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Provisorien halten länger

An guten Ideen mangelte es der britischen Autoindustrie noch nie. Oft aber an einer passenden Umsetzung, und meist am fehlenden Geld. Dass jedoch so viel zusammenkommen musste wie beim Morris Marina gab es wirklich selten.

Roland Scharf

Es muss ein unglaublich deprimierendes Gefühl sein, wenn man genau weiß, welches Modell in die eigene Palette passen und auf dem Markt großen Erfolg haben würde. Aber um es zu bauen, hat man einfach nicht die notwendigen Mittel. Bei der British Motor Corporation gab es Anfang der 1970er-Jahre wieder einmal genau so eine Situation. Schon damals war der Markt für Flottenfahrzeuge ein heiß umkämpftes Geschäft, das sich Ford und Vauxhall fast alleine unter sich ausschnapsten. Fesch, preiswert, zuverlässig – die Cortinas und Cavaliers passten einfach perfekt. Dem angeschlagenen BMC-Konzern wäre ein Mitmischen mehr als Recht gewesen. Schließlich sahen die Bilanzen nach Jahren schlechten Managements und brutaler Misswirtschaft mehr als düster aus.

Es musste also schnell eine Lösung her, was automatisch keine sehr gute Situation ergab: keine Zeit, keine Kohle – das konnte nur schief gehen. Aus der Not heraus bediente man sich somit einfach den Teilen, die es irgendwo in den Werkshallen zu finden gab. Die Basis bildete somit der Minor, ein Mittelklasseauto, das größenmäßig ziemlich gut ins Konzept passte und bereits 1949 auf den Markt kam. Dass man mit der Konstruktion aus Leiterrahmen, Hebelstoßdämpfer, Blattfedern und Starrachse schon vor Verkaufsstart hoffnungslos veraltet war, dürfte den Beteiligten durchaus bewusst gewesen sein. Aber man könne ja diverse Verbesserungen vornehmen. Und ein komplett neues Modell käme ohnehin auf den Markt, wenn man sich denn finanziell ein wenig erholt habe.

Das Umgestalten der uralten Basis gestaltete sich aber dermaßen aufwändig, dass das ganze Projekt im Endeffekt mehr Geld verschlang als es eine komplette Neukonstruktion je getan hätte. Dazu kam noch die irre Bürokratie im nun British Leyland getauften Megakonzern, der alles nur noch mehr erschwerte und verteuerte. Immerhin stand 1971 ein durchaus zeitgemäß gezeichnetes Fahrzeug in drei Karosserievarianten (Limousine, Kombi, Coupé) bei den Händlern und buhlte um die Gunst der Kunden.

Und bei aller Rückständigkeit – das wäre für die angepeilte Zielgruppe noch nicht einmal ein Problem gewesen. Fuhrparkbetreibern sind schließlich andere Dinge wichtiger, wie zum Beispiel ein dichtes Händlernetz, gute Verarbeitung oder hohe Zuverlässigkeit. Der Marina hätte gut ins Bild gepasst, hätte er nicht nur den ersten Punkt erfüllen können. Tatsächlich kam der letzte Morris aller Zeiten zu einer Zeit auf den Markt, wo die Gewerkschaften fast schon täglich zu neuen Streiks ausriefen. Aus Protest arbeiteten die Leute am Band am liebsten gar nicht. Oder sie pfuschten bewusst die Autos zusammen, ließen Teile weg, malten obszöne Sprüche auf die Innenseite des Kofferraumdeckels oder ließen Fahrzeuge aus den Werkshallen rollen, die – ja – gerade einmal rollen konnten.

Händler waren es schon gewohnt, neue Fahrzeuge gleich einmal zu zerlegen und neu aufzubauen, ehe man sich traute, sie an die leidgeprüfte Kundschaft auszuliefern. Und obendrein kam dann noch die übliche Rostanfälligkeit dazu, was die Telefone in den Garantieabteilungen rot glühen ließen und endgültig dafür sorgte, dass Leyland mit dem Marina wohl nie wirklich Geld verdiente.

Genau das war schlussendlich auch der Grund, warum der Wagen nicht wie geplant schon nach wenigen Jahren, sondern streng genommen erst 1984 abgelöst werden sollte. Der Nachfolger sollte spätestens 1977 erscheinen, aber eine erneute Umstrukturierung ließ die nötigen Mittel dafür ganz schnell versiegen. Als endgültige Notlösung verpasste man dem Marina lieber eine neue Front und ein neues Heck, nannte ihn fortan Ital und ließ ihn tatsächlich noch bis Mitte der 1980er-Jahre auf die Kunden los. Ehe der Montego kam, aber das ist eine ganz andere Geschichte.

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