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Ganz knapp vorbei

Man kann seiner Zeit auch zu weit voraus sein. Erst recht, wenn man nicht rechtzeitig etwas dagegen unternimmt. Der Austin Allegro hätte ein ganz Großer werden können. Er scheiterte aber wieder einmal an dem Wahnsinn, der großen Firmenkonstrukten inne wohnt.

Roland Scharf

Trends sind oft wie Buschfeuer. Es fängt immer an mehreren Stellen zu zündeln an, und Anfang der 1970er-Jahre stand der Zeitgeist einfach europaweit nach modernen Kompaktwagen. Alfa Romeo war mit dem Alfasud ganz weit vorne dabei. Simca war bereits in den 1960ern mit schlauen Konzepten mit dabei. VW tüftelte fieberhaft am Golf. Opel und Ford ahnten schon, dass ihre neuen Kadett und Escort wohl schon veraltet waren, als sie auf den Markt kamen. Und in England? Da hatte man mit Frontantrieb und schlauen Raumkonzepte schon jede Menge Erfahrung. Die Idee des quer eingebauten Motors, um so mehr Platz im Innenraum zu bieten, war zu dem Zeitpunkt aber schon mehr als zehn Jahre alt. Der Mini von 1959 hatte das Konzept aus der Taufe gehoben, und dennoch liefen die Engländer zum Beginn des neuen Jahrzehnts wieder einmal dem Markt hinterher. Doch warum?

Viele meinen, weil sie mehr mit internen Querelen und Streiks beschäftigt waren als mit der Entwicklung von neuen Modellen. Andere meinen, man fühlte sich mit der bestehenden Flotte als eh gut aufgestellt und verschließ einfach ein paar Jahre. Es gibt zahlreiche Meinungen, woran die britische Autoindustrie vor die Hunde ging, aber um 1970 herum erkannte man jedenfalls die Zeichen der Zeit richtig und entwickelte gleich zwei neue Modelle für den Kompaktmarkt. Zum einen den Morris Marina, der im Prinzip ein altes Auto mit neuer Hülle war. Und dann den Austin Allegro, der wirklich alles neu machen wollte.

Es gab tatsächlich erstaunliche Errungenschaften: Ein sehr großer Radstand. Minimale Überhänge. Eine breite Spur mit sehr guten Fahreigenschaften. Und, wenn man schon dabei war, alles neu zu machen, sogar einem viereckigen Lenkrad. Ja, wirklich! Das fand man damals anscheinend so fortschrittlich wie Kunstleder, vermutlich weil es sonst niemand hatte. Sogar an Rostvorsorge dachte man schon ein wenig, und wie so oft bei Produkten aus dem Hause British Leyland konnte man nie so wirklich erkennen, warum das Fahrzeug denn kein Erfolg werden sollte.

Um es so zu sagen: Hätte man aus seinen Fehlern gelernt, wäre alles vielleicht anders gekommen. Aus Zeit- und Geldknappheit kamen die Autos unausgereift auf den Markt. Viele Kleinigkeiten machten großen Ärger, dazu kam die mehr als schleißige Verarbeitung von demotivierten Mitarbeitern, die teilweise zu Fleiß Dinge falsch oder gar nicht montierten. Lasche Motorlager, die das ganze Auto zum wackeln brachten, besserte man auch erst zwei Jahre nach Marktstart aus. Dazu kam ein komisch bauchiges Design, das “passierte”, weil die neu konstruierte Heizung nicht mit den Motoren zusammen passte, weil die ursprünglich eingeplanten Aggregate dann doch nicht verwendet werden durften. Aber all das kann man ja bei einer Modellpflege ausgleichen.

Allein – das passierte nie. Dem Allegro blieb Zeit seines Lebens die Nasenbär-Optik. Genau so wie die winzige Heckklappe, die viele potenzielle Käufer abschreckte. Autos wie der Golf oder der D Kadett (nach Überarbeitung) waren hier um den entscheidenden Vorsprung voraus. Aber immerhin verbaute man dann ein rundes Lenkrad und brachte sogar eine Kombiversion auf den Markt, die mit ein Grund dafür war, dass der Allegro von 1973 bis 1982 auf dem Markt blieb. Im Common Wealth hat man nun einmal ein Herz für Autos aus dem Königreich.

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