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Die Rache eines nicht beförderten Mechanikers

Was da noch rauskommt, ist nicht abzusehen. Ein Technologie-Transfer, wie er in dieser naiven Frechheit noch nie in der Formel 1 vorgekommen ist, macht momentan die laufende WM zu einem Nebenschauplatz.

von Helmut Zwickl

Da ist der einstige Mechaniker Nigel Stepney, der sich bei Ferrari zu einer wichtigen Säule des Dream-Teams rund um Michael Schumacher etablierte.

Stepney war ein Workaholic, sorgte für die Umsetzung der von Jean Todt befohlenen eisernen Disziplin, er hatte großen Anteil an der sagenhaften Qualitätskontrolle, dank der die Roten keine Ausfälle mehr hatten.

Als der Technische Direktor Ross Brawn mit Ende 2006 eine Auszeit nahm, das Rennteam neu strukturiert wurde, rechnete Stepney fest damit, dessen Platz einzunehmen. Dafür hatte er jahrelang Tag und Nacht geschuftet.

Doch diesen Job bekam Mario Almondo. Eine Niederlage, die Stepney aus allen Bahnen warf. Er tat, was ein Schlüsselspieler von Ferrari nie machen darf: er trug sein Unbehagen im Februar in die Britischen Medien.

Damit war er bei Ferrari zum Abschuß freigegeben.

Etwa zur gleichen Zeit war Honda hinter Ross Brawn her.

Stepney traf sich Ende April mit seinem alten Freund Mike Coughlan, dem Chef-Designer von McLaren-Mercedes. Ab jetzt brannte die Lunte, denn das Geheimtreffen blieb nicht geheim. Stepney traf sich daraufhin auch noch mit Honda Teamchef Nick Fry.

Wollten sich Coughlan und Stepney im Doppelpack an die Japaner verkaufen?

An sich sind solche Treffen in der Formel 1 Gang und Gäbe, denn die geldgierigen Designer versteigern sich seit Jahrzehnten unter den Teams. Dass dabei ein paar Pläne und Disketten über den Tisch geschoben werden, nicht zu reden von Know How, das in den Köpfen schlummert, ist auch nichts Neues - denn oberstes Ziel ist, den Gegner zu schwächen und auf irgend einem technischen Gebiet durch neue Köpfe einen Abschneider zum Erfolg zu finden.

Doch was sich hier anbahnte, war nicht der übliche Kuhhandel.

Schon waren die Gerichte in Italien und England eingeschaltet und auch die FIA sah Handlungsbedarf, nachdem ein 780 Seiten Dosier über den heurigen Formel 1 Ferrari bei McLarens Mike Coughlan gelandet war.

Es gab Hausdurchsuchungen in Italien und England, Computer, Handies, Palmtops wurden beschlagnahmt. Auf allen Seiten rotierten die Anwälte.

Ferrari hatte gegen Stepney Anzeige erstattet, McLaren kündigte Coughlan. McLaren und Honda wuschen ihre Hände in Unschuld. Coughlan konnte fürs erste seinen Hals aus der Schlinge ziehen, indem er Ferrari volle Kooperation für die Aufklärung zusagte.

Vieles ist noch unklar: wann genau erhielt McLaren das Dossier, wer hatte es gelesen, und welche Schlüsse konnte die Techniker-Spitze von McLaren daraus ziehen?

Die FIA berief für den 26.Juli das Weltkonzil ein, um die Rolle von McLaren-Mercedes zu überprüfen.

McLarens letztes Statement besagt unter anderem: «Wir können auf Grund der eigenen Untersuchung versichern, dass kein Ferrari-Material oder Daten jemals im Besitz eines McLaren-Mitarbeiters waren oder sind, außer der von Ferrari angezeigten Person...»

Denkbar wäre, dass die FIA auf Grund ihrer Untersuchungen Sanktionen gegen McLaren ergreift. Die Frage ist, inwieweit die laufende WM dadurch beschädigt wird.

Und da ist noch dieses weiße Pulver, das in Monaco in den Ferrari-Tanks gefunden wurde. Auch das bedarf noch der genauen Aufklärung, und bevor man diesen Sabotageakt Nigel Stepney endgültig umhängen kann, gilt natürlich die Unschulds-vermutung.

Klar ist eines: was da in Gang gesetzt wurde, ist die Rache eines nicht beförderten Mechanikers.

Und noch was: die ganze Affaire ist ein Sittenbild der Formel 1.

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at

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