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Keine Visa für Rumänien

Citroen wollte einfach nur das machen, was Citroen ausmacht. Aber ein Löwe machte ihnen einen Strich durch die Rechnung und verfrachtete den ungeliebten Neuling hinter den eisernen Vorhang. Ein paar schafften es dennoch sogar bis nach Österreich.

Roland Scharf

Warum welches Modell erscheint und warum nicht, hatte oft mit wilden Überlegungen zu tun. Meist waren auch Firmenübernahmen schuld daran, dass Entwicklungsbudgets umsonst verbrannt wurden, nur weil die neuen Hausherren meinten, ihren eigenen Stempel aufdrücken zu müssen. Mitte der 1980er kam es zum Beispiel in Frankreich zum großen Showdown. Peugeot übernahm Citroen, Talbot und Simca gingen dabei völlig baden, wobei manche Teile dann an Renault gingen. Jedenfalls traf man Citroen an einem denkbar schlechten Zeitpunkt. Wirtschaftlich war man nach der Affäre mit Maserati und dem glücklosen SM ohnehin reif für eine Übernahme. Und auch die restliche Produktpalette stand fortan auf dem Prüfstand – jedes Modell, das sich nicht rechnete, flog gleich einmal raus. Citroens Nachfolgemodell für den Ami 8 war zu dem Zeitpunkt schon fertig, und wenn man sich die Eckdaten ansieht, wurde einem schnell klar, was die Pariser damit vorhatten. 3,7 Meter lang, luftgekühlte Boxermotoren, Frontantrieb, simpel und einfach gebaut – das intern Projekt Y genannte Projekt hätte durchaus zum 2CV-Nachfolger werden können. Leistbare Mobilität für den modernen Franzosen, das hörte sich ja nicht schlecht an, und dennoch war das nicht mehr gut genug.

Also stampfte man den Wagen komplett ein und legte mit dem Visa einen Wagen auf, der verblüffend ähnlich sah, aber kein Teil übernahm, dafür über vier Türen verfügte und technisch eng mit dem Peugeot 104 verwandt war. Kostenersparnis erfüllt, und zumindest optisch voll und ganz ein Citroen – alles gut also. Aber dennoch wollte man mit dem Y doch noch irgendwie Geld verdienen, und so kam man auf die geniale Idee, mit Oltcit S.A. ein Joint Venture einzugehen. Oltcit? Das war eine Kooperation zwischen dem Staat Rumänien und eben Citroen mit dem Ziel, in Craiova Autos zu fertigen. Der Name setzte sich aus Olt (ein Fluss bei Craiova) und Citroen zusammen, und neben Citroen war auch noch Dacia beteiligt, die – wie wir ja wissen – dann bald zu Renault wandern sollte.

Dass ausgerechnet der letzte alte echte und nie gebaute Citroen dann dort seine neue Heimat fand, war zwar nie so wirklich geplant, aber umso kreativer war man dann bei der Abrechnung. Aus Frankreich kamen Bausätze zur Endmontage nach Rumänien, die wiederum mit fertig produzierten Autos bezahlt werden sollten. Dass Citroen die Bausätze nicht einmal ansatzweise rechtzeitig liefern konnte, war übrigens relativ egal, schließlich verspätete sich die Fertigstellung des Werkes ebenso maßlos. Jedenfalls tat diese Vorgehensweise dem Axel (wie Citroen auf diesen Namen für den Zweitürer kam, bleibt leider ungeklärt) nichts Gutes, denn die Fertigungsqualität ließ im neuen Werk leider stark zu wünschen übrig. Das lag natürlich an dem völlig aus dem Ruder gelaufenen Zeitplan. Aber auch an der fehlenden Erfahrung der angeheuerten Arbeiter, was jedenfalls bedeutete, dass man jedes einzelne Fahrzeug nacharbeiten musste. Das wusste man natürlich in Paris, und entsprechend selektiv wählte man die Märkte aus, denen man den Neuling auch zumuten konnte. Österreich war eines der glücklichen Länder, Deutschland umschiffte man sicherheitshalber aber schon einmal.

Wie erfolgreich der Axel war? Na ja, sagen wir so: Die Produktionszahlen blieben stets weit hinter den Erwartungen zurück. Zwar war der Wagen allein dank des zerklüfteten Armaturenbretts noch sofort als Citroen erkennbar. Dennoch traf er überhaupt nicht den Geschmack des zahlenden Publikums im Westen, sodass man 1988, nach nur vier Jahren Bauzeit, die Reißleine zog und Oltcit die Zusammenarbeit kündigte. Man lieferte einfach keine Teile mehr und beendete den Export. In Rumänien hatte man aber keine Lust aufs Aufhören und baute den Wagen, der in Rumänien schlicht Oltcit hieß, einfach mit einheimischen Teilen weiter – und das erstaunlich lange. Anfang der 1990er-Jahre, nach dem Fall des eisernen Vorhangs – wurde Oltcit privatisiert, sodass der Wagen (als klitzekleines Facelift) den neuen Namen Oltena bekam. Und als Daewoo den ganzen Laden übernahm, frischte man tatsächlich ein wenig die Optik auf und taufte den tapferen Axel in Rodae Oltena um. Ehe es höchste Zeit war, endgültig abzudanken.

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