Helmut Zwickl Kolumne | 21.10.2007
Weltmeister im «schlechten Verlieren»
Hiermit verleihe ich McLaren-Mercedes schmerzfrei doch noch einen Weltmeister-Titel: Den Titel im «schlechten Verlieren»
von Helmut Zwickl
Wie oft hat uns Norbert Haug in den letzten Jahren erklärt, «wir sind in der Formel 1 um Sympathien zu gewinnen»
Nach der heurigen Saison gibt es einen ernst zunehmende Sympathie-Sturz, bedanken dafür können sich die Stuttgarter bei ihren Briten, die in dieser Ehe die Domina spielen.
Schon in Brasilien war klar, dass es zwei unterschiedliche Werte in der Außentemperatur gegeben hatte, die als Referenz für das Abkühlen des Benzins herangezogen wird. Obendrein wurde die Benzintemperatur nicht in den Tanks an Bord gemessen, sondern in den Zapfsäulen.
Das sind Eigentore, die das System zu verantworten hat.
Daher haben die Sportkommissare nach Studium aller Daten und Fakten, die von den Technischen Kommissaren dargelegt wurden, die Akte geschlossen.
McLaren-Mercedes ging gegen diese Entscheidung in die Berufung.
«Nur um klarzustellen, welche Meßmethoden künftig gelten» hieß die fadenscheinige Sprachregelung der WM-Verlierer.
Niemand, weder die Fans, noch die Insider der Szene haben jemals ernstlich geglaubt, was die PR-Maschinerie der Silberpfeile verbreitet hat, dass man nämlich im Sinne des Sports nichts anderes als «eine Klarstellung des Messverfahrens wolle.»
Was wirklich dahinter steckte spuckte der McLaren-Anwalt Ian Mill bei der Berufungsverhandlung in London aus: «Es war ein Reglementvergehen, es war eine Leistungssteigerung, die Bestrafung kann nur die Disqualifikation sein»
In Wahrheit ging es McLaren-Mercedes einzig und allein um die Disqualifikation der Autos von BMW-Sauber und Williams, die in Brasilien vor Hamilton ins Ziel gekommen waren.
27 Tage lang nach dem Brasilien-GP wurde die Formel 1 von dieser Benzin-Affaire in Geiselhaft genommen. Diese Zeitspanne, die zwischen Brasilien und dem Termin für das Berufungsgericht verstrich, lag sicherlich im Rahmen der FIA-Geschäftsordnung, sie war aber gelinde gesagt unerträglich lang. Selbst Bernie Ecclestone meinte, er würde abtreten, wenn das Berufungsgericht Hamilton am grünen Tisch zum Weltmeister macht.
Es dauerte dann zwei Tage bis das Berufungsgericht einen Urteilsspruch formulierte. Dass darin die Berufung von McLaren-Mercedes als «inadmissible» (unzulässig) abgelehnt wurde, werden alle, die einen gesunden Menschenverstand besitzen, nicht anders erwartet haben.
Nun ist endlich Kimi Räikkönen als Weltmeister kugelsicher geworden, und McLaren-Mercedes darf sich jetzt den WM-Titel im «schlechten Verlieren» ganz offiziell umhängen.
Dieser Titel hat Bestand. Es wird auch niemand Berufung dagegen einlegen, und es wird eine zeitlang dauern, bis man ihn abstreifen kann.
Der Count Down zur nächsten Affaire, die die Formel 1 sehr nachhaltig beschädigen kann, ist längst angelaufen: Renault muß sich wegen des Technologie-Transfers vor der FIA verantworten, den ein Überläufer von McLaren im Handgepäck mitbrachte.
Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at