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Über Fernando Alonso, den alten, neuen Weltmeister, werden wir noch viel zu berichten haben. Aber so einen wie Michael Schumacher wird es nie mehr geben.

Als Fangio mit fünf WM-Titeln in Pension ging, war es nicht vorstellbar, dass dieser Rekord jemals überboten werden könnte.

Michael Schumacher geht mit sieben Titeln in Pension und aus heutiger Sicht scheint es unmöglich, dass irgendwer, irgendwann acht Titel produziert.

Wir haben in der Schumi-Epoche alles an Höchstrufen, Applaus, Lob, Staunen, Verneigungen, Schulterklopfen, Bewunderung, Überwältigung, an den Deutschen Jahrhundertrennfahrer vergeben, wozu wir überhaupt mit Worten fähig sind.

Was uns bleibt, ist nochmals zu analysieren, wie es möglich war, dass ein Mensch sieben Mal, und beinahe sogar ein achtes Mal, Automobilweltmeister werden konnte.

Wenn wir schon bei Senna vom ultimativen Rennfahrer gesprochen haben, so war Schumacher die nächste «Weiterentwicklung». Damon Hill hat ihn einmal als «Klon» bezeichnet, was zwar böse klingt, aber in Wahrheit meinte er, dass Schumi dank seiner Gene alle anderen Rennfahrer zu «Untermenschen» degradierte.

Was Michael von Natur aus auf sein Genplättchen mitbekam, tritt in dieser spezifischen Vollendung äußerst selten auf.

Aber wir wissen, Genies bezahlen ihr Genie mit der Einseitigkeit.

Ludwig van Beethoven wäre vermutlich nie ins Ferrari-Team gekommen und Michael Schumacher kann keine Symphonien komponieren. Albert Einstein hätte im Berg-Kraxeln gegen Reinhold Messner den kürzeren gezogen.

Der Schumacher-Faktor wurde zu einer bekannten Größe: er sorgte für jene gewonnenen Zeitspäne, die andere Fahrer nicht zu finden im Stande waren. Nicht einmal, wenn man sie ins Auto von Schumi gesetzt hätte.

Aus Telemetrie-Daten wissen wir: Schumi holte sich die Hundertstel beim Anbremsen und Einfahren in eine Kurve. Mit seiner Technik Gas-stehen-lassen-beim-Bremsen hielt er das Auto optimal in der Balance, denn er reduzierte den Gewichtstransfer in Längsrichtung und er ließ das zeitraubende Untersteuern nicht aufkommen.
In der Regel balancierte und stabilisierte er das Auto mit Bremse und Gaspedal bis in den Scheitelpunkt, er nagelte den Ferrari im optimalen Leistungsfenster der Aerodynamik fest.
Als Gerhard Berger zu Benetton kam und in das Schumacher-Auto stieg, hatte er einige schwere Crashes, weil er mit dem auf Schumacher hinentwickelten, für ihn total kritischen Auto, nicht zurechtkam.

Wer Schumacher nicht im Team hatte, musste gegen ihn wettrüsten. Das wurde teuer.

Ob es die zwei WM-Titeln bei Benetton waren, oder die fünf bei Ferrari: Schumi konnte sich in zwei Teams einbringen, die von den Resourcen und vom Management her überragend waren.

Er hatte jahrelang die besten Schlüsselspieler der Formel 1 hinter sich, eine geballte Ladung an technischer Kompetenz, die bei Benetton nicht zuletzt darin bestand, dass man mit einer Software in den Gummi-paragraphen des Reglements sein Unwesen trieb, die auf der Piste die Gegner austrickste, und von der FIA nicht zu orten war.
Unter der Regie von Jean Todt wurde der Schumacher-Faktor bei Ferrari zur Blüte gebracht und als Dauerbrenner installiert, und was wäre das Erfolgspaket gewesen, hätten es die Roten nicht durch ihr politisches Power strategisch absichern können.

Immer wenn Schumi mit dem Rücken zur Wand stand, explodierte der Killer-Instinkt in ihm: auch der ist auf seinem Genblättchen serienmässig, wie die Verletzbarkeit und das nicht verlieren können.

Selbst in seinem letzten Rennen, wo ihn ein Benzindruckproblem auf den zehnten Startplatz verbannte und ein Reifendefekt ans Ende des Feldes zurückschleuderte, fräste er sich durchs Feld auf Rang vier vor und Alonso hatte Bereitschaftsdienst bis zur Flagge.

Eine Aussage von Niki Lauda ist für mich das größte Kompliment, das man Schumacher in die Pension mitgeben kann. Niki offenbarte in einem Gespräch mit mir: «Nicht einmal in meiner größten Zeit war ich so gut wie er.»

Autor Helmut Zwickl ist neben seiner langjährigen Tätigkeit als einer der führenden deutschsprachigen Motorsportjournalisten auch Veranstalter der Ennstal-Classic, alle Infos dazu finden Sie unter www.ennstal-classic.at

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