehr Leder halfen plötzlich nichts mehr. Guter Rat war teuer, und während sich manche preiswerteren und sparsameren Modellen zuwandten oder gleich in Konkurs gingen, überlegte sich Peter Monteverdi in der Schweiz ein ganz anderes Konzept, damit seine Firma weiterleben konnte.

Verbrauchsarme Kleinwagen wollten irgendwie nicht zu seinem mühsam aufgebauten elitären Markenimage passen, doch es gab da ein Auto, das dem findigen Eidgenossen schnell ins Auge stach: Der Range Rover – seit Beginn des Jahrzehnts im Angebot – zeigte sich von den steigenden Spritpreisen unbeeindruckt und verkaufte sich auch in den Krisenjahren 1973 und 1974 überraschend solide. Warum also nicht auch in diesen Markt einsteigen, wenn nicht sogar noch ein wenig luxuriöser? Man machte sich ans Werk. Da eine komplette Eigenentwicklung finanziell nicht drin war, griff man auf alte Kontakte zu International Harvester zurück, die mit dem Scout einen griffigen Geländewagen im Programm hatten, der mit solidem Rahmen, Allrad und V8-Motoren inklusive Automatik bereits das notwendige Rüstzeug mitbrachte. Und vor allem: Von den Dimensionen her bewegte er sich sehr nahe am Rangie, der ja Monteverdis erklärtes Vorbild war.

Wenn der eigene Rahmen (tatsächlich gab es Pläne dafür) schon nicht realisiert werden konnte, so musste es doch zumindest eine eigenständige Karosserie geben, die voll und ganz dem damaligen Zeitgeist der eckigen Funktion entsprach. Chrom gab es nur im Mindestmaß, dafür aber – so wie beim Range Rover – nur zwei Türen, großzügige Fensterflächen und eine große Heckklappe, die man auch tatsächlich eins zu eins vom englischen Vorbild übernahm. Der große Rest der Anbauteile ist ein kunterbunter Mischmasch aus Elementen von BMW, Citroen, Fiat und so weiter. Aber in Kombination entstand dann doch ein typischer Monteverdi. Und mehr noch: Damit sollte auch im Ausland richtig durchgestartet werden. Wäre da nicht noch das Problem mit der Produktion gewesen.

Ein Bau im eigenen Haus kam nach wie vor nicht in Frage. Auch eine Montage quasi in der Nachbarschaft bei Saurer konnte nicht realisiert werden, weil man dort auch so schon mehr als genug zu tun hatte. Also griff man doch wieder auf Carrozzerie Fissore in Turin zurück, die sich auch im die bisherigen Modelle kümmerten – wenn auch ein wenig widerwillig. Schließlich raunzte man im schönen Piemont eh schon, dass man für die geplanten Stückzahlen schlicht nicht genug Platz hätte. Geschweige denn die Anlagen und schon gar nicht die nötige Kohle dazu. Tatsächlich war es so, dass Fissore in den letzten Jahren zwar schon hauptsächlich für Monteverdi fertigte. Die versprochenen Stückzahlen blieben aber aus und zudem wurde mit der Zeit immer klarer, dass derartige große Stückzahlen (man sprach eh nur von an die 100 Stück) rein handwerklich nicht zu stemmen waren – weder zeitlich noch finanziell. Monteverdi blieb also nichts anderes übrig, in das italienische Unternehmen einzusteigen und in Blechpressen zu investieren, damit sein Projekt langsam in die Gänge kommen konnte.

Das Ergebnis war jedenfalls ein Auto, dass das große Glück hatte, nach der schlimmsten Phase der Ölkrise auf den Markt zu kommen. Denn 1976 stand den Leuten wieder der Sinn nach PS und Luxus, und tatsächlich verkaufte sich der Safari vor allem im nahen Osten erstaunlich gut. Es gab eine Reihe von Versionen, von 5,2 bis 7,2 Liter Hubraum, praktisch alle mit Automatikgetriebe und stets gewürzt mit einem möglichst individuellen Touch, um der betuchten Klientel möglichst alle Wünsche zu erfüllen. Der große Durchbruch blieb dem Safari wohl verwehrt, weil man es nicht schaffte, die US-Sicherheitsstandards zu erfüllen, womit die wirklich großen Stückzahlen nie erreicht werden konnten, wobei: So ganz klar, wieviele Safari es tatsächlich auf die Straße schafften, ist es nicht. Einige Quellen sprechen von einer schönen vierstelligen Zahl, andere nur von wenigen hundert Exemplaren, was für eine exklusive Marke wie Monteverdi aber auch schon erstaunlich wäre.

So oder so endete 1982 nicht nur die Produktion des Safari sondern auch die aller anderen Monteverdis. Strengere Bestimmungen, neue Konkurrenten und ein Markt, der für derart opulente Fahrzeuge viel zu ausgenüchtert war, trieben Peter Monteverdi dazu, seine Fabrik Stück für Stück in ein Museum umzuwandeln, wobei: Der eigentliche Treppenwitz dieser Geschichte ist ja, dass Range Rover über seinen Schweizer Importeur bei Monteverdi im Jahre 1976 anklopfte. Aber nicht, um sich über den Rangie-Klon aufzuregen. Monteverdi bekam stattdessen den Auftrag, einen viertürigen Range Rover zu entwickeln, der fortan als Range Rover Monteverdi tatsächlich in den Verkauf kam. Die Zusammenarbeit endete, als man in England diese Variante dann selber in die reguläre Produktion integrierte – just im Jahre 1982. Womit nicht nur die Geschichte des letzten Schweizer Automobilherstellers enden sollte, sondern auch gleich die von Carrozzerie Fissore – ohne dem größten Kunden gingen dort nämlich auch ganz schnell die Lichter aus.

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