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Helden auf Rädern: Gurgel XEF

Senor Stewart

Wenig Auto, viel Design für viel Geld – eine Idee, die hätte funktionieren können. Die Optik eines Bonsai-Mercedes war für den Gurgel XEF dann aber doch zu wenig.

Ja er hat schon etwas, der XEF, so knuffig und doch ernsthaft wie er aussieht. Aber um den vollen Umfang dieses Machwerks zu verstehen, warum er eigentlich nie eine Chance haben konnte, muss man sich erst einmal das Wahnsinnsgeflecht der Firma ansehen, die den Zweitürer aus dem GKF stampfte. Fast wie eine Verwechslungskomödie brasilianischer Machart, die in Detroit startet. Dort lernte ein gewisser João Augusto Conrado do Amaral Gurgel bei GM, wie man mit glasfaserverstärktem Kunststoff richtig hantiert, nahm das Wissen mit nach Sao Paulo und gründete 1958 daheim daraufhin Moplast Moldegem de Plástico, um Kinderautos und Go-Karts zu produzieren. Die Ambitionen waren wohl höher als der Erfolg, denn nach wenigen hundert Stück verabschiedete sich Herr Gurgel bereits 1964 von dem Unternehmen, um ein neues zu gründen. Unter Macan Indústria e Comércio Ltda. Setzte er mit den gleichen Produkten seine Arbeit vor, präsentierte 1966 aber schon zwei echte ausgewachsene Autos – die Marke Gurgel war geboren.

Man kann natürlich nur mutmaßen, warum Senor Gurgel bereits 1969 erneut unter die Gründer ging. Jedenfalls startete er in jenem Jahr mit Gurgel Indústria e Comércio de Veículos Ltda. – ebenfalls in Sao Paulo – neu durch, behielt aber den bereits gut eingerührten Markennamen und die bestehenden Modelle und baute 1974 sogar ein neues Werk in Rio Claro, denn nachdem man 1966 mit VW do Brasil einen Deal über die Nutzung der Fahrgestelle und Motoren des Käfers abschloss, gab es eine regelrechte Heerschar an Fahrzeugen und Varianten mit klangvollen Namen wie Ipanema, Enseada, Augusta oder Xavante. Sogar einen Buggy gab es, den Bugato. Entscheidend war 1972, als Gurgel tatsächlich einen eigenständigen Rohrrahmen entwickeln ließ, um – richtig – noch mehr Fahrzeuge mit eigenständigen Karosserien mit der immer gleichen Technik zu kombinieren. Es war wohl irgendwo in diesem Höhenflug, dass man schließlich auf die Idee kam, auch die Luxussparte zu entern, sodass man sich nach Nutzfahrzeugen und Geländewagen, die alle X-10 oder X-12 oder G15 oder gar G-800 hießen, dazu entschloss, ein nobles Coupé zu bauen: den XEF.

Es ist nicht sonderlich schwer zu erraten, welche Vorbilder Herrn Gurgel als Muster für das Design dienten. Stuttgarter Traditionsware ist bei den Dimensionen spürbar, auch das Drei-Box-Design spricht die Sprache des deutschen Sterns und man muss dem Zweitürer zu Gute halten, dass die Proportionen durchaus stimmig sind, wenngleich er seine Wurzeln bei maßstabsgetreuen Kinderautos nicht ganz verleugnen kann. Auch seine bodenständige Herkunft mit luftgekühlten 54 PS im Heck, die ein 1600er-Boxer aus dem VW-Regal beisteuerte, waren seinerzeit weder üppig viel noch einigermaßen zeitgemäß mehr. Der XEF war skurril, aber weder besonders leise noch sportlich noch komfortabel, oder anders gesagt: Ein schnöder VW Passat konnte alles viel besser, kostete aber keinen Cent mehr.

Der ursprüngliche Plan, vom 3,1 Meter langen und 680 Kilogramm schweren Vehikel pro Jahr 1.200 Stück zu produzieren, erwies sich also schnell als etwas überambitioniert, sodass bis 1986 gerade einmal 100 von den Bändern liefen, was aber nicht so schlimm für Gurgel war. Schließlich verwendete er die Technik eh für andere Fahrzeuge auch, etwa den geländegängigen Carajás, der dann auch zu seinem größten Erfolg werden sollte und tatsächlich bis 1994 im Programm blieb. Ab dann ging es recht schnell. Während man Ende der 1980er schon einmal ein neues Unternehmen namens Gurgel Motores S.A. gründete, um einfach weiter machen zu können, gingen Anfang 1995 endgültig die Lichter aus. Gurgel ging in die Insolvenz und verschwand 1996 endgültig.

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