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Echtes Racing als Vorbote der modernen "Flüster-Formel 1"

Sie wollen echtes Racing sehen? Den Historischen Monaco-GP haben Sie versäumt? Kein Problem: motorline.cc-Gastautor Helmut Zwickl hat sich umgesehen.

von Helmut Zwickl
Fotos: Automobile Club de Monaco/www.acm.mc

Wenn man heute noch echtes Racing sehen will, muss man sich den Historischen Monaco-Grand Prix geben, der am Wochenende des 10./11. Mai im Fürstentum ablief, die Kulissen waren schon für den Formel 1-Grand Prix errichtet.

Mit echtem Racing meine ich: ohne ERS oder KERS, ohne verstellbare Heckflügel, ohne Benzindurchfluss-Regel und Hybrid-Power, ohne Reifen-und Sprit-Schonen, Bestrafungen für Spurwechsel. Oder Computer, die den Piloten zum Autopiloten degradieren. Racing, bei dem noch die alten Sensoren gefragt sind - und nicht die Simultankapazitäten eines Gameboy-Spielers.

Es war erfrischend, die Formel 1 der 1,5 Liter-Formel der Jahrgänge 1961 bis 1965 zu sehen: den revolutionären Lotus 25 des unvergesslichen Jim Clark, mit dem ersten Monocoque-Chassis. Schlank und zart wie eine Zigarre, von keinem Spoiler-Gewächs verunziert. Der Climax-Motor ist laut, die Reifen schmal - und die Herren, die sich ins Lotus-Classic-Team einkaufen, das Clive Chapman, Colins Sohn führt, bekommen für ihr Geld perfekt vorbereitete Autos. Nicht zuletzt, weil so erfahrene Schrauber wie Mario Andrettis früherer Mechaniker Bob Dance ihr Handwerk einbringen..

Augenweide

Es war eine Augenweide, wie der Brite Andy Middlehurst den 25er zum Sieg führte. Auf Rang drei kam ein Scirocco-BRM wie er im Großen Preis von Österreich 1963 auf dem Zeltweger Militärflugplatz unter dem kürzlich verstorbenen Tony Settember hinter Jack Brabham Zweiter wurde.

Ein Ferrari-Zwölfzylinder zog eine Ölspur, fast um den ganzen Kurs - der Fahrer hat offenbar nicht auf den sinkenden Öldruck geschaut und das Auto sofort abgestellt. Es dauerte eine halbe Stunde bis die Streckenposten das Öl mit Streumaterial, Besen und Kehrmaschinen entfernt hatten.

Höchst eindrucksvoll die Formel 1 der Jahre 1966 bis 1969, und vor allem jene mit Cosworth DFV Motoren von 1970 und 1972, aber auch jene die keine Cosworth-Motoren haben, wie die BRM, die heute bei Hall & Hall ein ewiges Leben erhalten.

Ohne Ohrstöpseln sind diese Autos in den Häuserschluchten von Monaco kaum auszuhalten - aber genau das wollen die Fans. Was sie nicht wollen, wissen wir inzwischen: diese leisen Staubsauger der heutigen Formel 1...

Der Aufwand, um diese alten Geschütze einsatzfähig zu halten ist groß, die Ersatzteilversorgung nicht einfach, dafür teuer. Reingreifen sollte man nur Spezialisten lassen, die meisten findet man in England.

Autos wie der Hesketh oder Fittipaldi, die seinerzeit nur Statisten waren, fahren heute an der Spitze, so gewann der Brite Michael Lyons auf einem Hesketh 308E die Formel 1 Kategorie der Jahre 1973 bis 1978.

Aber das Duell des Wochenendes spielte sich bei den Vorkriegswagen ab. Da duellierten sich Paul Grist auf einem Alfa P3 aus 1934 und Paddins Dowling auf einem ERA (1935), wie einst Nuvolari gegen Varzi. Sie bewegten ihre Boliden an der Rutschgrenze bis haarscharf an die Leitschienen ran. Als einer zwangsläufig einen Abschneider durch die Hafenschikane nehmen musste, ließ er den anderen sofort wieder überholen. Das war Rennfahren wie in längst vergangenen Tagen, mit Kuppeln und Schalten, mit Zwischengas und Bremsen, ohne Servo oder Elektronik. Man muss jeden Piloten bewundern, der mit dem heutigen Wissen um Kohlefaser und HANS und der ganzen passiven Sicherheit in diese Kisten steigt. Das ist so, als müsste ein Eurofighter-Pilot mit Schwert und Schild in den Krieg ziehen...

Übrigens fuhr auch der Jaguar C-Typ in Monaco mit, den Richard Frankel wieder für Sir Stirling Moss zur Ennstal-Classic bringt. Er kam mit Andrew Frankel am Steuer unter 40 Startern auf Rang 23.

Sir Stirling Moss saß im Yacht Club und sah am TV-Schirm wie die Rennautos seiner großen Zeit zwischen den Leitschienen herumtobten: Lotus 18, Cooper T51, Maserati 300S, Aston Marin, Jaguar D und C-Typ.

Jacky Ickx demonstrierte den sagenhaften Auto Union C-Typ Grand Prix-Rennwagen. Jacky kommt heuer dank seines Freundes Karl-Friedrich Scheufele erstmals zur Ennstal-Classic. Sie werden in der Racecar-Trophy einen Porsche 550 Spyder aus dem Werks-Museum pilotieren.

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at

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