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Helden auf Rädern: Sebring-Vanguard Citicar
Werk

Das Käseeck aus der Zukunft

Es gab elektrische Autos aus Amerika schon lange lange vor den Teslas. Bis auf die Antriebsart hat der Sebring-Vanguard Citicar mit den aktuellen Gefährten aber genau nichts gemeinsam.

Roland Scharf

Amerika, das Land der begrenzten Unmöglichkeiten. Hier gibt es dicke V8, große Limousinen, noch größere Pick-ups und – zumindest vor einem halben Jahrhundert – Sprit zu Preisen, die schon lächerlich niedrig waren. Kein Wunder also, dass die Ölkrise 1973 nirgendwo härter einschlug als in den Staaten, als Benzin nicht mehr unbegrenzt, sondern sogar streng limitiert war. In derartigen Situationen passiert es dann, das man meist unüberlegt überreagiert.

Das bedeutet zum Beispiel im Falle der Mobilität: Es gab sogar eine Firma mit Sitz in Sebring, Florida, die eigens gegründet wurde, um ein Auto auf die Räder zu stellen, dass das komplette Gegenteil von dem darstellen sollte, was man in den USA normalerweise so kauft: das Sebring-Vanguard Electric Citicar. Der Name sagt in dem Fall eh schon alles aus, um was es sich hier handelt. 2,4 Meter lang, 1,4 Meter breit, zwei Türen, zwei Sitzplätze und ein 36-Volt-Antrieb, der zu Beginn einen 1,8 kW starken E-Motor antrieb. Damit waren immerhin 48 km/h Höchstgeschwindigkeit drin, was sogar für die Neue Welt eher mager war, aber hey: Es ging ja darum, nicht nur Benzin, sondern generell Energie zu sparen.

Um die Kosten einigermaßen unter Kontrolle zu haben, bestand die Karosserie nur aus einem Hauch von Kunststoff, das Fahrwerk hatte erschreckende Ähnlichkeit mit dem eines Golf-Karts und die Ausstattung konnte als solche eigentlich nicht wirklich bezeichnet werden. Um die Sache klarzustellen: Eigentlich war das Konzept des absoluten Minimalismus gar nicht so blöd. Aber schnell bemerkten die Verantwortlichen, dass man es mit der Askese dann doch ein wenig übertrieben hatte. Nachdem die Kundschaft komischerweise ausblieb, bastelte man schnell ein Energiesystem mit mehr Leistung und stellte stärkere Motoren dazu, sodass dann schon 65 km/h möglich waren und man rund 65 Kilometer weit fahren konnte. Wirklich anspringen wollte aber immer noch niemand.

Also ging man Mitte der 1970er-Jahre in die Vielfalt. Es gab Citicars nämlich auch als Van, die dann Citivan hießen und sogar so erfolgreich wurden, dass Sebring-Vanguard hinter GM, Ford, Chrysler, AMC und Checker (die, die die Taxis bauten) zum sechstgrößten Fahrzeughersteller der USA aufstiegen, wenn auch mit gewaltigem Respektabstand. Denn alles in allem rund 2.300 Fahrzeugen konnte man mit den der Konkurrenz nicht wirklich konkurrieren.
Auch nicht, als von der amerikanischen Post ein kleiner Großauftrag für Citivans kam, die allesamt rechtsgelenkt sein mussten. 1977 war dann trotzdem Schluss, als sich die Situation an den Tankstellen wieder etwas entspannte. Warum man auf die Idee kam, die Produktionsstätten aufzukaufen und unter dem neuen Namen Comuta in leicht abgewandelter Form neu aufzulegen, konnte bis heute nie ganz geklärt werden. Doch auch mit gewaltigen 4,4 kW Leistung wollte 1979 keiner mehr so Recht auf diese Minimalfahrzeuge ansprechen, sodass 1982, als die großen Konzerne langsam anfingen, den Achtzylindern das Trinken abzugewöhnen, auch wieder endgültig Schluss war.

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