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Helden auf Rädern: Chevrolet S-10 EV

Die Schnellladefläche

Noch seltener als der Chevy EV-1 war sein praktischerer und weit patriotischer Ableger. Der S-10 EV war ein Frühversuch elektrischer Nutzfahrzeuge, bei denen den Machern ein entscheidender Fehler passierte.

Roland Scharf

Es gibt kaum einen aus der Autoszene, der nicht die Geschichten und Legenden von und über den Chevrolet EV-1 kennt. Der Urentwurf eines modernen E-Fahrzeugs von Anfang der 1990er-Jahre. Weit besser als gedacht, von vielen geliebt, von den Machern dann aber doch verschmäht und vernichtet. Viele vermuteten dahinter eine Verschwörung, auch Filmemacher. So oder so war der EV-1 aber nie als Großserie gedacht, sondern als groß angelegten Feldversuch, bei dem die Kunden quasi die Beta-Tester waren. Klingt natürlich etwas brutal, aber deswegen gab es diese Autos ja auch nur über Leasing – ein Verkauf stand nie zur Debatte. Und hier startet die eigentliche Geschichte des weit unbekannteren Ablegers für die Handwerkerwelt: der S-10 EV.

Wer Amerika kennt, der weiß, dass man bei der Erprobung neuer Techniken an einer Fahrzeugklasse einfach nie vorbeikommt: dem Pick-up. Das Auto, das laut Legende die USA aufbaute, hat in den 1980ern einen Höhenflug an Varianten erlebt. Es gab immer größere, aber auch immer kleinere. Chevrolet spielte da mit dem S-10 eifrig mit, setzte aber nach wie vor auf die klassische Bauweise mit Leiterrahmen und Starrachse hinten. Dennoch hatte man im Rahmen der EV-1-Entwicklung so einen Lauf und dachte sich, ob der recht kleine und recht leichte S-10 nicht auch ein guter Kandidat wäre, den elektrischen Antrieb auszuprobieren. Das ging allerdings nicht ohne gröbere Eingriffe.

Schließlich wollte man so viel wie möglich vom EV-1 übernehmen, inklusive Motor, Getriebe und so weiter. Daher mutierte der S-10 genau deswegen vom Heck- zum Fronttriebler, da die Antriebseinheit eins zu eins ausgetauscht wurde. Das war aber kein Nachteil, denn so blieb im hinteren Bereich zwischen den Längsträgern des Rahmens genug Platz, um die Akkus unterzubringen. Um den Verbrauch nicht unnötig zu limitieren, reduzierte man die Motorleistung von 136 auf 114 PS, denn gerade die ersten Exemplare hatten mit ihren 635 Kilogramm schweren Bleisäure-Akkus gerade einmal 16,2 kWh Fassungsvermögen – mehr als rund 60 Kilometer waren mit einer Füllung also nicht drin.

Macht nichts, meinte GM, das reicht schließlich völlig für die vorgesehene Zielgruppe, die auf Betriebsgeländen oder im alltäglichen Bedarf eh nicht weite Strecken fährt, womit man nicht einmal unrecht hatte. Dennoch war das Gesamtkonzept irgendwie nicht sehr überzeugend, weswegen man für das zweite Baujahr 1998 auf Nickelmetallhybrid-Batterien umstellte, die mit 473 Kilogramm nicht nur deutlich leichter waren. Ihre 29 kWh verhalfen auch zu einer Reichweite von schon eher verträglichen 130 Kilometern. Optimieren stand weiter am Plan, um nicht unnötig Energie zu verbrauchen. Also bekam die Front eine strömungsgünstige Verspoilerung, die Ladefläche hatte eine glatte Abdeckung und sogar der Bereich zwischen der Ladefläche und der Fahrerkabine verschloss man, um dem Fahrtwind möglichst wenig Angriffsfläche zu bieten. So, und nun mussten noch Kunden kommen.

Und die kamen tatsächlich, weil General Motors diese Autos anfänglich nämlich nicht nur über Leasingverträge anbot. So gelangen an die 60 Stück tatsächlich in den Verkauf, ehe die NHTSA (National Highway Traffic Safety Association) Bedenken über die grundsätzliche Verkehrstauglichkeit eines Vehikels mit so geringer Reichweite äußerte, woraufhin man auch bei Chevy kalte Füße bekam und EV-1 und S-10 EV ausschließlich für wenige Jahre verleaste. Half aber nichts, aus heutiger Sicht, denn die 60 verkauften Stück blieben im Umlauf, und das bis heute. Kein Wunder also, dass es von den ingesamt rund 490 gebauten Stück noch relativ viele gibt. Im Vergleich zu den EV-1. Von den mehr als 1.000 Exemplaren wanderten praktisch alle in den großen Schredder der Autogeschichte.

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